Nach dem Attentat von Würzburg legten Menschen Blumen und Trauerkerzen am Ort des Geschehens nieder.Bild: dpa / Nicolas Armer
Deutschland
Die mutigen Helfer von Würzburg werden gelobt, geben unzählige Interviews und sollen nun auch ganz
offiziell ausgezeichnet werden: Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) will den couragierten Menschen, die sich dem Messerstecher
am Freitag entgegenstellten, die Bayerische Rettungsmedaille
verleihen. Auch die Mainstadt überlegt nach Angaben eines Sprechers,
wie sie die Helfe würdigen kann. Zugleich arbeiten die Ermittler
des Landeskriminalamtes mit Hochdruck daran, das Verbrechen
aufzuklären. Indizien deuten auf islamistische Hintergründe hin. Der
Täter könnte aber auch psychisch krank sein und möglicherweise
schuldunfähig.
"Sie haben ein Höchstmaß an Zivilcourage gezeigt", sagte Söder am
Montag der "Main-Post" mit Blick auf die Helfer. Die Bayerische
Rettungsmedaille ist eine staatliche Auszeichnung für Menschen, die
unter Einsatz des eigenen Lebens andere aus Lebensgefahr gerettet
haben – eine Sprecherin der Staatskanzlei in München sagte, es sei
noch nicht bekannt, wie viele Menschen die Rettungsmedaille erhalten
sollen.
Mehrere Personen versuchte,n den Angreifer aufzuhalten
Ein Somalier hatte am Freitagnachmittag in der Würzburger Innenstadt
offensichtlich ohne Vorwarnung auf Menschen eingestochen, die er wohl nicht kannte. Drei Frauen starben, sieben Menschen wurde
verletzt. Der 24-Jährige sitzt in Würzburg in Untersuchungshaft – wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher
Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung.
Passanten hatten den Mann noch vor seiner Festnahme gefilmt, wie er
mit einem Messer in der Hand und barfuß durch die Stadt lief. In den
im Netz verbreiteten Clips war zu sehen, wie andere Menschen versuchen, den
Angreifer zu überwältigen. Ein Mann ging mit einem Besen auf den
24-Jährigen los, andere waren mit Stühlen in der Hand unterwegs.
Einer dieser mutigen Männer ist Chia Rabiei. Der Kurde mit iranischer
Staatsbürgerschaft lebt nach eigenen Worten seit 18 Monaten in
Deutschland, derzeit in einer Asylbewerberunterkunft in Würzburg.
"Ich habe versucht, ihn beschäftigt zu halten, bis die Polizei
kommt", erzählte Rabiei der Deutschen Presse-Agentur. Videos dieser
Szenen zeigen, wie der Kurde sich dem Somalier immer wieder
entgegenstellt und mit einem Rucksack abwehrt.
Auch Dietrich Winter und zwei Freunde, die er nach eigener Aussage
seit Kindesbeinen kennt, haben eingegriffen: "Stühle, Flaschen - wir
haben alles versucht. Das hat ihn aber nicht abgelenkt", sagte der
21-Jährige der dpa. "Ich habe es als meine Aufgabe empfunden, alle
Leute zu warnen und möglichst schnell weg von hier zu bringen."
Was den Migranten antrieb, mit äußerster Brutalität auf seine Opfer
einzustechen – darüber wird weiter viel spekuliert. Die in der
Würzburger Obdachlosenunterkunft des Täters gefundenen Gegenstände
werden derzeit von Islamwissenschaftlern bewertet. "Aber wir sind bei
Weitem noch nicht so weit, dass wir sagen können, wir haben es
ausgewertet", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) in
München. Zu den Funden zählen auch zwei Handys. "Wir gehen davon aus,
dass sie ihm gehören." Welche weiteren Gegenstände nun untersucht und
bewertet werden, sagte er nicht.
Sowohl psychische Krankheit als auch islamistisches Motiv werden geprüft
Womöglich war der Täter geistig verwirrt oder ist psychisch krank,
wie Ermittler seit der Attacke immer wieder zu bedenken geben. Es
wird aber auch geprüft, ob islamistische Einstellungen zur Tat
beigetragen haben könnten. Landesinnenminister Joachim Herrmann
(CSU): "Es spricht sehr viel angesichts dessen, was wir aufgefunden
haben, dafür, dass es sich um eine islamistisch motivierte Tat
handeln könnte", sagte der CSU-Politiker am Sonntagabend im "Bild
live"-Talk "Die richtigen Fragen".
Amoklauf eines psychisch Kranken oder Terrorismus? Auch in anderen
Fällen ließ sich das kaum scharf trennen. Im August 2020 rammte ein
Iraker auf der Berliner Stadtautobahn gezielt Autos und Motorräder
und verletzte sechs Menschen. Seine Motive waren laut
Staatsanwaltschaft "wahnhaft religiös und islamistisch geprägt". Ihm
droht die Einweisung in eine psychiatrische Klinik.
Mehrere Attentäter in der Vergangenheit psychisch krank
Als
Als psychisch krank galt auch der Attentäter von Hanau, der im Februar
2020 neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschoss. Einem posthum
erstellten Gutachten zufolge waren nicht nur rechtsradikale
Ansichten, sondern auch Wahnvorstellungen Auslöser für den Anschlag.
Von seelischen Problemen war zunächst auch die Rede, nachdem ein
Palästinenser 2017 in einem Hamburger Supermarkt einen Kunden
erstochen und mehrere verletzt hatte. Der Gutachter erklärte den
damals 27-Jährigen, der islamistische Motive hatte, jedoch für voll
schuldfähig.
Was die Behörden 2016 in München zunächst als "akute Terrorlage"
einstuften, stellte sich als Gewalttat eines psychisch kranken
Einzeltäters heraus. Am Olympia-Einkaufszentrum hatte ein 18-jähriger
Deutsch-Iraner neun Menschen und sich selbst erschossen. Seine
Motive: Mobbing, psychische Probleme, aber auch eine rechtsradikale
Gesinnung.
Der Anwalt des Messerangreifers von Würzburg rechnet damit, dass die
psychische Verfassung seines Mandanten erneut von einem Experten
untersucht wird. "Natürlich muss eine neue psychiatrische
Untersuchung erfolgen", sagte Rechtsanwalt Hanjo Schrepfer. Der
Migrant war schon vor der Tat am Freitag wegen Bedrohung und
Beleidigung polizeibekannt, er kam deshalb zeitweise in eine
Psychiatrie. Das Verfahren läuft noch, das psychiatrische Gutachten
nach einem Vorfall im Januar in seiner Obdachlosenunterkunft steht
noch aus.
(nb/dpa)