Er zog am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" besonders viel Aufmerksamkeit auf sich: CDU-Politiker Friedrich Merz. Es ging um die Bundestagswahl, um Hans-Georg Maaßen und ums Gendern. Neben Merz waren jedoch noch drei weitere Gäste in der Show: Journalistin Nicole Diekmann, Ökonomin Claudia Kemfert und Intensivkrankenpfleger Ricardo Lange.
Auf Twitter folgen Lange rund 18.500 Menschen, immer wieder macht er dort auf die Missstände in Kliniken aufmerksam. "Wir Pflegekräfte arbeiten seit Jahren an unserer Belastungsgrenze und provisorische Beatmungsbetten wurden geschaffen. Überlastung sollte also nicht mit Kollabieren verwechselt werden", schrieb er beispielsweise vor einigen Tagen.
Vergangene Woche war er gemeinsam mit Gesundheitsminister Jens Spahn und dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts bei der Bundespressekonferenz, in der wöchentlich über die aktuelle Corona-Lage informiert wird. Auch am Freitagmorgen zeigen sich viele Twitter-Nutzer beeindruckt von Lange. "Lieber einen Ricardo Lange anstatt Millionen Merz", schreibt ein Nutzer beispielsweise. Und: "Großartiger Auftritt eines mutigen Menschen. Leute wie Ricardo Lange sollten öfter zu Wort kommen".
Lange erzählt, dass er mehrmals versucht habe, mit Jens Spahn in Kontakt zu treten. "Mich stört schon seit langem, dass das Gesundheitssystem so ist, wie es gerade ist. Dass Kliniken privatisiert wurden. Momentan sind Kliniken ja eher Fabriken, wo die Ware Mensch hineinkommt und da wird Geld generiert bis zum letzten Atemzug", so Lange. Den Kliniken bliebe als Wirtschaftsunternehmen aber nichts anderes übrig, als schwarze Zahlen zu schreiben, also werde an den Menschen gespart. Für ihn sei es unbegreiflich, dass ein Land wie Deutschland zu Beginn der Pandemie keine Masken und Schutz-Visiere besorgen konnte. "Die haben wir aus Büromaterialien zusammengebastelt", erzählt er.
"Dieses Geklatsche hat mich genervt, immer klatscht er und sagt 'Danke liebe Pflege'", sagt Lange über Spahn. Dann würden aber keine Taten folgen. Vergangene Woche hatte Lange bei der Bundespressekonferenz geschildert, wie die Lage auf den Intensivstationen aktuell ist.
"Die Intensivstationen sind voll, da gibt es keinen Interpretationsspielraum", hatte Lange gesagt. "Jetzt stellen Sie sich vor, Sie kommen ins Krankenhaus und müssen Abschied nehmen mit Mundschutz, Kittel und Handschuhen. Sie haben keinen körperlichen Kontakt. Und selbst, wenn die Mama noch ansprechbar sein sollte, was meistens nicht der Fall ist, sieht sie sie das letzte Mal verkittelt, mit Maske, und das ist das Letzte, was sie sieht", so Lange. Zudem müssten sie verstorbene Menschen wegen des Infektionsschutzes in schwarze Plastiksäcke verpacken. "Wir legen sie dort hinein und ziehen den Reißverschluss zu. Und glauben Sie mir, das macht etwas mit einem", hatte er gesagt.
Bei Lanz erklärt Lange, was genau das mit ihm mache. Man betreue die Patienten wochenlang. Dann komme der Tag, an dem man es "doch nicht schafft". Man könne aktuell nicht richtig Abschied nehmen. "Es ist irgendwie so unwürdig", sagt er. Man könne nicht mehr gut mit dem Tod umgehen.
Im Gespräch mit Merz spricht Lanz einen möglichen Kulturwandel nach der Bundestagswahl an. "Können Sie sich vorstellen, zu gendern?", wird Merz vom Moderator gefragt. "Nein, das werde ich auch nicht machen. Wenn die Grünen das machen wollen, gibt es halt zwei Versionen des Koalitionsvertrages, einen mit Gendersternchen und einen ohne", so Merz. Das solle jeder machen wie er will. "Aber ich möchte mich nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darüber belehren lassen, dass ich das machen muss."
"Sie sagen, es soll jeder machen wie er will, ich habe aber gelesen sie wollen das verbieten lassen", mischt sich Diekmann ein. Merz streitet das ab, das habe nirgendwo gestanden. "Sie haben Macron doch als Vorbild genannt in dieser Frage", hakt Diekmann nach. Auch das sei nicht wahr, widerspricht Merz. Lanz kommt nun wieder dazu: "Das Interview habe ich doch selbst gelesen". Weiter streitet Merz diese Aussagen ab. Dass das jeder selbst entscheiden könne, verstehe er unter Freiheit. Nochmal betont er, er wolle sich nicht "mit einem moralischen Zeigefinger belehren lassen".
Diekmann spricht einen Tweet von Merz an, "diese Beispiele sind wirklich Gender-Gaga", sagt sie. In seinem Beitrag hatte Merz geschrieben: "Grüne und Grüninnen? Frauofrau statt Mannomann? Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Mutterland? Hähnch*Innen-Filet? Spielplatz für Kinder und Kinderinnen? Wer gibt diesen Gender-Leuten eigentlich das Recht, einseitig unsere Sprache zu verändern?".
Merz sagt, all diese Beispiele habe er aus den Zeitungen. "Dann lesen sie andere Zeitungen als ich, das ist doch Quatsch", antwortet Diekmann. Und Merz redet ihr dazwischen: "Dann sind wir uns einig, und der ganze Rest ist doch...". Diekmann gendert selbst und sagt, sie halte das nicht für Quatsch.
Lanz hakt bei Merz nach: "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, sie haben offenbar das Gefühl, dass sie da belehrt werden. Würden sie es verbieten?" Merz weicht aus, doch Lanz lässt nicht locker. "Ich stelle mir die Frage, wer gibt den Redakteuren dort in einem von allen privaten Haushalten in Deutschland bezahlten Rundfunk und Fernsehen eigentlich das Recht, die Anwendung der deutschen Sprache zu verändern?", antwortet Merz.
"Kann das nicht jeder machen wie er möchte? Das machen Sie doch in der CDU auch", sagt Lanz. Und er fragt nach: "Wenn Sie etwas zu sagen hätten, würden Sie es verbieten?". Merz sagt, man könne es in Deutschland nicht verbieten. Aber bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten habe man Gremien. "Ich habe nur gesagt, ich möchte mich nicht belehren lassen. Diesen Anpassungsdruck mag ich nicht", so Merz. Und weiter: "Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung will das nicht. Weil sie ein anderes Gefühl, ein Feingefühl für die Verwendung der deutschen Sprache hat."
(pas)