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"Verstörend": Markus Söder wird bei "Lanz" mit Russland-Politik konfrontiert

Söder beharrt darauf, dass Putin alle getäuscht habe.
Söder beharrt darauf, dass Putin alle getäuscht habe.Bild: ZDF screenshot
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"Lanz": Gast konfrontiert Markus Söder – "Verstörend, dass wir keine Verantwortung übernehmen"

16.03.2022, 06:2616.03.2022, 08:22
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Natürlich ist auch bei "Markus Lanz" das bestimmende Thema der Stunde der Krieg gegen die Ukraine. Zu Beginn der Sendung interviewt er die Journalistin Katrin Eigendorf, die ihm von Odessa aus für die Sendung zugeschaltet war. Lanz erwartete einen möglichst voyeuristischen Blick auf das Geschehen, fragte nach Versorgungsengpässen, Gefahren und strengen Ausgangssperren. Eigendorf wollte nicht liefern, weil Krieg eben kein schnell abzuhandelndes Thema ist, das wir bequem vom Sofa aus konsumieren können. Nein, es gäbe zumindest in Odessa noch keine Versorgungsengpässe, aber natürlich sei die Lage sehr angespannt.

Auf aktuelle Geschehnisse wird reagiert, es sei zu erwarten, dass die drittgrößte Stadt der Ukraine in den Fokus des Krieges rückt. "Hier in Odessa bin ich wirklich erstaunt, wie positiv die Menschen sind", sagt Eigendorf und spricht von "ungebrochener Widerstandskraft" bei den Ukrainerinnen und Ukrainern.

Markus Lanz fragt nach, ob denn die Menschen dort nicht vielleicht besser aufgeben, der ukrainische Präsident Selenskjy das Land nicht besser verlassen sollte. Denn an einen Sieg würden, so habe er das gehört, manche Menschen im Westen ja nicht glauben. Von wem auch immer Lanz das gehört haben will: Belege dafür hatte er nicht.

Die Ukrainer wollen ihr Land behalten

"Da muss man definieren was siegen heißt", antwortet die Journalistin. "Den Ukrainern geht es nicht darum, über Putin zu siegen, (...) sie wollen ihr Land behalten", führt sie aus. Weiter erklärt Eigendorf:

"Für die Ukraine ist das Regime Putin viel nahbarer, viel erfahrbarer, als für uns in Europa."
Katrin Eigendorf war aus Odessa zugeschaltet.
Katrin Eigendorf war aus Odessa zugeschaltet.Bild: ZDF screenshot

Schließlich weist sie dann darauf hin, dass dieser Krieg auch eines der Bilder ist, die natürlich auch Putin steuern möchte. Viele Ukrainer würden bei den Berichten aus Mariupol an das ukrainische Trauma der Hungersnot erinnert werden, bei der Schätzungen zufolge sieben Millionen Menschen starben. Die Journalistin glaubt, dass der russische Präsident diese Bilder vom Krieg also auch nutzt, um die Ukrainer zu destabilisieren.

Dass ihm die Hoheit über die Bilder auch im eigenen Land, wo drakonische Strafen auf Proteste und allein die Erwähnung des Kriegs gegen die Ukraine ausgesetzt sind, nicht immer gelingt, bewies gerade die sehr mutige Aktion von Marina Owsjannikowa, welche Eigendorf in der Sendung würdigt. Es sei "erstaunlich", dass es noch solche mutigen Menschen in Russland gibt.

Ein Albtraum für die russische Regierung

Die Politologin Sabine Fischer unterstützt diese Einschätzung. "Diese Frau, dieses Video ist der Albtraum für die russische Regierung", sagt sie. Fast noch wichtiger als der Auftritt in der Nachrichtensendung zur Hauptsendezeit sei aber das Video, das Owsjannikowa anschließend in den sozialen Netzwerken teilte. Russische Umfragen hätten zwar gerade ergeben, dass 72 Prozent der Bevölkerung Putin unterstützen, aber, so Fischer, diese Zahlen seien mit Vorsicht zu verwenden. "Ich denke, der Krieg hat einen riesigen Schock ausgelöst in der russischen Gesellschaft", sagt sie.

Sabine Fischer spricht über Widerstand gegen Putin seitens der russischen Bevölkerung.
Sabine Fischer spricht über Widerstand gegen Putin seitens der russischen Bevölkerung.Bild: ZDF screenshot

"Putin hat alle belogen und getäuscht"

Weniger schockierend als vielmehr vorhersehbar waren die Antworten Markus Söders auf die Frage, ob er nicht vor einem Monat eine Fehleinschätzung über die Gefährlichkeit Putins abgegeben hätte. "Putin hat alle belogen und alle getäuscht", stellt Bayerns Ministerpräsident fest und lässt die Hinweise, denen zufolge sich spätestens mit der Annektion der Krim abzeichnete, dass Deutschland sich nicht so abhängig von Russland machen dürfe, nicht gelten. "Das Gespräch zu suchen, ist nie falsch", sagt er und verweist darauf, dass die Bundesregierung "keine NGO" sei und abgewogen werden müsse.

Der Ökonom Marcel Fratzsche findet es "verstörend, dass wir keine Verantwortung übernehmen". Deutschland hat sich seiner Meinung nach sehenden Auges in eine Abhängigkeit begeben und damit die Kriegsmaschinerie mit aufgebaut. Die Idee eines globalen Handels hat diesen Krieg möglich gemacht, so sein Urteil. Die Soziologin Daniela Schwarzer wirbt mit Blick auf China darum, die Vorstellung, dass Handel und Diplomatie weiter Hand in Hand gehen können, noch mal zu hinterfragen.

War die Abhängigkeit von Russland eine Notwendigkeit?

Als die anwesenden drei Gäste vom zugeschalteten Markus Söder wissen wollen, ob er sich denn schuldig fühle, dass Deutschland sich in die starke Abhängigkeit von Russland begeben hat, erwidert Söder, dass ja eigentlich nur Putin Schuld sei, dem man nun natürlich die harte Kante zeigen müsse. Die Gas-Abhängigkeit gebe es nicht erst seit 2014, sondern schon viel länger. Es sei immer eine Notwendigkeit gewesen, keine Abhängigkeit, und die Lieferungen seien ja auch immer in Ordnung gewesen. Dass die Diplomatie im Moment gescheitert ist, das sei sichtbar, aber es müsse, so der bayerische Ministerpräsident, am Ende des Krieges wieder eine diplomatische Lösung geben.

Marcel Fratzscher ist enttäuscht von der deutschen Politik in Sachen Importen aus Russland.
Marcel Fratzscher ist enttäuscht von der deutschen Politik in Sachen Importen aus Russland.Bild: ZDF screenshot

"Stand die Wirtschaft über der Moral?", fragt Lanz konzentriert nach, und bekommt, wie gewöhnlich, eine eher ausschweifende und auf andere Dinge zeigende Antwort. "Wir müssen die Werte im Blick haben, aber auch die Wirtschaft", entgegnet Söder und merkt an, dass es ja auch mit anderen Partnern Schwierigkeiten gebe. "Ich habe da großes Verständnis, aber es geht auch immer um das Wirtschaftsland Deutschland", wiegelt der Bayer ab. Und eben dieses Deutschland sei vielleicht dann in der Gesamtheit doch nicht bereit für harte Einschnitte, mutmaßt Söder.

Vielleicht sollten wir auch länger als geplant an Atomkraft festhalten, die sei preiswert und sicher, so Söder außerdem. Es ginge mit den erneuerbaren Energien eben nicht so schnell voran wie immer erhofft. Ein Grund dafür seien auch die Beschwerden von Umwelt- und Naturschutzverbänden, so Markus Söder, der diese Information auch gleich für einen Seitenhieb auf Robert Habeck und die Grünen nutzte. In der Opposition ist man ja auch immer im Wahlkampf.

Tragödien, die wir nicht auf dem Schirm haben

Was – neben der Frage, wo zukünftig unsere Energie herkommen soll – auch zur Sprache kam, waren die weltweiten Folgen dieses Krieges. Denn, wie Ökonom Fratzsche ausführte: 28 Prozent des weltweit genutzten Weizens kommen aus Russland und der Ukraine und werden gerade nicht in den Boden eingebracht. Aus Russland kommen 30 Prozent der weltweit eingesetzten Düngemittel. Das hat Folgen für die gesamte Menschheit, denn Millionen Menschen könnten in die Armut und in den Hunger getrieben werden.

Die Nahrungsmittelpreise könnten eskalieren. Es könnte zu einer Knappheit kommen, die vor allem die zu spüren bekommen, die ohnehin schon wenig haben. Das ist ein "wichtiger blinder Fleck", so Fratzsche. Wir sollten nicht nur auf Deutschland schauen sondern die ganze Welt. Das sind "Tragödien, die wir so nicht auf dem Schirm haben".

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