Für so manchen Konservativen ist es nicht weniger als ein Tabubruch.
Thüringens CDU-Chef Mike Mohring hatte einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung unter Führung der Linkspartei bei bestimmten, für Thüringen wichtigen Projekten Unterstützung im Landtag in Aussicht gestellt.
Dabei hatte die CDU das eigentlich ausgeschlossen. Im Dezember 2018 fasste die Partei den Beschluss, weder mit der Linkspartei noch mit der AfD zusammenzuarbeiten.
Auf diesen Beschluss beruft sich auch die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Wir haben einen ganz klaren Parteitagsbeschluss, der gilt. Den kennen auch die Thüringer."
Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erinnerte noch einmal an die rote Linie der Partei. Man wisse zwar um die schwierige Situation in Thüringen, sagte er am Freitag in Berlin. Dennoch: "Dieser Beschluss wurde einstimmig gefasst, auch mit Unterstützung der CDU Thüringen. An diesen Beschluss sind alle Mitglieder der CDU gebunden."
Natürlich kennen auch Mike Mohring und die thüringische CDU den Unvereinbarkeitsbeschluss. Der sei allerdings vor der Landtagswahl gefasst worden – und damals richtig gewesen, sagte er der "Rheinischen Post". Und: "Im Grunde" sei er es auch heute. Aber: "Die Lage hat sich verändert. Wir haben in Thüringen eine zeitlich begrenzte Sondersituation."
watson hat bei Mike Mohring nachgefragt, ob eine Unterstützung einer Minderheitsregierung unter Führung der Linkspartei nicht unter "ähnliche Formen der Zusammenarbeit" fiele, wie es in der Unvereinbarkeitsklausel heißt – und damit gegen den Parteitagsbeschluss verstoße.
Mohring teilt gegenüber watson mit, dass die CDU Rot-Rot-Grün für seine ideologischen Projekte nicht den Weg ebnen werde. Auch habe man einstimmig entschieden, Bodo Ramelow nicht zum Ministerpräsidenten zu wählen.
"Die CDU-Landtagsfraktion sieht aber aus ihrer Sicht Themen, die für das Land wichtig und allgemein mehrheitsfähig sind, ohne dass damit eine politische Richtungsentscheidung verbunden ist", erklärt Mohring gegenüber watson. Dies sei aber nicht gleichzusetzen mit einer Unterstützung für Rot-Rot-Grün.
Gegenüber der "Rheinischen Post" hatte Mohring zuvor eine mögliche Unterstützung der von der Linkspartei angeführten Regierung damit verteidigt, dass die Bürger von der CDU Handlungsfähigkeit und keine Fundamentalopposition erwarten würden.
Mohring setzt also auf Handlungsfähigkeit statt auf strikte Unvereinbarkeit. Was mit Blick auf die Besonderheiten des thüringischen Wahlergebnisses Sinn hat, um Mehrheiten jenseits der AfD überhaupt möglich zu machen, führt allerdings zu einer anderen Frage: Gilt die Fokussierung der CDU auf Handlungsfähigkeit und die projekt- und themenbezogene Zusammenarbeit künftig auch mit Blick auf die AfD? watson hat auch hier bei Mike Mohring nachgefragt.
Gegenüber watson teilt der thüringische CDU-Chef mit, dass es zunächst ein Gewinn für die Demokratie sei, dass sich im thüringischen Parlament von Fall zu Fall thematische Mehrheiten im Parlament finden würden. Und stellt heraus:
Und weiter: "Welche anderen Fraktionen unsere Initiativen im Zuge des parlamentarischen Aushandlungsprozesses letztlich für zustimmungsfähig erachten, liegt nicht in unserer Hand."
Heißt, die thüringische CDU setzt vor allem auf inhaltliche Schnittmengen, will auf Themen schauen und weniger auf Parteien – und schließt damit offenbar auch nicht aus, die von ihr eingebrachten Gesetzesvorhaben mit Stimmen der AfD durchzubringen.
Sicher ist nur eines: Die Interpretation des Unvereinbarkeitsbeschluss der thüringischen CDU wird auch weiterhin die CDU-Spitze beschäftigen. Die kommt auf einer zweitägigen Klausur in Hamburg zusammen. An jenem Ort also, an dem die Unvereinbarkeit im Dezember 2018 ihren Anfang nahm.
(ts mit Material der dpa)