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Schwache Wirtschaft: Wie Inflation und Gasengpass mit Rezession zusammenhängen

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Die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde.Bild: dpa / Daniel Roland
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Schwacher Euro, Inflation und Gasengpass: Wie das alles zusammenhängt und was passiert, wenn die Rezession kommt

19.07.2022, 19:15
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Mieten, Energiepreise, Lebensmittel: Alles wird gerade teurer. Grund dafür ist die Inflation. Das Problem könnte sogar noch anwachsen – denn was mittlerweile außerdem wächst, ist die Angst vor der Rezession. Allein die Befürchtung, dass es zu einer solchen Schrumpfung der Wirtschaft kommen könnte, sorgt gerade für Trubel.

Was genau Rezession ist, wo die Probleme liegen und was die Schwäche des Euro damit zu tun haben, diese und weitere Fragen klärt watson für euch.

Warum ist der Euro gerade so schwach?

Es ist das erste Mal seit 20 Jahren, dass der Euro weniger wert ist als der Dollar. Fachleute erklären die Euro-Schwäche vor allem mit zwei Entwicklungen. Zum einen geht derzeit die Furcht vor einem wirtschaftlichen Absturz um. "Die Rezessionsängste in Europa verschärfen sich", kommentieren Analysten der Commerzbank. Die Experten der Dekabank pflichten bei: "Konjunkturangst greift um sich."

Dafür gibt es einige Gründe. Vor allem der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine – und die krasse Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen. Russland hat seine Lieferungen bereits stark reduziert. Sollten sie ganz ausbleiben, könnte dies ein großes Problem für die europäische Wirtschaft darstellen.

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Der Hauptsitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main.Bild: dpa / Boris Roessler

Der zweite Grund für das Schwächeln des Euros: die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Viele andere Notenbanken, allen voran die mächtige US-Notenbank Federal Reserve, haben den Kampf gegen die hohe Inflation bereits aufgenommen und ihre Leitzinsen meist deutlich angehoben. Die EZB hat bislang nur die Erhöhung der Zinsen angekündigt.

Im Juli sollen die Leitzinsen im Euroraum erstmals seit elf Jahren steigen – allerdings nur um 0,25 Prozentpunkte. Das ist im Vergleich zu anderen Zentralbanken wenig.

Warum ist ein schwacher Euro problematisch?

Die zunehmende Schwäche des Euro kommt im aktuellen Umfeld mit sehr hohen Inflationsraten äußerst ungelegen.

Denn je niedriger der Wechselkurs der Gemeinschaftswährung ist, desto stärker werden im Verhältnis andere Währungen wie beispielsweise der US-Dollar. Das führt dazu, dass nach Deutschland eingeführte Waren teurer werden. Die bereits hohe Inflation wird dadurch zusätzlich angefacht.

Verbrauchende müssen bei sinkendem Eurokurs also noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen. Vor allem die bereits hohen Energie- und Rohstoffpreise drohen weiter zu steigen.

Was ist eigentlich Rezession?

Rezession bedeutet, dass die Wirtschaft nicht wächst. Stattdessen stagniert sie oder sie schrumpft sogar. Offiziell wird von Rezession gesprochen, wenn das Brutto-Inlands-Produkt in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen zurückgeht.

Es gibt viele Gründe für eine Rezession. Aktuell wirkt sich natürlich der russische Angriffskrieg in der Ukraine auf die Weltwirtschaft aus. Durch die Inflation, also die steigenden Preise, sind Menschen außerdem weniger kauffreudig. Das Leben ist teuer, Geld muss beisammen gehalten werden. Statt Waren zu kaufen, müssen die Menschen schauen, wie sie ihre Energiepreise, Mieten und Lebensmittel finanzieren können.

Á propos Energiepreise. Auch der mögliche Gasengpass kann eine Rezession bedingen.

Nord Stream 1
Die Ostseepipeline Nord Stream 1 wird aktuell gewartet.Bild: Picture Alliance dpa / Jens Büttner

Was hat das russische Gas damit zu tun?

Wenn der Gashahn abgedreht wird, kann es sein, dass einige Industriezweige weniger oder gar nicht mehr produzieren können. Die EU-Kommission plant, bis Ende Juli, einen Notfallplan vorzulegen. Der soll regeln, wie das wenige Gas zwischen Privatmenschen, kritischer Infrastruktur und Industrie gerecht aufgeteilt werden soll.

Die deutsche Industrie ist sehr abhängig von Erdgas: Gerade im Bereich der Grundstoffchemie. Und die wiederum ist Grundlage für viele weitere Industriezweige. Das heißt: Fällt das Gas weg, leidet die Wirtschaft. Leidet die Wirtschaft, sinkt das Bruttoinlandsprodukt. Sinkt das Bruttoinlandsprodukt längerfristig, kommt die Rezession.

Was bedeutet eine Rezession für Deutschland?

Während einer Rezession geben Menschen weniger gerne Geld aus – so nimmt die Kaufkraft immer weiter ab. Das ist schlecht für die Unternehmen, da diese dann auf ihren Produkten sitzenbleiben. Gleichzeitig kann es zu steigenden Arbeitslosenzahlen kommen – auch die Zahl der Menschen in Kurzarbeit könnte steigen.

Das würde auch bedeuten, dass mehr Menschen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Die Bundesregierung müsste also weitere Entlastungspakete und Kurzarbeiterpakete schnüren – wie in den vergangenen beiden Krisenjahren. Ob im Fall einer Rezession die Schuldenbremse ab 2023 tatsächlich wieder eingehalten werden könnte, wäre fraglich.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte bereits im März von einem Wohlstandsverlust gesprochen. Tatsächlich lassen sich Wirtschaftsveränderungen aber nur prognostizieren – ob die Rezession tatsächlich kommen wird, bleibt abzuwarten.

(Mit Material von dpa)

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