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Eklat nach Selenskyj-Rede im Bundestag: Wie die Ampel Deutschland blamiert hat

Der ukrainische Praesident Wolodymyr Selenskyj Bildschirm hat Deutschland mit eindringlichen Worten zu mehr Unterstuetzung im Krieg gegen Russland aufgefordert. Tausende Ukrainer seien in den vergange ...
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner Rede per Videoschalte. Bild: www.imago-images.de / imago images
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Peinliche Besserwisserei: Die Ampel hat Deutschland blamiert

Nach der bewegenden Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor dem Bundestag hätte die Regierungsmehrheit über ihren Schatten springen und über Deutschlands Reaktion auf den Krieg sprechen können. Stattdessen hat sie Kleingeist und Arroganz gezeigt.
17.03.2022, 13:3308.06.2022, 17:33
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Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat am Donnerstag das Land blamiert.

Die Regierungsmehrheit hat sich an diesem Tag ein Spektakel aus Piefigkeit, Kleingeist und Besserwisserei geleistet.

Zunächst spricht vor dem Parlament der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er ist per Video aus der Hauptstadt Kyjiw zugeschaltet, auf die die russische Armee auf Befehl ihres Oberbefehlshabers und Kriegsverbrechers Wladimir Putin gerade Bomben regnen lässt. Kurz, bevor die Verbindung steht, heißt es im TV-Sender "Phoenix", in der Nähe des Präsidentenpalasts sei wohl eine Bombe eingeschlagen, weswegen es technische Probleme gibt.

Selenskyj packt die Deutschen dort, wo es ihnen am meisten wehtut: an den Wunden der eigenen Geschichte.

Wenig später ist Selenskyj auf der Leinwand zu sehen. Er spricht über den Beschuss russischer Städte, er sagt: "Die russischen Truppen unterscheiden nicht zwischen zivilen und militärischen Objekten". Für Russland sei "alles eine Zielscheibe".

17.03.2022, Berlin: Der ukrainische Pr�sident Wolodymyr Selenskyj spricht auf einer Videoleinwand im Bundestag. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Selenskyj während seiner Rede.Bild: dpa / Michael Kappeler

Selenskyj zeigt wieder einmal, was für ein geschickter Redner er ist. Er packt die Deutschen dort, wo es ihnen am meisten wehtut: an den Wunden der eigenen Geschichte.

Er spricht, an die in Berlin sitzenden Abgeordneten gerichtet, von der Luftbrücke, mit der USA, Großbritannien und andere westliche Staaten 1948 die sowjetische Blockade der Stadt umgingen, Lebensmittel und Kohlen einflogen – und so hunderttausende Berlinerinnen und Berliner vor dem Hungertod und dem Erfrieren retteten. Und er sagt: "Wir können keine Luftbrücke bauen, denn von unserem Himmel fallen nur russische Bomben."

Selenskyj erinnert an die Gräueltaten Deutschlands unter der Nazi-Herrschaft: an das Massaker an Jüdinnen und Juden in Babyn Jar – und an die russischen Bomben, die die Gedenkstätte dort getroffen haben.

Die Leinwand mit Selenskyj steht im Reichstagsgebäude – und somit nur ein paar Meter von dort entfernt, wo bis 1989 die Berliner Mauer verlief. Und der ukrainische Präsident spricht an mehreren Stellen seiner Rede von einer "Art neuer Mauer" in Europa, die die russische Invasion in seinem Land habe entstehen lassen. Selenskyj zitiert sogar die Rede, die 1987 US-Präsident Ronald Reagan an die Adresse des damaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow hielt. Er fordert den Bundeskanzler auf: "Herr Scholz, reißen Sie diese Mauer nieder."

Selenskyjs Rede vor dem Bundestag in voller Länge.Video: YouTube/tagesschau

Es ist eine große, berührende Rede. Schon während Selenskyj spricht, kann man davon ausgehen, dass deutsche Schülerinnen und Schüler in ein paar Jahren in Geschichtsbüchern davon lesen werden. Nach der Rede stehen die Abgeordneten aller Fraktionen auf und klatschen, selbst die der rechtsradikalen AfD, diesem inoffiziellen Putin-Fanclub im Deutschen Bundestag.

Und danach?

Gleich danach soll der Bundestag über eine mögliche Impfpflicht diskutieren. Das sieht die Tagesordnung vor. Spätestens seit Mittwoch hatte es darüber Streit gegeben, ob das wirklich angemessen sei: Selenskyj vom Krieg gegen sein Land sprechen lassen und gleich danach über die Pandemiebekämpfung zu debattieren.

Auf der Tagesordnung, die der Ältestenrat am Dienstag vereinbart hatte, steht: "Zwischen den Fraktionen besteht kein Einvernehmen über die Tagesordnung."

Auftritt Friedrich Merz, CDU-Chef und Vorsitzender der Unionsfraktion. Er fordert die Regierungsmehrheit auf, doch bitte einer neuen Tagesordnung zuzustimmen, mit einem neuen Tagesordnungspunkt zur deutschen Reaktion auf den Ukraine-Krieg.

Nach Merz geht Jan Korte ans Pult, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion und von Merz politisch ähnlich weit entfernt wie Drittligist 1860 München vom Gewinn der Fußball-Champions-League. Trotzdem: Korte stimmt Merz zu, fordert nach Selenskyjs Worten eine Ukraine-Debatte. Und er sagt der Ampel-Mehrheit im Parlament: "Sie müssen mal aufpassen, dass Sie nicht nach hundert Tagen so arrogant sind wie andere nach 16 Jahren!"

Es folgen Vertreter der Regierungsfraktionen: Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD Katja Mast (SPD), die Fraktionschefs Britta Haßelmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP). Sie könnten Kortes Arroganz-Vorwurf einfach kontern und einer neuen Tagesordnung zustimmen. Sie könnten auch das politische Manöver gegen die Ampel, das Merz sicher nicht nur aus edlen Motiven gestartet hat, ganz einfach abwehren.

Sie könnten der Opposition zugestehen, dass eine Debatte über die Ukraine jetzt angebracht wäre. Damit der im Parlament anwesende Bundeskanzler sich Fragen und Kritik zu seiner Politik gegenüber der Ukraine stellen kann. Damit das vom deutschen Volk direkt gewählte Parlament am zweiten Tag in Folge über den größten Angriffskrieg in Europa seit 1945 spricht. Die Tragödie, die seit drei Wochen alle anderen Themen überschattet. Über die Millionen Deutsche im Büro, in der Kneipe, beim Abendessen sprechen.

SPD, Grüne und FDP im Bundestag könnten jetzt Größe zeigen.

Stattdessen beweisen sie piefige Rechthaberei.

Mast und Haßelmann argumentieren ein bisschen so, als wären Selenskyjs Worte ein Impulsvortrag zum Anfang eines Yoga-Retreats gewesen und nicht die Rede eines Präsidenten, in dessen Nachbarschaft Bomben und Artilleriegeschosse einschlagen.

Die Sozialdemokratin Mast beharrt darauf, dass Selenskyjs Worte es doch verdient hätten, "für sich wahrgenommen zu werden". Die Grüne Haßelmann meint, man solle die Rede "einfach auf sich wirken" lassen. Ein bisschen so, als wären Selenskyjs Worte ein Impulsvortrag zum Anfang eines Yoga-Retreats gewesen und nicht die Rede eines Präsidenten, in dessen Nachbargebäuden Bomben und Artilleriegeschosse einschlagen.

Der Liberale Dürr spricht von "unwürdigem Manöver" der Opposition. Er merkt scheinbar nicht, was für ein unwürdiges, kleingeistiges Bild seine Regierungsmehrheit gerade abgibt, wenige Minuten, nach dem Selenskyj vom Horror des Kriegs gesprochen hat.

Bei der Abstimmung über die mögliche Ukraine-Debatte stimmen SPD, Grüne, FDP geschlossen mit Nein. Und es geht sofort mit der Impfpflicht los.

Was für eine Schande.

Hätte eine Ukraine-Debatte im Bundestag das Leid der Menschen in Kyjiw, Charkiw, Mariupol gelindert? Hätte es den Faschisten Wladimir Putin zum Einlenken gebracht? Natürlich nicht.

Aber erstens wäre es drei Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs mal wieder an der Zeit gewesen, den Menschen in Deutschland ein paar Entscheidungen dieser Regierung zu erklären: etwa, warum man sich nicht durchringen mag zu einem Importstopp für russisches Öl und Gas.

Die Bundesregierung hätte erklären können, was sie denn antwortet auf die (zutreffenden) Vorwürfe Selenskyjs, man habe in Deutschland aus wirtschaftlichem Egoismus die Bitten der Ukraine nach schärferen Sanktionen gegen Russland jahrelang abgelehnt. "Ihr wolltet lieber weiter dem Motto Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft folgen", so sagt es Selenskyj am Donnerstag.

Was die Folgen des Kriegs für den Alltag der Menschen in Deutschland wohl noch bedeuten werden, das hätten die Vertreter der Ampel auch erläutern können – und was die Regierung denn nun vorhat, um sich schnellstmöglich aus der Abhängigkeit Putins zu lösen.

All das hat sie nach Selenskyjs Rede vermieden, stattdessen auf der Tagesordnung beharrt und darauf verwiesen, man habe ja schon am Mittwoch gesprochen über die Ukraine. Nach dem Motto: Einmal Krieg in der Woche muss ja wohl reichen im Plenum.

Zweitens sind in der Politik Symbole wichtig, das gilt gerade in Kriegszeiten und besonders für die Opfer eines Angriffskriegs. Die Bilder von Solidaritätsdemonstrationen in Berlin und München, von Gebäuden im Blau-Gelb der ukrainischen Flagge, vom Besuch der Regierungschefs von Polen, Tschechien, Slowenien bei Selenskyj: diese Bilder sehen auch die Menschen in U-Bahn-Schächten in der Ukraine, ukrainische Soldaten, ukrainische Geflüchtete in ihren Unterkünften oder im Bus oder Zug auf dem Weg heraus aus dem Land.

Man mag sich nicht vorstellen, was manche dieser Menschen denken, wenn sie von diesen schändlichen Minuten im Bundestag erfahren.

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