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Berliner Stadtautobahn A100: Worum es im Streit um den Ausbau tatsächlich geht

Autos fahren auf der Stadtautobahn A100. Am Ostermontag kehren viele Menschen aus dem Osterurlaub zurück.
Bei der Entscheidung über einen Weiterbau der A100 in Berlin ist nun wieder die Diskussion zur Umsetzung der eigentlichen Verkehrswende weg vom klassischen Autoverkehr entfacht worden.Bild: dpa / Carsten Koall
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Streit um Berliner Stadtautobahn A100: Warum der Ausbau polarisiert und welche Umweltfolgen er hätte

21.04.2022, 13:15
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Der Streit um den Autobahnausbau der A100 in Berlin geht in eine neue Diskussionsrunde: Am Donnerstag hat die Bürgerbewegung Campact ihren durch 19.331 Unterschriften gestützten Appell "A100 stoppen" an die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang im Bundestag übergeben.

Der Appell fordert, den Ausbau der innerstädtischen Straße abzubrechen, die die Bezirke Mitte, Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf verbinden soll, und stattdessen ÖPNV, Rad- und Fußwege als klimafeste Infrastruktur konsequent zu planen und zu fördern. Auch für für alle weiteren geplanten Autobahnprojekte in Berlin will der Appell damit ein sofortiges Moratorium erlassen.

Doch warum ist der Ausbau genau dieser Autobahnstrecke momentan in der öffentlichen Diskussion so wichtig? Watson hat die wichtigsten Infos und Updates zur Diskussion um die A100 zusammengefasst.

Warum ist der Ausbau der A100 gerade jetzt wieder Thema?

Der heutige Appell richtet sich konkret gegen das Vorhaben der Ampelkoalition in der Bundesregierung, den Weiterbau des 17. Bauabschnitts der A100 vom Treptower Park über Friedrichshain und weiter bis zur Storkower Straße möglichst schnell umzusetzen. Die Entscheidung wurde jedoch vom Berliner Senat abgelehnt. Trotzdem hatte das von Volker Wissing (FDP) geführte Bundesverkehrsministerium noch Ende März 2022 überraschend die Planungsleistungen für eben diesen Bauabschnitt der Autobahn ausgeschrieben und damit den Auftakt für den Weiterbau der insgesamt 4,1 Kilometer langen Autobahnstrecke begründet. Ob der Bund das Veto des Berliner Senats bei diesem Appell erneut übergeht, stand am Donnerstag nochmals zur Debatte.

Was polarisiert beim Ausbau der A100 genau?

Laut Plan soll bis 2025 die bisher vorgesehene Linienführung der Straße hinsichtlich Umweltaspekten, Verkehrsaufkommen und Lärmbelastung überarbeitet werden, sodass danach dann die Bauplanung und der Umbau starten können. Dabei steht der Streckenabschnitt vor dem Hintergrund eines deutlich größeren Infrastrukturprojektes, für das das gesamte Berliner Ostkreuz untertunnelt werden soll, um eine verbesserte Durchfahrt für den Autoverkehr in Berlin zu schaffen.

Genau diese Motivation jedoch wird von den Gegnern des Vorhabens abgelehnt: Anwohner und Umweltschützer befürchten durch einen größeren Ausbau des Autobahnnetzes eine Verstärkung des Autolärms sowie von Abgasen und Staus in den angrenzenden Wohngebieten, da die Streckenführung Anreize für den Autoverkehr schaffe.

Zusätzlich kritisieren sie die hohen Kosten, die durch den Bau von Steuerzahlern bereits gedeckt wurden und sich noch erhöhen würden: Bereits die Kosten für den 16. Bauabschnitt der A100 zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und dem Treptower Park, der sich auf Ende 2024 verzögert, werden auf über 650 Millionen Euro geschätzt. Das mache die A100 zur wohl teuersten Autobahn Deutschlands mit Kosten von fast 200.000 Euro pro Meter, wie das Aktionsbündnis von Campact schätzt.

Welche Umweltfolgen hätte der Autobahnausbau?

Größter Kritikpunkt am bisherigen Vorhaben der Bundesregierung ist, dass ein Weiterbau der A100 weiterhin eine Infrastruktur für Autos in der Stadtgestaltung für die nächsten Jahrzehnte durchsetzen würde, statt Platz für nachhaltigere Transportmöglichkeiten wie Radwege, Fußwege, verkehrsberuhigte Spielstraßen, Grünflächen und den ÖPNV zu schaffen.

Das würde auch dem eigentlichen Ziel, CO2-Emissionen zu senken, widersprechen: Der Verkehrssektor stößt jedes Jahr ungefähr 150 Millionen Tonnen CO2 aus und ist damit für 20 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.

Auch kam das im vergangenen November veröffentlichte Gutachten "Bundesverkehrswegeplan und Klimaschutz" zu dem Ergebnis, dass die Erwartungen zum Klimaschutz "nicht mit den bisher bereits ins Auge gefassten Maßnahmen zu erreichen sein dürften".

Der Weiterbau der A100 in Berlin steht dadurch sinnbildlich für eine Vielzahl an ähnlichen Infrastrukturentscheidungen in ganz Deutschland und thematisiert die Frage, ob an einer Auto-basierten Stadtgestaltung festgehalten werden soll oder ob Zeit zu einem Umdenken auch im Hinblick auf eine umweltfreundlichere Städteplanung ist. Denn je nachdem wie in den unterschiedlichsten Bauvorhaben jetzt entschieden wird, prägt das das zukünftige Stadtbild sowie die Möglichkeit klimafreundlicher Alternativen in der Straßeninfrastruktur.

Warum wurde das Bauvorhaben im Bundestag besprochen?

Das Bauvorhaben der A100 ist politisch gerade deshalb spannend, da sich die Ampel-Parteien im Bund in den Koalitionsverhandlungen eigentlich darauf geeinigt hatten, alle großen Infrastrukturmaßnahmen in Deutschland auf eine klimaneutrale Mobilität auszurichten und deshalb auch über jedes laufende oder neue Projekt gemeinsam abzustimmen. Allerdings war genau das im März 2022 vor der offiziellen Ausschreibung der Bauplanung durch das von der FDP-geführte Bundesverkehrsministerium nicht passiert. Trotzdem hat die Ampelkoalition die Ausschreibung der Bauplanung bisher nicht zurückgezogen. Ob damit der Bund das Veto des Berliner Senats übergeht, bleibt damit noch offen.

Klimahilfen: Großbritannien soll bei Umweltausgaben betrogen haben

Das Jahr 2015 war ein historisches für den Klimaschutz: Auf der Pariser Klimakonferenz einigten sich die Vereinten Nationen verbindlich darauf, die Erderwärmung deutlich zu begrenzen. Alle Staaten sollten sich bemühen, den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad Celsius zu halten, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen.

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