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Malu Dreyer: Familien sollen in den Mittelpunkt der Corona-Politik rücken

MAINZ, GERMANY - MARCH 04: Malu Dreyer, premier of Rhineland-Palatinate and member of the German Social Democrats (SPD), pictured before she records an election campaign talk in a studio made to look  ...
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer Anfang März, vor der Aufzeichnung eines digitalen Wahlkampf-Talks. Bild: Getty Images Europe / Thomas Lohnes
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Malu Dreyer fordert im watson-Gastbeitrag: Familien sollen in den Mittelpunkt der Corona-Politik rücken

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin (SPD) schreibt über die Zumutungen der Pandemie für Eltern wie Kinder – und spricht sich dafür aus, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
09.03.2021, 05:0009.03.2021, 11:35
malu dreyer, gastautorin
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Corona ist eine Zumutung. Für uns alle. Wir alle sehnen uns danach, unbeschwerte Stunden zu verbringen oder durch belebte Innenstädte zu bummeln. Wir hoffen auf den Urlaub am Meer und würden uns sogar über den schlechten Kaffee in Konferenzräumen freuen. Es ist wahrscheinlich für jeden von uns etwas anderes, was er am meisten vermisst.

Das Virus trifft nicht alle gleich

So sehr wir uns nach einem Ende der Pandemie sehnen und so sehr wir uns einfache Lösungen wünschen, so wenig kann es die eine für alle gültige Antwort geben. Alleinerziehende, Risikogruppen, Spediteure, Gastronomen, Einzelhändler – sie alle haben unterschiedliche Probleme und Erwartungen an die Politik. Komplexe Probleme erfordern komplexe Lösungen, um möglichst vielen Menschen gerecht zu werden.

Familien sind so bunt wie die Natur

Wenn wir auf Familien in der Corona-Zeit schauen, wird diese Herausforderung besonders deutlich. Für mich als Sozialdemokratin gilt: Familie ist überall dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Familien sind so vielfältig wie die Farben der Natur: Sie sind klein oder groß; sie wohnen in Mehrgenerationenhäusern oder verstreut über die ganze Republik; im Mittelpunkt stehen betagte Eltern oder kleine Kinder; sie haben Häuser mit Gärten oder wohnen auf engstem Raum; Familien führen ein finanziell sorgenfreies Leben oder müssen jeden Monat sparsam haushalten. Und für manche Menschen sind die engsten Freunde die eigentliche Familie.

So unterschiedlich diese Familien sind, so sehr eint sie aktuell die Sorge um die eigene Gesundheit und um die ihrer Liebsten. Es gibt keinen gesellschaftlichen Bereich, der nicht von Corona betroffen wäre. Und in Familien treffen diese Stränge aufeinander. Es wäre vermessen, wenn die Politik den Anschein erwecken würde, sie könnte für jede dieser individuellen Situationen eine passgerechte, individuelle Lösung bieten. Was die Politik tun muss und kann, ist strukturelle Belastungen zu senken und besondere Härten aufzufangen.

Soziale Härten abfedern

Auf Bundesebene hat Familienministerin Franziska Giffey dafür gestritten, dass Eltern zusätzliche Krankentage geltend machen können, wenn sie ihre Kinder betreuen müssen. Wir haben zum Beispiel einen Coronabonus bei ALG II sowie einen Kindergeldzuschlag durchgesetzt. Vieles wäre heute schon einfacher, wenn das Modell der Familienarbeitszeit bereits umgesetzt wäre, bei dem beide Elternteile ihre Arbeitszeit phasenweise reduzieren können.

In Rheinland-Pfalz haben wir schon zu Beginn der Pandemie gesagt: wir halten die Kitas für all jene offen, die sie brauchen. Weil die Gründe dahinter vielfältig sein können. Wir haben Wert darauf gelegt, Kinder bei den Kontaktbeschränkungen möglichst auszunehmen und auch gesonderte Regelungen für Alleinerziehende zu schaffen. Wir haben die Kommunen dabei unterstützt, mehr Schülerbusse, Laptops und Luftfilter zu beschaffen, und wir haben die Lehrkräfte mit Fortbildungen dabei unterstützt, auch in digitalen Zeiten einen guten Unterricht anbieten zu können.

Für Kinder, die zusätzliche Unterstützung beim Lernen brauchen, bieten wir seit dem Sommer eine Ferienschule an. Und für jene, die endlich mal ein paar unbeschwerte Stunden brauchen, haben wir die Angebote der Ferienbetreuung ausgebaut und fördern Ferienprogramme und Familienferien. Denn auch hier ist der Bedarf für die Familien unterschiedlich.

Die Pandemie mit den Augen der Kinder betrachten

Das Virus trifft nicht alle gleich und für viele Kinder und Jugendliche stellt es das Leben auf den Kopf: Kinder verlassen morgens mit Maske das Haus, tragen die Maske im Bus und im Unterricht. Der Schulalltag ist voller neuer Regeln, die Pausen sind keine ausgelassene Zeit mehr. Freizeiteinrichtungen sind geschlossen, der Kontakt zu Freunden und den Großeltern ist massiv eingeschränkt. Kindergeburtstage, Einschulungs- und Abschlussfeiern, Praktika und Auslandsjahre fallen aus. Vieles davon wird man nicht nachholen können.

Die Eltern jonglieren mit einem Alltag, der ständig eine neue Normalität verlangt. Die Tage zu Hause können plötzlich sehr lang werden. Selbst Ferien sind langweilig. Für viele Familien ist dies eine Zeit zusammenzuwachsen. Sie entdecken neue Hobbys, Kinder im Homeschooling wachsen an der Verantwortung oder entdecken die Freude am Brettspiel wieder.

Für viele Familien ist diese Zeit aber auch ein Kampf: Kinderärzte berichten von gewachsenen seelischen Belastungen und fürchten eine hohe Dunkelziffer der häuslichen Gewalt. Kinder verlernen, was sie gerade in der Schule gelernt hatten, oder vermissen das tägliche warme Schulmittagessen. Eltern kämpfen vielleicht um die eigene wirtschaftliche Existenz und fragile Betreuungskonzepte mit Großeltern und Freunden sind aus den Fugen geraten. Und auch Kinder und Jugendliche – das sollten wir nie unterschätzen – haben Sorge vor dem Virus und Angst, ihre Eltern oder Großeltern anzustecken.

Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen, sie haben ihre eigene Erfahrungswelt. Es reicht nicht, nur auf die Schule zu schauen, als ob das der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens wäre. Seit vielen Jahren kämpfe ich daher dafür, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Denn es ist notwendig, dass auch ihre Perspektive bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das gilt in der Pandemie vielleicht noch stärker als sonst.

Kinder zuerst

Es ist gut und richtig, dass wir die vulnerablen Gruppen bei den Impfungen an die erste Stelle setzen. Ältere und Risikogruppen müssen besonders vor einer Infektion geschützt werden. Wenn wir darüber reden, an welchen Stellen wir in den kommenden Wochen lockern können, dann müssen hierbei die Kinder an erster Stelle stehen. Darum wollen wir zuallererst in Kitas und Schulen behutsam und stufenweise wieder in den Präsenzbetrieb gehen. Wenn wir über Stufenpläne sprechen, sollten wir aber auch prüfen, wo wir Bereiche für Kinder und Jugendliche oder Familien früher öffnen können als andere. Beim Mannschaftssport etwa oder den Zoos und Tiergärten. Kinder zuerst – das wäre doch eine gute Devise für die kommenden Wochen.

Der wichtigste Beitrag, den wir alle in den kommenden Monaten für die Familien leisten können, ist, das Virus schnellstmöglich zu besiegen. Wir müssen die Infektionszahlen senken und die Impfungen fortsetzen. Damit wir alle mit unseren Familien wieder ein möglichst normales Leben führen können. Ein Leben, in dem der Streit um den Abwasch, die Nervosität vor der Mathearbeit oder das bevorstehende Fußballturnier die größte Aufregung des Tages bringt. In diesem Sinne ist jede Maßnahme, die hilft, das Virus einzudämmen, immer auch ein Stück Familienpolitik.

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