Laut Umfragen schaffte es Armin Laschet beim TV-Dreikampf der Kanzlerkandidaten, vierter zu werden – nur 20 Prozent sehen ihn als den stärksten Kandidaten. 21 Prozent sahen keine Unterschiede zwischen den drei Bewerbern. Olaf Scholz geht demnach als Sieger hervor, gefolgt von Annalena Baerbock. Die wirklichen Verlierer aber sind – die Zuschauer.
Wer sich das TV-Triell der Öffentlich-Rechtlichen am Sonntagabend ansah, konnte am Ende leicht zu dem Gefühl kommen, anderthalb Stunden Lebenszeit verloren zu haben. Die Diskussionsthemen waren unklar strukturiert, die Moderatoren unterbrachen sich gegenseitig und das Konzept langweilte bereits in den ersten Minuten.
Die Kandidaten wirkten zwar lebhaft und diskussionsfreudig, doch diese Umsetzung des Formats diente der Sache eine erhellenden und spannenden Diskussion einfach nicht. Wir haben die größten Kritikpunkte aufgelistet.
Die Wahl der Gesprächsthemen war einerseits vorhersehbar, andererseits überraschend. Zum einen wurden nämlich einfach die Themen des ersten Triells wiedergekäut – Stichwort Klimawandel. Andere wichtige Themen wurden hingegen gar nicht erst angesprochen.
Besonders auffällig war, dass die Moderatoren offenbar kein Interesse an der Europapolitik hatten, denn hier wurde gespart. Dabei hätte es hier einiges zu besprechen gegeben – das wurde auch auf Twitter kommentiert, etwa von der ZDF-Europa-Korrespondentin Anne Gellinek.
Zum Thema europäische Außengrenzen hätten sich die Kandidaten mit Sicherheit lebhaft streiten können. Auch bei der Frage, wie die EU mit Ländern umgehen soll, die Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit haben, hätten die Antworten interessant werden dürfen.
Noch-Kanzlerin Angela Merkel war in den letzten 16 Jahren eine Leitfigur in der EU-Politik. Das ist eine Position, über die ebenfalls bei der Bundestagswahl abgestimmt wird. Viele Zuschauer kritisierten daher die Themenwahl des Senders auf Twitter.
Ein Thema, das überraschenderweise auch fehlte: Deutschlands Außenpolitik. Im ersten Kanzlertriell vor zwei Wochen wurde die aktuelle Lage in Afghanistan zwar noch angesprochen, aber seitdem haben die Taliban eine offizielle Regierung vorgestellt. Ein klares Statement der Kandidaten dazu wäre wünschenswert gewesen. Ebenso wie eine Frage nach der zukünftigen Strategie bei Auslandseinsätzen.
Bei Finanzen und der Klimapolitik durften die Kandidaten wieder ihr Parteiprogramm auflisten. Der Satiriker Jan Böhmermann schrieb auf Twitter dazu: "Wenn ich das Konzept 'Triell' richtig verstanden habe, dann erzählen Baerbock, Laschet und Scholz jetzt noch einmal das gleiche und dann muss sich Deutschland für ein Moderatorinnenpaar entscheiden".
Die Entscheidung für ein Moderatorenpaar wäre leicht, denn der Auftritt von Maybritt Illner und Oliver Köhr am Sonntag wirkte unkoordiniert – anders als der von Pinar Atalay und Peter Kloeppel beim ersten TV-Triell auf RTL.
Illner ist eine Koryphäe für dieses Format, sie war schon beim ersten TV-Duell zwischen Gerhard Schröder und Edmund Stoiber im Jahr 2002 im Einsatz. Der stellvertretende ARD-Chefredakteur Köhr ist zwar neu im Kanzlerduell, aber als langjähriger Korrespondent ist er ein erfahrener Fernsehmann.
Trotz der Erfahrung der beiden Moderatoren: Das Zusammenspiel funktionierte nicht. Mehrfach fielen sich die Gastgeber ins Wort und konnten sich teilweise kaum einigen, wer den Kandidaten die Fragen stellt.
Illner wirkte gereizt, Köhr verunsichert. So sehr, dass er sich verhaspelte und die Kandidaten ihn sogar bitten mussten, die Frage zu wiederholen.
Besonders zu Beginn unterbrach der ARD-Chef seine Kollegin mehrfach, das sorgte nicht nur bei den Zuschauern für Verwirrung. Auch Illner wirkte überrascht und im Laufe des Abends versuchte sie, sich gegen Köhr zu behaupten, indem sie ihn ebenfalls mitten in den Satz redete.
Das Duell der Kanzlerkandidaten wuchs sich so langsam zum Duell der Moderatoren aus.
Ein starker Einstieg und ein gutes Ende sind essentiell für ein gutes Format. Die Idee im Kanzlertriell wurde zwar sichtbar, funktioniert hat sie aber nicht.
Der Fernsehabend startete mit der Koalitionsfrage. Die Moderatoren hatten sich offenbar klare und überraschende Aussage gewünscht, sie bekamen jedoch nichts dergleichen. Das lag wohl daran, dass sich die Parteien zu dieser Frage bereits in denen vergangenen Wochen häufig geäußert haben. Keinem Kandidaten war – trotz fast aggressiver Nachfrage der Moderation – etwas Neues zu entlocken.
Dadurch verschwamm die ersten halbe Stunde des Triells zu einer konfusen Mischung aus Fragen verschiedenster Themenbereiche.
Zum Abschluss durften die Kandidaten einzeln vortreten und ein Schlussplädoyer halten. Hier hieß es: Eine Minute ungefiltertes Parteiprogramm. So gut die Reden der Kanzlerschaftsanwärter auch vorbereitet waren, so irrelevant waren sie für die Wählenden.
Insgesamt wirkte das Konzept wie zwar gut gemeint, aber schlecht umgesetzt. Ein spannendes Kanzlertriell, das den Dialog vorantreibt und Erkenntnisse bringt, sieht anders aus. Da hätte sich Oliver Köhr als Wiedergutmachung zumindest mit einem "Jo, bis dann" verabschieden können.