
Donald Trump weigert sich weiterhin, seine Wahlniederlage zu akzeptieren.Bild: imago images / ALEX WONG
International
04.01.2021, 07:5804.01.2021, 07:58
Die Bemühungen des amtierenden US-Präsidenten
Donald Trump, seine Wahlniederlage im Bundesstaat Georgia
nachträglich abändern zu lassen, haben bei Demokraten Entrüstung
hervorgerufen. Trump hatte in einem einstündigen Telefonat den für
die Wahl in Georgia verantwortlichen Staatssekretär Brad
Raffensperger – ebenfalls ein Republikaner – unverblümt aufgefordert,
genügend Stimmen für ihn "zu finden" und das Ergebnis
"nachzuberechnen", wie die "Washington Post" am Sonntag berichtete.
Die Zeitung veröffentlichte einen kompletten Mitschnitt des
Gesprächs.
Später berichteten auch weitere US-Medien unter Berufung auf
ihnen vorliegende Mitschnitte über den Inhalt des Gesprächs. Trump
schrieb auf Twitter ebenfalls über das Telefonat mit Raffensperger
und beschimpfte seinen Parteikollegen als "ahnungslos".
Demokraten: "Kriminell und gefährlich"
Die gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris bezeichnete Trumps
Vorgehen in dem Telefonat vom Samstag als "dreistem Machtmissbrauch",
der "die Stimme der Verzweiflung" erkennen lasse. Trump und seine
Republikaner hätten in dem Bundesstaat sechs Klagen gegen das
Ergebnis eingereicht und seien damit erfolglos geblieben, sagte die
Demokratin bei einem Wahlkampfauftritt in Georgia.
Der frühere demokratische Präsidentschaftsbewerber Julian Castro
schrieb auf Twitter, "der Präsident der Vereinigten Staaten erpresst
die Verantwortlichen der Bundesstaaten, um zu versuchen, die Wahl zu
stehlen, die er verloren hat". Sein Vorgehen sei "kriminell und
gefährlich". Der Abgeordnete Bobby Scott erklärte, Trumps "Verhalten
ist eine gefährliche Bedrohung der Demokratie und verdient
strafrechtliche Ermittlungen." Die prominente linke Demokratin
Alexandria Ocasio-Cortez sagte, Trumps Handeln rechtfertige ein
Amtsenthebungsverfahren. Selbst der republikanische Abgeordnete Adam
Kinzinger nannte Trumps Verhalten auf Twitter "absolut entsetzlich".
Trump: "Kann nicht sein, dass ich Georgia verloren habe"
In dem Telefonat warnte Trump Raffensperger, dass er ein "großes
Risiko" eingehe und sich womöglich einer Straftat schuldig mache,
wenn er nicht gegen Wahlbetrug vorgehe. Trump hatte in Georgia bei
der Wahl vom 3. November sehr knapp verloren. Der Demokrat Joe Biden
lag dort mit etwa 12.000 Stimmen vorne. Die Ergebnisse wurden dort
zwar zweimal nachgezählt, das Endergebnis änderte sich dadurch aber
nur geringfügig – es gab keine Hinweise auf größeren Wahlbetrug.
Trump beklagte in dem Gespräch das "falsche" Ergebnis in Georgia.
"Ich will nur 11.780 Stimmen finden (...), weil wir den Bundesstaat
gewonnen haben", sagte er dem Mitschnitt zufolge. "Wir haben die Wahl
gewonnen, und es ist nicht fair, uns den Sieg so zu nehmen", sagte
Trump. "Es kann nicht sein, dass ich Georgia verloren habe." Es
seien "Hunderttausende" fragwürdige Stimmen abgegeben worden,
behauptete der 74-Jährige. "Tote haben abgestimmt."
Raffensperger solle die Ergebnisse nochmals prüfen, forderte
Trump. Es sei "nichts falsch daran" zu erklären, dass alles neu
berechnet worden sei. "Aber prüfen Sie es mit Leuten, die Antworten
finden wollen", sagte Trump. Raffensperger entgegnete dem Mitschnitt
zufolge: "Wir müssen zu unseren Zahlen stehen. Wir glauben, unsere
Zahlen stimmen." Er verwies auch darauf, dass die Ergebnisse vor
Gericht Bestand gehabt hätten. Auf Twitter schrieb er mit Bezug auf
Trumps Behauptungen:
"Mit Respekt, Herr Präsident: Was Sie sagen, ist nicht wahr."
Trump erkennt Niederlage nach wie vor nicht an
Im Artikel der "Washington Post" hieß es, das "umherschweifende
und teilweise unzusammenhängende Gespräch" zeige, wie "besessen und
verzweifelt" der Präsident angesichts seiner Wahlniederlage sei.
Trump glaube noch immer, dass er das Ergebnis in genügend Staaten
ändern könne, um sich eine zweite Amtszeit zu sichern. An dem
Telefonat nahmen demnach auch Trumps Stabschef Mark Meadows und
Anwälte teil.
In Georgia finden am Dienstag äußerst wichtige Stichwahlen um
zwei Senatssitze statt, deren Ergebnis die Mehrheit der Republikaner
in der Parlamentskammer in Washington kippen könnte. Trump und Biden
wollten am Montag (Ortszeit) noch einmal persönlich in Georgia
Wahlkampf machen.
Trump hat die Wahl vor fast zwei Monaten verloren, weigert sich
aber weiterhin, Bidens Sieg anzuerkennen. Sein Widersacher soll am
20. Januar als neuer Präsident vereidigt werden. Biden sicherte sich
306 Stimmen der Wahlleute, deutlich mehr als die für einen Sieg
nötigen 270 Stimmen. In Georgia wurden die Stimmen von 16 Wahlleuten
vergeben.
Versuche auch in anderen Staaten
Trump hat auch die Ergebnisse in anderen Bundesstaaten infrage
gestellt, darunter Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten. Er und
seine Verbündeten haben mit ihren Klagen gegen die Ergebnisse jedoch
keinen Erfolg gehabt - selbst von Trump ernannte Richter wiesen
Klagen zum Teil mit sehr deutlichen Begründungen zurück.
Im formalen Wahlprozedere der USA steht am Mittwoch (ab 19.00 Uhr
MEZ) noch die Zertifizierung der Ergebnisse aus den einzelnen
Bundesstaaten im Kongress an. Erst dann wird amtlich sein, wer die
Wahl gewonnen hat. Republikaner aus dem Repräsentantenhaus und dem
Senat haben angekündigt, bei der Prozedur Einspruch gegen Resultate
einzelner Staaten einzulegen. Die Störaktion kann die Bestätigung von
Bidens Wahlsieg um einige Stunden verzögern, hat aber keine Aussicht
darauf, tatsächlich etwas am Wahlausgang zu ändern.
(om/dpa)