Bus und Bahn nur noch für Geimpfte – das Vorhaben der Ampelkoalition.Bild: dpa / Jörg Carstensen
watson antwortet
15.11.2021, 08:4615.11.2021, 08:51
Die Corona-Zahlen steigen dramatisch – und je mehr sie
zunahmen, desto lauter wurde die Kritik an den Gesetzesvorhaben von
SPD, Grünen und FDP für den künftigen Kampf gegen die Pandemie. Doch
jetzt haben die möglichen Koalitionspartner ihre Pläne nachgeschärft.
So soll die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen doch nicht
abgeschafft werden. Dies geht aus einer Vereinbarung von Vertretern
der drei Fraktionen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur
vorliegt. Zudem sollen Ungeimpfte ohne negativen Test keine Busse und
Bahnen mehr benutzen dürfen – unabhängig von der weiter geltenden
Maskenpflicht.
Ohne diese Verschärfungen der bisherigen Pläne wären bestimmte
Maßnahmen nach dem Auslaufen des Rechtsstatus der Epidemischen Lage
nationaler Tragweite zum 25. November nicht mehr möglich. Am
Vorhaben, den Epidemie-Sonderstatus zu beenden, halten die drei
koalitionsbildenden Parteien aber fest.
Welche Beschränkungen sollen doch möglich bleiben?
- Kontaktbeschränkungen: "Die Möglichkeit, Kontaktbeschränkungen im privaten und im öffentlichen Raum anordnen zu können, soll in den Maßnahmenkatalog ergänzend aufgenommen werden", vereinbarten die möglichen Partner einer sogenannten Ampel-Koalition, mit deren Bildung fest gerechnet wird. Grünen-Chef Robert Habeck erläuterte in der ARD: "Kontaktuntersagung oder 2G-Regelung heißt in weiten Teilen: Lockdown für Ungeimpfte. Das ist die Vulgärübersetzung."
- Andere Beschränkungen: Die Bundesländer sollen eine Öffnungsklausel bekommen. Das heißt, auf Beschluss ihres jeweiligen Landtags sollen sie bestimmte Maßnahmen beibehalten können. So sollen sie etwa Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Versammlungen untersagen oder beschränken können, das Betreten von Gesundheitseinrichtungen verbieten können, Verkauf und öffentlichen Konsum von Alkohol verbieten und Hochschulen schließen können.
Welche Beschränkungen sollen nicht mehr möglich sein?
- Ausgangs- oder Reisebeschränkungen
- Untersagung oder Beschränkung von Gastronomie und Hotellerie sowie von Handel und Gewerbe
- Untersagung oder Beschränkung von Sport
Was soll die Länder-Klausel bringen?
"So lässt sich einerseits regional unterschiedliches
Infektionsgeschehen sehr gezielt bekämpfen, andererseits verlagern
wir die Verantwortung auch dort von der Exekutive zurück in die
Parlamente", hieß es zur Begründung.
Was ist noch geplant?
Im öffentlichen Nah- und Fernverkehr soll künftig zusätzlich zur
Maskenpflicht eine 3G-Regel gelten: "Wer ein öffentliches
Verkehrsmittel nutzt, muss dann entweder geimpft, genesen oder
getestet sein", wurde erläutert.
Wie lange sollen die Maßnahmen befristet sein?
Bisher hatten SPD, Grüne und FDP als Enddatum den 19. März 2022
vorgesehen. Nun gibt es eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit: "Der
Bundestag wird ermächtigt, bis zum 19.3.2022 durch einen Beschluss
die Geltungsdauer der Vorschriften um maximal drei Monate zu
verlängern."
Welche anderen Maßnahmen sind noch bekannt?
Wieder eingeführt werden soll die ausgelaufene Homeoffice-Pflicht für
Arbeitnehmer, wie aus einem der dpa vorliegenden Entwurfstext aus dem
SPD-geführten Arbeitsministerium hervorgeht. Dies ist aber Teil des
Gesetzentwurfs für die 3G-Regeln am Arbeitsplatz.
Wie ist bisher der Stand?
Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist in den Bundestag
bereits eingebracht. Die vereinbarten Verschärfungen müssen also
nachträglich eingefügt werden. An diesem Montag steht die zum
Gesetzgebungsverfahren gehörende Anhörung von Experten an. Am
Donnerstag soll der Bundestag dann abstimmen.
"Das Gesetz kriegt jetzt eine neue Rechtsgrundlage, eine sicherere
Rechtsgrundlage", sagte Habeck. "Wir nehmen nur die Möglichkeit weg:
flächendeckenden Lockdown ohne Unterscheidung für Geimpfte und
Ungeimpfte."
Zahlreiche Kritiker, besonders aus der Wissenschaft, aber auch
Ländergesundheitsminister der Grünen hatten in den letzten Tagen das
Vorhaben gerügt, auf Instrumente wie Kontaktbeschränkungen gänzlich
zu verzichten. Die Unionsfraktion hatte angekündigt, im Bundestag
eine Verlängerung des Epidemie-Status zu beantragen, um ein Ende der
Kontaktbeschränkungen zu verhindern.
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck sagte der dpa: "Wir werden nicht
darum herumkommen, dass wir in gewisser Weise wieder
Kontaktbeschränkungen haben werden und dass man Großveranstaltungen
in dieser Form vielleicht nicht mehr durchführen kann - oder wenn,
dann nur unter strengen Auflagen." Eine Möglichkeit seien
Veranstaltungen mit einem PCR-Test für Ungeimpfte und einem
Antigen-Schnelltest für Geimpfte und Genesene, erläuterte der
Direktor des Virologie-Instituts der Universität Bonn.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist persönlich aber der
Überzeugung, dass "eine sehr strenge 2G-plus-Regelung bei
Veranstaltungen und 2G überall" wirkungsvoller sei als
Kontaktbeschränkungen, wie er in der "Bild"-Sendung "Die richtigen
Fragen" sagte. 2G meint: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene - 2G
plus: nur für diese Gruppe, wenn sie zusätzlich getestet ist. "Das
entspricht für die Ungeimpften einer Art Lockdown", erklärte
Lauterbach.
Der geschäftsführende Kanzleramtschef Helge Braun zeigte sich in der
"Bild"-Sendung einverstanden mit einem Verzicht auf Ausgangssperren,
da man sie mit Sicherheit nicht mehr brauchen werde.
Vor allem die FDP hat sich bisher gegen ihrer Ansicht nach zu
weitgehende Beschränkungen gestemmt. Parteichef Christian Lindner
sagte den Sendern RTL und ntv: "Für Geimpfte muss es weiterhin die
Möglichkeit für das gesellschaftliche Leben geben - alles andere wäre
unverhältnismäßig."
Wie ist die Corona-Lage?
Die Pandemie ist in den vergangenen Wochen außer Kontrolle geraten.
Nach RKI-Angaben hat die Zahl der Infektionen inzwischen die Marke
von fünf Millionen überschritten. Die Sieben-Tages-Inzidenz je 100.000 Einwohner stieg am Montag auf den Rekordwert von 303.0. An der
Spitze stand Sachsen mit 754.3. "Bei den Fallzahlen, die wir jetzt
haben, werden die Kliniken in den ersten beiden Dezemberwochen
bundesweit die Kapazitätsgrenze überschreiten", sagte Lauterbach den
Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
(lfr/dpa)
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