Wenn entlang der Lieferkette Menschenrechtsverletzungen entstehen, können deutsche Unternehmen künftig dafür verantwortlich gemacht werden.Bild: www.imago-images.de / Joerg Boethling
Politik
12.02.2021, 13:5912.02.2021, 16:32
Bußgelder und ein Klageweg für Hilfsorganisationen:
Mit einem Gesetz will die Bundesregierung größere deutsche
Unternehmen von 2023 an weltweit zur Einhaltung von Menschenrechten und
Umweltvorgaben in ihren Lieferketten zwingen. Arbeitsminister
Hubertus Heil (SPD) sprach bei einer gemeinsamen
Pressekonferenz mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) von einem "historischen
Durchbruch". Ein Referentenentwurf der Ministerien soll Mitte März
vom Kabinett verabschiedet und noch in dieser Legislaturperiode
beschlossen werden.
Die Firmen sollen demnach ihre gesamte Lieferkette im Blick haben,
aber abgestuft verantwortlich sein. Wird einer Firma ein Missstand in
der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu
sorgen. Eine Behörde überwacht dies. Zudem sollen
Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften künftig die
Möglichkeit bekommen, Betroffene vor deutschen Gerichten zu vertreten,
wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt und der
Betroffene zustimmt. Das ist neu: Bisher konnten Geschädigte selbst
klagen, was aber in der Praxis an den Lebensumständen scheiterte.
Nichteinhaltung des Gesetzes kann für Firmen schwere Folgen haben
Heil sprach von harten Verhandlungen. "Es geht um die Einhaltung von
Menschenrechten in globalen Lieferketten und damit menschenwürdige
Arbeit." Das Gesetz sei ein Signal an jene Firmen, die bisher
Menschenrechte gegen ihre wirtschaftlichen Interessen abgewogen
haben.
"Es gibt kein Gesetz auf der Welt und in Europa, das so ambitioniert
ist wie das deutsche Lieferkettengesetz", sagte Heil. Die zuständigen
Behörden bekämen ein "robustes Mandat" und könnten vor Ort Kontrollen
vornehmen und mit Zwangs- und Bußgeldern Strafen verhängen. "Wir reden
hier nicht von Knöllchen, sondern von dem, was angemessen ist", sagte
er. Unternehmen, gegen die ein hohes Bußgeld verhängt wurde, könnten
bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen
werden. "Das Lieferkettengesetz ist ein Gesetz mit Zähnen."
Wirtschaftsverbände fürchteten internationalen Wettbewerbsnachteil
Entwicklungsminister Müller, der wie Heil zu den Antreibern des
Vorhabens zählt, erwartet Wirkung über Deutschland hinaus. Dabei
könne in der Folge auch um Hungerlöhne gehen, die in einigen Staaten
gezahlt werden. "Also ein Euro oder ein Dollar am Tag für zwölf
Stunden ist sicher zu wenig. Das ist die Fortschreibung der
Kolonialzeit in anderen Umständen. Ich hab mir das angeschaut", sagte
Entwicklungsminister Müller. Es erwarte Diskussionen über
den Zusammenhang zwischen Produktionsverhältnissen und dem
Preisniveau in Deutschland. "Was ist menschenwürdig? Und deshalb sage
ich, es wird eine große Debatte geben: Über die Umsetzung des
Rechtstextes hinaus das Thema Globalisierung gerecht zu gestalten."
Altmaier hatte vor zusätzlichen Belastungen für die deutsche
Wirtschaft gewarnt. Er sprach nun von einem vernünftigen Kompromiss.
Eine zivile Haftung für Firmen gebe es nicht. Dies hatten
Wirtschaftsverbände befürchtet und vor Wettbewerbsnachteilen auf
internationalen Märkten gewarnt. "Natürlich ist es mir als
Wirtschaftsminister auch wichtig, dass die deutsche Wirtschaft am
Ende stärker und nicht schwächer dasteht", sagte Altmaier. Auch müsse
verhindert werden, dass sich deutsche Unternehmen aus der Produktion
in einigen Staaten zurückziehen, weil sie Sanktionen fürchten.
Konkretes Beispiel der Minister war Kinderarbeit in indischen
Steinbrüchen, in denen Grabsteine hergestellt werden.
Umweltverbände kritisierten das Gesetz als zu lasch
Damit sich deutsche Firmen auf die neuen Vorgaben einstellen können,
soll das Gesetz vom 1. Januar 2023 an gelten, und zwar für Firmen mit
mehr als 3000 Mitarbeitern – von Anfang 2024 an dann auch für
Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern. Altmaier betonte, damit
fielen mittelständische Unternehmen nicht unter den Anwendungsbereich
des Gesetzes.
Auf den ersten Blick sei die regierungsinterne Einigung zum
Lieferkettengesetz ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu den
bisherigen, weltfremden Vorstellungen aus dem Arbeits- und
Entwicklungsministerium, erklärte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer
Oliver Zander. "Damit ist die Grenze des Machbaren für die
Unternehmen aber absolut erreicht, vielleicht auch teilweise
überschritten." Altmaier habe "sich erfolgreich gegen die schlimmsten
und sinnlosesten Vorstellungen gewehrt und Durchsetzungskraft
bewiesen". Wichtig sei, dass Haftungsregeln verhindert wurden und
dass Unternehmen nur für das erste Glied ihrer Lieferkette direkt
verantwortlich sind.
Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil-
und Modeindustrie, Uwe Mazura, kündigte an, die Beratungen im
Bundestag würden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und kritisch
begleitet. "Bemerkenswert ist, wie viele Kapazitäten die
Bundesregierung für ein neues Gesetz hat, während unsere Unternehmen
seit Monaten auf Corona-Hilfen warten und ihre werthaltige Mode in
den geschlossenen Geschäften nicht verkauft werden kann", teilte er
mit. Dagegen sprachen Umweltverbände in einer gemeinsamen Erklärung
von einem "Minimalkonsens", der für deutsche Firmen nur wenig ändere.
(lfr/dpa)
Hohe Temperaturen, weltberühmte Gebäude und Luxus, wohin man schaut – Dubai löst bei vielen Menschen eine große Faszination aus. Trotz der Kritik an den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgrund eingeschränkter Menschenrechte und geringer Pressefreiheit reisen jedes Jahr Millionen Urlauber:innen in die Großstadt am Persischen Golf.