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70 Jahre Grundgesetz: Kristina Hänel wollte über Abtreibung informieren.

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Kristina HänelBild: iStockphoto/getty/watson montage
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Wessen Leben? Kristina Hänel löste den Kampf um das "Werbeverbot" für Abtreibung aus

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Das Grundgesetz wird 70 und seine Inhalte sind so umkämpft wie selten zuvor. In dieser Reihe zeigen wir euch Fälle, Personen und Streits, dank derer die ersten 19 Artikel "GG" besonders nah an unseren Alltag herangerückt sind.
03.05.2019, 10:1304.05.2019, 12:54

6000 Euro Strafe – so viel musste Kristina Hänel bezahlen, weil sie auf ihrer Webseite über die Möglichkeiten für Frauen in ihrer Praxis informierte: Dazu gehörten auch Schwangerschaftsabbrüche.

Die Strafe wird eine Erschütterung der politischen Debatte in Deutschland verursachen. Denn im Urteil heißt es: "Die Angeklagte hat sich (...) des Vergehens der Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft gemäß Paragraf 219a StGB strafbar gemacht".

Es ist eine Debatte, in der es um die Abtreibung selbst geht. Darum, ob ein überkommenes Gesetz die Unterdrückung von Frauen zementiert, oder Leben schützt. Liberales Gedankengut prallt dabei auf wertkonservative Weltsicht. Und Hänel ist mittendrin.

Am Ende steht ein neues Gesetz, das vielen nicht weit genug geht:

Bei der Frage nach dem Paragraf 219a trafen wie selten zuvor grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten aufeinander, wie unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen sollen.

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
im GG

Der Artikel 2 GG befasst sich mit vielen zentralen Punkten unserer Demokratie. Und im Streit um das "Werbeverbot" für Abtreibungen sind sie kollidiert.

Da ist zum einen das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 (1) GG: Es garantiert uns allen Handlungsfreiheit und das Recht, über unser eigenes Leben zu bestimmen.

Auch geht es im Artikel 2 um das "Recht auf Leben" und das "Recht auf körperliche Unversehrtheit". Dieses Recht verbietet dem Staat nicht nur einen Eingriff, sondern gibt ihm auch die Aufgabe mit, genau diese Eingriffe zu unterlassen.

Auslegungssache

Im Streit um den Paragraf 291 drückt sich ein Dilemma aus, das noch immer nicht wirklich gelöst ist: Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland sind rechtswidrig, weil sie gegen das "Recht auf Leben" verstoßen. Genauer: Die Pflicht des Staats, ungeborenes Leben zu schützen.

Auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen aber eine Formel angewandt, die das Abtreiben bis zur zwölften Woche "straffrei" macht. Damit trägt es dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen Rechnung, auch deren eigenes Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Im Streit um die Werbung picken sich die verschiedenen Seiten nun jeweils ihre Seite aus dieser Doppelhaltung heraus, um sich damit ihr Recht zu verteidigen.

Konservative betonen den Schutz des ungeborenen Lebens für dessen Abbruch keine "Werbung" gemacht werden dürfe. Frauenrechtler*innen auf der anderen Seite betonen ihr eigenes Recht auf körperliche Unversehrtheit und ihr Recht auf Information von Frauen als Patientinnen.

Auch ein neuer Kompromiss der Großen Koalition, der Informationen bis zu einem gewissen Grad zulässt, konnte den Streit, der aus dem Grundrechts-Dilemma entsteht, nicht beilegen.

Das Recht auf Leben für Kristina Hänel

Kristina Hänel hat nach allem Streit noch immer eine klare Antwort auf die Frage nach dem Wert des Grundgesetzes:

Zu watson sagt Hänel:

"Durch die derzeitige Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch wird der Artikel 2 gegenüber Frauen gravierend verletzt. Ihr Recht auf Unversehrtheit wird gegenüber dem Lebensrecht ihrer Schwangerschaft negiert."

Frauen, die sich für einen Abbruch entscheiden, solle dieser Gang möglichst schwer gemacht werden, was ihre Gesundheit gefährdet. "Das Recht der Frau wird hier dem Recht des Embryos untergeordnet", sagt Hänel. Dabei werde ein Embryo ansonsten juristisch nie als Person betrachtet, beispielsweise gebe es kein Kindergeld für Embyronen.

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