Die WHO hätte schneller reagieren müssen, sagen Experten, die von der Organisation selbst mit einer Studie beauftragt wurden.Bild: dpa / Peter Klaunzer
International
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im vergangenen
Jahr zu langsam auf erste Alarmzeichen einer möglichen
Gesundheitsbedrohung reagiert. Zu diesem Schluss kommt eine von der
WHO bestellte unabhängige Expertenkommission. Auch Regierungen kommen
in ihrem am Mittwoch in Genf veröffentlichten Bericht nicht gut weg:
Viele Länder hätten den Monat Februar 2020 vertrödelt, statt
Vorkehrungen gegen die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 zu treffen,
die global die Corona-Gesundheits- und Wirtschaftskatastrophe mit
weitreichenden sozialen Folgen ausgelöst hat.
"Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass das System, wie es zurzeit
besteht, nicht dazu geeignet ist zu verhindern, dass sich mit einem
neuen und hochansteckenden Erreger, der jeden Augenblick auftauchen
könnte, eine Pandemie entwickelt", heißt es in dem Bericht.
Erste Berichte aus China schon im Dezember
China hatte Ende Dezember 2019 über die Häufung einer unbekannten
Lungenkrankheit in Wuhan berichtet. Die WHO erklärte erst am 30.
Januar eine "Notlage von internationaler Tragweite", die
höchstmögliche Alarmstufe. Das verpflichtet Länder, Vorkehrungen zu
treffen. Die WHO sprach aber erst am 11. März von einer Pandemie. Das
hat nach den WHO-Gesundheitsvorschriften anders als die Erklärung der
"Notlage" zwar eigentlich keine Konsequenzen. Im Rückblick war das
aber erst der psychologisch notwendige Schub, um Regierungen richtig
in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Um die Corona-Pandemie sofort schärfer zu bekämpfen, stellen die
Expertinnen und Experten drei Forderungen auf: Erstens sollen reiche
Länder mit genügend Impfstoff bis September zusammen eine Milliarde
Impfdosen für 92 ärmere Länder zur Verfügung stellen. Zweitens sollen
Pharmafirmen freiwillig mehr Lizenzen zur Impfstoffherstellung
vergeben. Wenn die Produktion damit in den nächsten drei Monaten
nicht angekurbelt wird, soll unmittelbar eine Aufhebung der Patente
in Kraft treten. Drittens sollen die reichsten Länder (G7) sofort 60
Prozent der fehlenden 19 Milliarden Dollar für das Programm ACT
Accelerator bereitstellen, das die Erforschung und globale Verteilung
von Impfstoffen, Medikamenten und Tests organisieren soll.
Globales Überwachungssystem soll helfen
Die WHO-Mitgliedsländer hatte die Expertenkommission 2020 unter
Leitung der früheren Regierungschefinnen Helen Clark aus Neuseeland
und Ellen Johnson Sirleaf aus Liberia einberufen. Sie sollte
Erfahrungen aus dem Umgang mit der Pandemie zusammentragen und
Vorschläge für Verbesserungen machen.
Um auf neue Pandemien besser vorbereitet zu sein, schlägt die
Kommission unter anderem einen Rat für Globale Gesundheitsbedrohungen
vor. Mitglieder sollen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs
sein, die das Thema Pandemievorbereitung im weltweiten Fokus halten.
Ein neues globales Überwachungssystem von Krankheiten soll der WHO
die Möglichkeit geben, bei Bedarf sofort und ohne Rücksprache mit
betroffenen Ländern Alarm zu schlagen. Der WHO wird vorgeworfen, zu
Anfang der Pandemie zu sehr auf China gehört zu haben, das die
Schwere der Bedrohung heruntergespielt hatte.
Satt bei der Erforschung etwa von Impfstoffen und Medikamenten auf
Marktkräfte zu vertrauen sei ein Programm nötig, das globale
öffentliche Güter schafft, zu denen alle Länder Zugang haben.
Schließlich schlägt die Kommission einen Pandemie-Fonds vor, der pro
Jahr fünf bis zehn Milliarden Dollar (bis 8.2 Milliarden Euro)
einsammelt, um Vorkehrungen gegen eine neue Pandemie zu finanzieren.
(ogo/dpa)
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