Wie weitermachen in der Ukraine? "Die Ukraine kämpft, Deutschland zögert: Lähmt uns die Angst vor Putin?" lautet das Thema bei Frank Plasbergs "Hart aber fair". Und fast alle Teilnehmer sind sich einig, dass es mehr Waffen für die Ukraine geben muss. Nur einer findet das nicht. Es diskutieren:
Sie ist bekannt für pointierte Meinungen. Und so ist für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) der Umgang mit Wladimir Putin eine klare Sache: "Es wird nur eine Lösung geben: Ihn militärisch zu besiegen." Zwar sei sie auch dafür, im Gespräch zu bleiben, aber viele Hoffnungen macht sie sich nicht.
Es sei "Naivität", wenn man glaube, man könne Putin mit hehren Worten und Verhandlungen stoppen. Er halte sich nicht an völkerrechtliche Regeln. "Er macht, das, was er möchte." Man dürfe das nicht mit einem fairen Schachspiel verwechseln. "Putin hat dieses Schachspiel ja schon längst vom Tisch gefegt. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen, halte ich für falsch", so Strack-Zimmermann.
So klar wie sich die FDP-Politikerin positioniert, so wenig eindeutig ist das Verhalten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), was Waffenlieferungen an die Ukraine angeht. Seine Kritiker, darunter eben auch Koalitionspartnerin Strack-Zimmermann, werfen ihm Zaudern bei Waffenlieferungen vor. "Der Krieg macht keine Pause."
In einem RBB-Interview hat Scholz seine Kritiker ungewohnt jovial als "Jungs und Mädels" bezeichnete. Moderator Frank Plasberg fragt Strack-Zimmermann direkt, wie sie das fand. Sie reagiert gelassen-spöttisch. "Ich habe das hingenommen, er war plötzlich emotional und das war ja schonmal was." Von ihrer Meinung lässt sie sich nicht abbringen:
Jan van Aken von der Rosa-Luxemburg-Stiftung betont, dass alle Kriege in den letzten Jahrzehnten durch Friedensverhandlungen zu Ende gegangen seien. Statt nur an Waffen zu denken, solle man sich lieber fragen: "Wie können wir Putin endlich dazu bewegen, ernsthaft zu verhandeln? Keiner redet mehr über Sanktionen." Allein die EU habe seit Kriegsbeginn 41,3 Milliarden Euro nach Russland für Energielieferungen überwiesen, "weil niemand hier bereit ist, sich einzuschränken". Allein mit autofreiem Sonntag und Tempolimit hätte man 300 Millionen Euro einsparen und weniger in Putins Kriegskasse einzahlen können. Um den Druck auf Russland zu erhöhen, müsse man auch versuchen, China und Indien auf die westliche Seite zu ziehen. "Wir sind doch einmal ein Land gewesen, das stolz gewesen auf seine friedliche Politik."
Obwohl von Aken mit seinem Plädoyer für eine Lösung ohne Waffen eigentlich alle in der Runde gegen sich hat, hakt es vor allem zwischen ihm und Strack-Zimmermann. Als er das Tempolimit ins Spiel bringt, eines der klassischen roten Tücher für die Liberalen, findet die FDP-Politikerin das "geradezu makaber" angesichts der Opfer in der Ukraine. Und später maßregelt sie ihn: "Sie bringen wieder alles durcheinander, schrecklich." Er revanchiert sich, als sie ihm ins Wort fällt. Genüsslich belehrend erklärt er, dass er seine Kinder so erzogen habe, dass sie andere Menschen ausreden zu lassen. Und als sie wieder nicht an sich halten kann, ermahnt er sie nochmals "Frau Strack-Zimmermann, meine Kinder schauen zu!"
Leider wird ein mittelmäßiger Witz nicht besser, wenn man ihn wiederholt. Das findet auch Plasberg und schneidet ihm das Wort ab: "Der Weg von Kinder zu Kindergarten ist schnell gegangen."
Allein auf weiter Flur ist van Aken dann auch mit seiner Einschätzung der Nato. Zwar könne er verstehen, dass nun auch Schweden und Finnland sich nach Schutz sehnen, aber das müsse ja nun nicht unbedingt die ganze Nato sein. Schutzzusagen einzelner Länder würden reichen, findet er. Für ihn steht fest:
Es gab schon Zeiten, in denen ihm mehr Leute zugestimmt hätten als mitten in einem russischen Angriffskrieg.
Die ukrainische Fotografin Yevgenia Belorusets kann mit van Akens Ideen jedenfalls wenig anfangen. Putin habe keinerlei Interesse an Friedensverhandlungen. "Sollen wir ihm eine Stadt schenken, damit er dort die Kinder umbringt?" Es bleibe nur das "militärische Stoppen der unglaublichen Gewalt, die Russland jetzt in der Ukraine verursacht". Einen Dritten Weltkrieg fürchtet sie nicht. Aus ganz praktischen Gründen. "Dritter Weltkrieg? Mit wem?" Die russische Armee sei als Mythos dekonstruiert. An einen russischen Atomschlag glaubt sie auch nicht, sie hält die Atomwaffen für eine reine Drohkulisse. "Putin wird es nicht tun, wenn wir sagen: 'Dann drücken wir auch einen Knopf.' Putin wird es nicht tun, weil er leben will."
Dass der russiche Präsident zum Atomschlag ausholt, glaubt auch Michael Thumann nicht. "Er nutzt das, um uns einzuschüchtern, aber er ist kein Selbstmörder." Der außenpolitischer Korrespondent der "Zeit" findet, dass man sich beim westlichen Waffenringtausch zu viele Gedanken um die Psychologie von Wladimir Putin macht. Woher die Waffen für die Ukraine im einzelnen stammen, sei egal. "Das sind Feinheiten, die ihn überhaupt nicht interessieren. Ich glaube, das ist eine Diskussion, die an der russischen Wahrnehmung total vorbeigeht." Außerdem sei in der russischen Wahrnehmung bereits der gesamte Westen "der eigentliche Kriegsgegner". Moskau sehe den Ukraine-Krieg als erste Etappe. "Es geht um die Vorherrschaft in Europa und Putin stellt sich vor, dass er die Amerikaner 1:1 ersetzt."
Umso mehr glaubt er, dass man den "doppelten Ansatz" im Ukraine-Krieg brauche: Weitere Sanktionen gegen Russland und Waffen für die Ukraine. Er war gerade in Moskau: "Die Läden sind voll, die Regale sind voll, lassen sie sich nichts anderes erzählen – sie können sogar noch iPhones kaufen und Coca Cola trinken. Ich bin mir sicher, dass die Subventionen wirken werden, aber sie brauchen Zeit."
Eine schnelle Lösung ist generell nicht in Sicht, fürchtet auch der ehemalige Nato-General Egon Ramms. Aber er glaubt, "dass die Ukrainer ihr Land erfolgreich verteidigen werden". Dafür brauche sie aber auch Waffen. Dass nun alte Sowjetpanzer geliefert werden, sei "nur eine Brückenlösung". Er rechnet damit, dass auch bald Leopard und Marder in Richtung Ukraine geschickt werden, und jetzt hätte man einfach Zeit verloren.
An eine Verhandlungslösung glaubt er nicht. "Mir würden Friedensverhandlungen mit Putin außerordentlich schwerfallen." Und das aus einem ganz einfachen Grund: Dem russischen Präsidenten könne man nicht mehr vertrauen.