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Donald Trump: Die fünf Lehren aus dem gescheiterten Amtsenthebungsverfahren

JOINT BASE ANDREWS, MARYLAND - JANUARY 20: President Donald Trump and First Lady Melania Trump pause while speaking to supporters at Joint Base Andrews before boarding Air Force One for his last time  ...
War während des Impeachment-Verfahrens nicht vor Ort: Ex-Präsident Donald Trump, hier mit seine Frau Melania Trump, kurz vor der letzten Abreise als Präsident aus Washington im JanuarBild: Getty Images North America / Pool
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"Schlecht vorbereitet und in Windeseile durchgeführt": Warum das Impeachment gegen Trump wichtig war, obwohl es gescheitert ist

15.02.2021, 18:3516.02.2021, 16:14
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Nicht schuldig: Der US-amerikanische Senat hat sich am vergangenen Samstag gegen eine nachträgliche Amtsenthebung von Ex-Präsident Donald Trump entschieden. Zwar haben alle demokratischen Senatoren für eine Amtsenthebung gestimmt und selbst die Republikaner haben Trumps Verantwortung für den Kapitol-Sturm anerkannt. Am Ende konnten sich aber nur sieben von ihnen dazu durchringen, für eine Verurteilung zu stimmen. 57 zu 43 Stimmen für eine Amtsenthebung, das waren zehn Stimmen weniger als die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Jamie Raskin, Chef-Ankläger im Senat, kritisierte in einer anschließenden Stellungnahme Samstagnacht unserer Zeit die republikanischen Senatoren scharf und warf ihnen Scheinheiligkeit und Egoismus vor. Gleichzeitig verteidigte er den Prozess als Erfolg und sprach vom "größten überparteilich unterstützten" Impeachment in der Geschichte der USA.

"Schlecht vorbereitet und in Windeseile durchgeführt."
Thomas Jäger, USA-Experte

USA-Experte Thomas Jäger sieht die Rolle der Ankläger im Prozess jedoch kritisch. Seiner Meinung nach war die Anklage nicht gut genug vorbereitet, und es wurde zu wenig darauf geachtet, welche Signalwirkung der Prozess im ganzen Land haben würde. Gegenüber watson erklärt Jäger, die Ankläger hätten "Zeugen vorladen und auch die Senatoren anhören müssen. Aber das wollten sie nicht, weil es rasch gehen sollte. Schlecht vorbereitet und in Windeseile durchgeführt, konnte das Impeachment keinen Einfluss auf die Bewertung in der Bevölkerung haben."

TOPSHOT - US Speaker of the House Nancy Pelosi, with House impeachment managers, speaks to the press after the Senate voted to acquit former US President Donald Trump, in the US Capitol in Washington, ...
Die Sprecherin des Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, kritisierte die Republikaner nach der Abstimmung im Senat scharf.Bild: AFP / ALEX EDELMAN

Auch US-amerikanische Journalisten hatten das Vorgehen der Demokraten kritisiert. Chef-Ankläger Raskin verteidigte sich in der Stellungnahme nach dem Prozess gegen diese Kritik und erklärte, dass auch zahlreiche Zeugen keinen Einfluss auf die Entscheidung der republikanischen Senatoren gehabt hätten. Die Blockade-Haltung der Republikaner, sagte Raskin, sei unumstößlich gewesen. Er erklärte, dass die beste Anklage der Welt nichts genützt hätte, wenn die Republikaner die Legitimität des Verfahrens an sich nicht unterstützten. Trotzdem sei es richtig gewesen, das Impeachment einzuleiten.

Tatsächlich hat Raskin recht: Obwohl das Impeachment-Verfahren gescheitert ist, war es wichtig, dass es durchgeführt wurde. Denn es hat einige wichtige Punkte klargemacht. Hier sind die wichtigsten fünf Lehren aus dem zweiten Impeachment-Prozess gegen Donald Trump:

Ein Präsident darf auch nach seiner Amtszeit angeklagt werden

Die Mehrheit der Republikaner hat dieses technische Detail als Vorwand genutzt, um nicht für die Verurteilung ihres Ex-Präsidenten zu stimmen. Doch die Rechtmäßigkeit des Verfahrens wurde de facto anerkannt, als der US-Senat mit 56 Stimmen für die Zulassung des Verfahrens stimmte und den Senat für zuständig erklärte.

Damit kann ein US-Präsident auch nach Ende seiner Amtszeit zur Rechenschaft gezogen werden. Ein wichtiger Präzedenzfall, um Amtsmissbrauch eines abgewählten Präsidenten in der Zukunft zu verhindern.

Die Republikaner erkennen Trumps Verantwortung für die Kapitol-Stürmung an

Die Republikaner haben auch die Anklage als solche als rechtmäßig und begründet anerkannt. Minderheitsführer Mitch McConnell erklärte über den Zusammenhang zwischen Trumps Rede und der Stürmung des Kapitols: "Es ist keine Frage, dass Präsident Trump dafür verantwortlich ist und die Ausschreitungen provoziert hat".

Am Ende stimmte er trotzdem gegen eine Amtsenthebung, da der Senat seiner Meinung nach nicht über einen ehemaligen Präsidenten richten könne. Eine zynische Erklärung: McConnell hatte aus parteitaktischen Gründen selbst dafür gesorgt, dass das Verfahren nicht früher starten konnte – also, als Trump noch Präsident war.

Was bleiben wird, ist der Eintrag in die Geschichtsbücher. Dort wird Donald Trump als der US-Präsident stehen, der für einen versuchten Staatsstreich durch seine Anhänger verantwortlich ist.

So viel Zustimmung wie nie bei einem Impeachment-Verfahren

57 zu 43. Dieses Abstimmungsergebnis ist historisch. Die Demokraten stimmten geschlossen für eine Verurteilung des republikanischen Ex-Präsidenten Trump und sieben Republikaner schlossen sich diesem Votum an. Noch nie gab es derart viele Stimmen für eine Amtsenthebung aus der Partei des Beschuldigten.

Bei den drei bisherigen Amtsenthebungsverfahren hatten Mitglieder der Partei des Beschuldigten immer gegen die Amtsenthebung gestimmt – einzige Ausnahme: das erste Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump im vergangenen Jahr. Damals hatte Mitt Romney als einziger Republikaner für eine Amtsenthebung Trumps gestimmt.

Somit handelt es sich in der Tat um das "größte überparteilich unterstützte Amtsenthebungsverfahren in der Geschichte der USA", wie Chef-Ankläger Raskin am Samstag erklärte.

Donald Trump hat die Wahl verloren – und das nun auch anerkannt

Zwar würde er es nicht groß auf Twitter publizieren – und kann es nun auch nicht mehr, nachdem er dort auf Lebenszeit "Hausverbot" erhalten hat – aber Donald Trump hat im Laufe des Verfahrens seine Wahlniederlage anerkannt. Denn mit dem Beharren auf der Unrechtmäßigkeit des Verfahrens räumten Donald Trumps Anwälte implizit auch seine Wahlniederlage ein.

Grundlage der Ablehnung eines Amtsenthebungsverfahrens war die Annahme, dass der Senat keine Befugnis besitzt, über einen bereits aus dem Amt geschiedenen US-Präsidenten zu richten. So begründeten die republikanischen Senatoren ihre Entscheidung, mit Nein zu stimmen und letztendlich dafür zu sorgen, dass Trump nicht verurteilt wird.

Indem Trumps Anwälte und seine Partei seinen Freispruch akzeptieren, akzeptieren sie auch seine Wahlniederlage: Wäre er noch US-Präsident, hätte er nach dieser Logik nämlich verurteilt werden können.

Die Republikanische Partei ist gespalten

Mitt Romney, Susan Collins, Lisa Murkowski, Ben Sasse, Bill Cassidy, Richard Burr und Pat Toomey: Das sind die Namen derer, die für das Dilemma der Republikanischen Partei stehen: Die sieben Senatoren stimmten für eine Verurteilung von Donald Trump. Nicht alle Namen sind überraschend: Mitt Romney hatte bereits beim vorherigen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gestimmt. Die meisten anderen Senatoren auf der Liste streben keine Wiederwahl an und sind daher auch nicht von Trumps Anhängerschaft abhängig.

Lisa Murkowski, Senatorin aus Alaska, stammt allerdings aus einem Bundesstaat, der bei der Präsidentschaftswahl mehrheitlich für Trump gestimmt hat. Auch hat sie durchaus vor, erneut für den Senat zu kandidieren. Ihre Stimme gegen den ehemaligen US-Präsidenten kann daher durchaus als Zeichen dafür gesehen werden, dass die Republikanische Partei sich von ihrem ehemaligen Präsidenten emanzipiert.

Auch Mitch McConnells Erklärung, dass Trump für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich sei, ist eine erneute klare Distanzierung eines der wichtigsten republikanischen Politikers. Möglicherweise entdeckt die Republikanische Partei gerade ihr Gewissen wieder.

Wie geht es nun weiter?

Für USA-Experte Thomas Jäger wird auf Dauer die Parteibasis darüber entscheiden, welche Richtung die Republikaner und damit auch die US-Politik einschlagen. "Dass sich viele Republikaner in Washington gegen Donald Trump gewandt haben, ist für ihn ungünstig", so Jäger.

Wirklich wichtig seien für den ehemaligen US-Präsidenten aber die Unterstützung seiner Anhänger, erklärt der Politikwissenschaftler: "Angekündigt hat er, dass seine 'Make-America-Great-Again'-Bewegung jetzt erst richtig loslegt. Darüber entscheidet die republikanische Basis. Sie hat nun in der Hand, ob sie weiter zu Trump stehen und sich von den Abgeordneten abwenden, die ihn verurteilt haben."

Wenn Trump das gelinge, ziehe er Vorteile aus dem zweiten Amtsenthebungsverfahren. "Dann bringt er die Republikanische Partei noch strikter auf seinen nationalpopulistischen Kurs", sagt Jäger.

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