
Simon David Dressler: der progressive Populist will nicht zur Bundeswehr.Bild: Marcus Höhn
Interview
Auf Instagram klärt Simon David Dressler über politische Themen auf. Sein Fokus liegt dabei auf Gerechtigkeit. Entsprechend findet er eine Wehrpflicht gerade jungen Menschen gegenüber ungerecht. Im Gespräch erklärt er, warum.
28.06.2025, 08:1828.06.2025, 10:59
Wehrpflicht? Ja, nein, vielleicht? Hier gehen die Meinungen extrem auseinander. In der älteren Generation fordern viele sie, Politiker:innen sind gespalten. Ablehnung gibt es hingegen oftmals von denjenigen, die davon direkt betroffen wären, also jungen Menschen.
Simon David Dressler ist einer von ihnen. Auf Instagram will er aufklären über die Folgen einer Wehrpflicht, spricht aber auch über andere politische Themen. Politisch positioniert er sich mit einer klar linken Perspektive. Ein Gespräch über Militär und junge Menschen.
watson: Würdest du für Deutschland zur Waffe greifen?
Simon David Dressler: Nein, würde ich nicht.
Weil du generell gegen Gewalt bist?
Es ist nicht so, dass ich Gewalt per se ablehne. Aber ich lehne es ab, mir von einem Nationalstaat sagen zu lassen, wen ich erschießen soll.
Gibt es denn Fälle für dich, in denen Gewalt gerechtfertigt ist?
Das ist gar nicht so leicht, zu sagen. In der Geschichte gab es einige Situationen, in denen Unterdrückte nur mit Gewalt gegen ihre Unterdrücker vorgehen konnten. Da kann man von Fall zu Fall schauen, ob die Gewalt verhältnismäßig war, zum Beispiel war der Widerstand gegen das NS-Regime gerechtfertigt. Andere Beispiele wären antikoloniale Kämpfe. Aber solche Fälle lassen sich nicht auf einen Staat zurückführen, der sagt, wir greifen jetzt zur Waffe.
Jetzt argumentieren viele, dass sich Gewalt von außen nur verhindern lässt, wenn der Staat eine schlagkräftige Armee hat. Wie stehst du zu so einer Argumentation?
Ich glaube, wenn meine Art zu leben und meine grundlegenden Freiheiten fundamental bedroht wären, würde ich mich persönlich auch dagegen wehren. Nur sehe ich den Fall momentan nicht. Klar, können wir uns in theoretischen Ausführungen ergehen, dass zum Beispiel ein brutales Regime einen Vernichtungskrieg auf Deutschland startet. Auch das sehe ich aktuell nicht.
Du positionierst dich stark gegen die Wehrpflicht. Viele junge Menschen pflichten dir bei. Woran liegt das?
Schon nach Corona hatten Politiker:innen die Möglichkeit, uns jungen Menschen irgendein Zeichen der Entschädigung zu geben. Wir mussten wahnsinnig zurückstecken, machten unseren Bachelor in Wohnzimmern, verzichteten auf alle schönen Momente, die das Uni-Leben zu bieten hat. Im Anschluss kam die Einsicht, dass zum Beispiel Schulschließungen nicht notwendig waren. Es folgte darauf aber kein Zeichen der Wiedergutmachung, nicht einmal eine Entschuldigung.
Sind junge Menschen für die Politik zu uninteressant?
Wir sind nur dann relevant, wenn wir instrumentalisiert werden, etwa bei der Pisa-Studie. Dass wir jetzt was zurückgeben sollen, indem wir den Dienst an der Waffe verrichten, ist einfach frech. Und dabei ist das, was wir zurückgeben sollen, im Zweifelsfall unser Leben.
Viele ältere Menschen sind aber ebenfalls der Ansicht, die Jugend müsse sich stärker in die Gesellschaft einbringen, müsse Deutschland verteidigen.
Aber nicht alle. Eltern schrieben mir zum Beispiel nach einer Talkrunde, wie dankbar sie mir sind, dass ich meine antimilitaristische Meinung dort vertrete und dass sie es nicht einsehen, ihre Kinder im Zweifelsfall an die Front zu schicken. Generell kann ich mir bei den wenigsten vorstellen, dass sie damit fein sind, wenn ein Einberufungsbescheid für die Kinder ins Haus flattert.
Gibt es viele negative Reaktionen auf deine Haltung zur Bundeswehr?
Das gibt es, da muss ich aber ganz klar unterscheiden. Es gibt Menschen, die durchaus rational argumentieren, wo ich sagen würde, ich teile das nicht, sehe aber deinen Punkt. Die anderen, zu denen ein Großteil gehört, schreiben mir hingegen Gedankenspiele zu Gewaltexzessen.
Wie sehen die aus?
Wenn du mit deiner Freundin in einen Park gehst und es kommen zehn betrunkene Russen, würdest du sie dann nicht verteidigen? Das sind Fragen, die sich schon mein Vater bei einer Wehrdienstverweigerung im Kreiswehrersatzamt anhören musste. Mich schockiert das, weil das nicht nur absurd ist, sondern mir auch zeigt, dass ganz extreme Gewaltfantasien in den Menschen schlummern. Und das sind nicht AfD-Anhänger, sondern viele bezeichnen sich als Grün, als Sozialdemokraten und als Liberale.
Bist du denn allgemein gegen eine Armee im Land?
Ich bin gegen Nationalstaaten. Ich glaube, das Konzept der kapitalistischen Nationalstaaten, die eine Welt in knapp 200 Territorien aufteilt, von denen jedes mit einer eigenen Armee ausgestattet ist, führt uns regelmäßig an den Rand des Abgrunds. Diese Aufteilung funktioniert meiner Meinung nach nicht. Die Aussicht, ein Land irgendwann mit unserem Leben zu verteidigen, müssen wir als Menschheit überwinden, um eine Zukunft zu haben. Ohnehin finde ich es allein aufgrund meiner Biografie völlig verrückt, einer Nationalarmee beizutreten.
Das müsstest du näher erläutern.
Ich bin in Süddeutschland aufgewachsen, in der Nähe von Mannheim. Und ich habe mich schon häufiger gefragt, warum mir eine Person aus Flensburg näher sein sollte als eine Person aus Straßburg. Rein geografisch und kulturell stehe ich letzterer doch deutlich näher. Aber im Ernstfall müsste ich zusammen mit dem Flensburger den Straßburger über den Haufen schießen.
Bei Diskussionen um die Wehrpflicht wird auch das Argument der Solidarität ins Feld geführt. Jetzt ist der Dienst an der Waffe nichts für dich. Ist ein sozialer Pflichtdienst die Alternative?
Ich bin nicht dafür. Ich bin für eine Form von Gemeinschaftssinn. Bei solchen Diskussionen gehen wir davon aus, dass dieser nur dadurch entsteht, wenn Menschen dazu gedrängt werden, sich einzubringen. Der Mensch ist ein fundamental soziales Wesen. Eine linke Grundannahme, von der wir weitergehen können. Teenager und junge Erwachsenen haben die Lust, sich für Menschen zu engagieren.
Viele Ältere nehmen das aber nicht so wahr.
Ich glaube, dass unsere Gesellschaft nicht darauf ausgelegt ist, diese Art von Solidaritätsauslebung zu fördern. In einem System, in dem alles ein Preisschild bekommt, wird das aber unterdrückt. In unserer Gesellschaft wird uns beigebracht, uns selbst der nächste zu sein. Ein Problem, für das ein soziales Pflichtjahr keine Lösung, sondern vielmehr ein Pflaster ist.