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Weiße und Dreads: Wieso die Konzert-Absage für Ronja Maltzahn falsch ist

Ronja Maltzahn und The Bluebird Ochestra
Ronja Maltzahn und The Bluebird Orchestra in Bielefeld.Bild: Screenshot Instagram/RonjaMaltzahn
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Weiße und Dreadlocks: Warum die Konzert-Absage durch Fridays For Future falsch ist

25.03.2022, 17:23
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Fridays For Future Hannover hat die Sängerin Ronja Maltzahn von ihrer Kundgebung am Freitag ausgeladen – weil sie als weiße Person Dreadlocks trägt.

Damit haben die Aktivistinnen eine falsche Entscheidung getroffen, die nicht nur der Künstlerin und ihrer Band schadet, sondern auch an ihrer eigenen Glaubwürdigkeit kratzt.

Vorwurf Kulturelle Aneignung

Die Münsteraner Künstlerin singt auf Englisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch und Französisch. Sie kann auf 250 Konzerte in 15 Ländern und auf zwei Studio-Alben zurückblicken. Für eine junge, internationale Klima-Bewegung wäre dies eigentlich ein perfektes Match.

Umso überraschender wirkt die Absage ihres geplanten Konzertes am Freitag auf dem Opernplatz in Hannover. Mit ihren Dreadlocks eigne sich Ronja Maltzahn die Identität schwarzer Menschen, die durch Kolonialismus ausgebeutet wurden, kulturell an.

Falls sie sich die Haare abschneide, könne sie aber doch noch spielen, lautet das Angebot der Klima-Aktivistinnen.

Es geht um ein Thema, das in seiner Komplexität weder auf Demo-Flyer, noch in Instagram-Messages passt. Mit "Kultureller Aneignung" ist die Übernahme kultureller Codes, Gebräuche, Modestile und anderer Dinge durch Außenstehende gemeint.

Das kann traditionelle Kleidung, Slang oder eben die durch die Rastafari-Kultur populär gewordenen Dreadlocks sein.

Viele dieser Dinge sind Ausdruck von Befreiungskämpfen unterdrückter Gruppen oder ethnischer Identität. Dreadlocks krönten die Häupter von Native Americans, asiatischen Mönchen und antiken Griechen. Für viele Schwarze sind sie ein Symbol afrikanischer Identität.

Andere, wie der Bürgerrechtler Malcom X, sahen darin eine Verleugnung derselben, da sie das urwüchsige Afrohaar verbargen und das glatte Haar der "Weißen" imitierten.

Wie FFF Hannover nun zu der Ansicht gelangt, Dreadlocks würden "von Weißen als ein Zeichen der Unterdrückung genutzt", müssen die Aktivisten ebenfalls noch erklären.

Viele Kritikerinnen kultureller Aneignung argumentieren, wer dem jeweiligen Hintergrund biografisch nicht verbunden sei, schmücke sich mit Errungenschaften teils blutiger Befreiungskämpfe und schmerzhafter Identitätsgeschichte.

Deshalb ist es erst einmal löblich für junge weiße Kontinentaleuropäer, sich mit diesen Themen auch im Kontext von Klima-Protesten auseinanderzusetzen. Mit der Absage des Konzertes von Ronja Maltzahn und ihrer Band sind die Klima-Aktivisten aber deutlich über das Ziel hinausgeschossen.

Denn weder wird diese Kritik von sämtlichen Betroffenen und Gemeinten geteilt: Viele sehen kulturelle Aneignungen in bestimmten Fällen als Wertschätzung anderer Kulturen an.

Und zweitens darf man auch bei Ronja Maltzahn zunächst davon ausgehen, dass ihre Frisur ein bewusstes Zeichen der Sympathie ist.

Dazu kommt der dezent übergriffige Zusatz, die Sängerin könne sich ja die Haare abschneiden, dann dürfe sie spielen. Haare sind Körperteile, und über den eigenen Körper sollte selbst bestimmt werden.

Auch FFF wirbt mit weißen Dreadlocks

Bei aller Sympathie für Gesellschaftsanalysen und Rassismus-Diskurse: Im Vordergrund humanistischer Bewegungen sollte stets der Mensch und seine oder ihre Intention stehen. Das fehlt in der kurz angebundenen Nachricht von Fridays For Future Hannover an Ronja Maltzahn völlig.

Links unten im Bild: Eine weiße Person mit Dreadlocks.
Links unten im Bild: Eine weiße Person mit Dreadlocks.bild: Screenshot fff Hannover

Und dann sollte Fridays For Future Hannover zunächst einmal die Widersprüche in den eigenen Reihen auflösen: Auf der eigenen Website wird mit einem großformatigen Foto geworben, auf dem eine weiße Person mit Dreadlocks zu sehen ist.

Nimmt man die Absage des Konzertes von Ronja Maltzahn zum Maßstab, müsste dieser Person und anderen für den kommenden Freitag im Grunde ein Demo-Verbot erteilt werden.

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Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und selbstbewusster Verfechter von konservativen Werten, lässt kaum eine öffentliche Rede verstreichen ohne zumindest am Rande gegen die "woke" Bubble zu schießen. Seine CSU-Partei wirbt mittlerweile auf der eigenen Website schon mit dem Slogan "Weiß-blau statt Woke".

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