Obwohl es so viele Menschen in Deutschland betrifft, gab es im Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf dazu bisher wenig zu hören: das Thema Wohnen. Diese Lücke nutzte Moderator Frank Plasberg am Montagabend, um bei "Hart aber fair" mit seinen Gästen darüber zu sprechen. Und auch zu streiten. Denn Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, gerieten immer wieder aneinander. Bis der selbst ernannte "Oberlehrer" sogar dazwischen gehen musste.
Die Mieten explodieren, Bauen ist kompliziert und teuer. Wer schützt die Mieter am besten? Dazu hat das Team von "Hart aber fair" Menschen in unterschiedlichen Städten in Deutschland befragt. Dabei fallen Aussagen wie "Kann sich niemand mehr leisten", "unbezahlbar" und "Wie sollen junge Leute auf die Beine kommen, wenn ein ganzes Gehalt für die Mieten aufgebracht werden muss?". Eine Frau fällt besonders auf: Sie selbst ist Hausbesitzerin, aber sagt, ihre drei Söhne, die in Städten leben, hätten große Schwierigkeiten, was die Mieten betrifft. Deshalb spreche sie sich für einen Mietendeckel aus. "Herr Kuban, was sagen Sie denn zu dieser Frau? Die ist Hausbesitzerin, nicht Hausbesetzerin. Was sagt ein Unionsmann zur bürgerlichen Mitte?", will Plasberg wissen.
Das Thema bewege ihn, erklärt Kuban und sagt, man müsse dafür sorgen, dass mehr gebaut wird. Zudem solle der ländliche Raum attraktiver werden, damit die Menschen nicht alle in die Städte ziehen. Zum Mietendeckel hat er eine klare Meinung: "Am Ende ist der Mietendeckel ein Instrument, das nicht funktioniert." In Berlin habe er zu einem massiven Rückgang des verfügbaren Wohnraums geführt. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, ist sich sicher, dass die "explodierenden Mieten zu einer sozialen Spaltung" in der Gesellschaft führen und spricht sich deshalb unter anderem dafür aus, dass die Mietpreise jährlich nur um 2,5 Prozent steigen dürfen. Für sie ist Wohnen ein Grundrecht.
Der Journalist Rainer Hank oder der "Godfather der Marktwirtschaft", wie ihn Plasberg nennt, widerspricht der Meinung Langs. Für ihn ist es ganz klar: Die Leute wollen alle in die Städte und weil die Nachfrage das Angebot übersteigt, steigen auch die Preise: "So einfach ist das!" Für ihn gibt es zwei Lösungen. Die eine sei sozialistisch. "Oder sagen wir sozialdemokratisch", korrigiert er sich selbst und schaut dabei den Arbeitsminister an. Das Eingreifen in den Preismechanismus sei "klassische sozialdemokratische Politik", betont der Journalist erneut, bevor Heil ihn warnt: "Na, na, na, jetzt seien Sie aber mal vorsichtig!" Dessen unbeeindruckt führt er weiter aus, dass die zweite Variante, die auch marktwirtschaftlich ist, das Bauen sei.
Julie Kurz ist ARD-Korrespondentin und hat lange Zeit in London gelebt – einer Stadt, die für ihre teuren Immobilienpreise und Mieten bekannt ist. Sie erzählt von den Veränderungen, die solche Entwicklungen für eine Stadt bedeuten. So würden Menschen, die nicht genügend verdienen, in die Außenbezirke gedrängt, wo es dann auch zu sozialen Problemen käme. Einzelhändler könnten sich die Mieten auch nicht mehr leisten und müssten ihre Läden aufgeben: "Natürlich verändert das eine Stadt."
Die Mietpreisbremse, die bereits seit einigen Jahren in Deutschland existiert und die von der SPD mit verhandelt wurde, sei entweder zu lasch oder der Markt zu stark, wirft Plasberg Heil vor. Diese sei ja nicht überall in Kraft, versucht sich der Arbeitsminister gleich zu verteidigen und antwortet stattdessen lieber emotional mit dem Argument, dass es beim Wohnen um eine "große soziale Frage" und damit um den "Zusammenhalt der Gesellschaft" gehe.
Darauf habe der Kanzlerkandidat Olaf Scholz bereits reagiert, als er noch Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen ist, erklärt Heil und wird seinen Parteikollegen an diesem Abend noch einige Male für seine Taten loben. Der SPD-Politiker spricht sich fürs "Bauen, Bauen, Bauen" aus und fordert gleichzeitig, dass für eine Überbrückungszeit, bis die 400.000 pro Jahr gebaut werden können, in den angespannten Wohnlagen kein Deckel, aber den Bürgern eine "Atempause" organisiert werden soll. Quasi ein Mietendeckel auf Zeit, bis sich die Lage entspannt.
Als Heil von Kurz darauf aufmerksam gemacht wird, dass die Mietpreisbremse in Hamburg häufig durch das Nutzen von Schlupflöchern wie Luxussanierungen ausgehebelt wurde, reagiert dieser nur damit, dass es immer "Macken und Fehler" gebe.
Der "härteste Eingriff" auf dem Wohnungsmarkt sei jedoch in Berlin durchgeführt worden, kommentiert der Moderator und kommt auf den Berliner Mietendeckel zu sprechen, der jedoch vom Verfassungsgericht gekippt wurde. Obwohl es dabei um eine linke Idee geht, habe der linke Flügel der SPD in Berlin das Vorhaben gerne unterstützt, sagt Plasberg.
Gebracht habe er aber wenig, zeigt ein Einspieler. So seien weder die Preise für die Mieten großartig gesunken, noch gab es mehr Wohnungen auf dem Markt. "Das sind klare Zahlen, die zeigen, dass sich ein solcher Eingriff negativ auf die Mieter auswirkt", fasst Plasberg zusammen. Dies sei "Empirie im Versuchsfeld", sagt auch Hank, der ein Gegner des Deckels ist.
Das Verfassungsgericht habe nicht die Sache an sich verworfen, versucht Heil das Vorhaben noch zu retten, sondern ob der Zuständigkeiten. Für ein solches Vorhaben brauche es eine bundesweite Gesetzesgrundlage. Er bleibt dabei, dass den Mietern eine "Verschnaufpause" gegönnt werden sollte, schließlich habe man nicht nur eine Marktwirtschaft, sondern eine soziale Marktwirtschaft, äußert er mit Nachdruck und als Seitenhieb gegen Hank.
Es sei keine soziale Marktwirtschaft, wenn man bei den Eigentümern in die Preise eingreife, meint dieser. "Tun wir doch gar nicht", kontert Heil und ermahnt Hank, es sei nicht der Ort für ideologische Debatten, wenn es um praktische Fragen gehe. So lange, bis gebaut würde, sollen die Preise nicht steigen. "Dieses Argument, wir brauchen Zeit, das höre ich seit zehn Jahren", kommentiert Hank, "so langsam glaube ich nicht mehr daran." "Das ist keine religiöse Frage", äußert sich der SPD-Politiker mit einem leichten Schmunzeln.
Plasberg ist der Meinung, der Mietendeckel habe "versagt" und wundert sich deshalb ein wenig darüber, dass auch die Grünen-Politikerin Lang daran festhalten möchte, um die Idee auch bundesweit zu ermöglichen. Sie verteidigt sich, indem sie sagt, dass sie eine "Grundlage schaffen" möchte, um eine "knappe Ressource gerecht zu verteilen". Für viele Menschen habe der Deckel auch gar nicht versagt, weil sie in ihren Wohnungen bleiben konnten, sagt sie. Privaten Vermietern will sie das Angebot machen, weniger Steuern zu zahlen, um somit die Menschen profitieren zu lassen, die zu fairen Preisen vermieten.
Ob der Mietendeckel nur ein Vorgeschmack darauf ist, was von einer Rot-Rot-Grünen Bundesregierung zu erwarten wäre, will Plasberg von Heil wissen. Schließlich habe seine Partei den Mietendeckel in Berlin in der Regierung mitgetragen. "Darf ich Ihnen sagen, was wir machen wollen, bevor wir weitermachen mit falschen Behauptungen", wirft Heil ein, der von dem Vergleich nicht begeistert ist.
Auch Kuban mischt sich in die Diskussion ein und stimmt Plasberg zu. "Jetzt gestatten Sie mir doch die Frage", sagt der Moderator und macht erneut darauf aufmerksam, dass die SPD, die in Berlin die Regierung führt, die Idee mitgetragen habe. Doch Heil versucht weiter auszuweichen und sagt: "Unser Modell ist doch ein anderes." Nicht die Mieten sollen begrenzt werden, sondern die Steigerung in angespannten Lagen. Das in Berlin sei "nicht gut gelaufen", sagt er und macht erneut auf Scholz' Triumphe im sozialen Wohnungsbau in Hamburg aufmerksam.
Doch Kuban kann dies nicht so auf sich sitzen lassen und sagt es noch einmal:
Dann artet der Streit aus: "Wie lautet denn der Name des Bauministers?", hakt Heil nach. Diesen Einwurf findet auch Plasberg nicht ganz unbedeutend und mischt sich zwischen die Streithähne. Er sagt, er müsse jetzt mal kurz Partei für Heil ergreifen und geht zu Kuban und fragt ihn auch: "Wie lautet der Name des Bauministers?" "Seehofer", sagt dieser schließlich und muss damit zugeben, dass auch seine Partei Verantwortung daran trägt, dass zu wenig gebaut wurde in Deutschland.
Auch ein Volksentscheid zum Thema Enteignen wird in diesem Jahr in Berlin durchgeführt. Dieses Vorhaben möchte der Arbeitsminister nicht unterstützen und argumentiert damit, dass es für den Staat "kein gutes Geschäft" sei, weil milliardenhohe Entschädigungen bezahlt werden müssten. "Frau Lang, Sie sind stimmberechtigt. Werden Sie dafür stimmen?", fragt Plasberg bei der stellvertretenden Bundesvorsitzenden nach. "Mir ist erst mal wichtig", beginnt sie ihren Satz, doch wird sofort vom Moderator unterbrochen. "Nein, das ist eine ganz einfache Frage", sagt er und erwartet eine klare Antwort. Doch Lang möchte nicht ganz mit der Sprache rausrücken und sagt, dass sie das in den nächsten zwei Wochen noch entscheiden müsse.
Plasberg behauptet, die Grünen würden einen "Taschenspielertrick" anwenden. Sie wollen die Enteignung als Drohmittel einsetzen können, aber eigentlich unterstützen sie das Vorhaben nicht. "Sie sind eine schnell denkende Politikerin. Wenn Sie jetzt sagen, Sie brauchen noch zwei Wochen, dann frage ich Sie, ist das eine Taktik, damit Sie die Grünen in Berlin nicht verprellen?" Denn die dortige Bürgermeisterkandidatin hat sich für den Volksentscheid ausgesprochen. Doch konkreter als diese Aussage wird es bei Lang an diesem Abend nicht mehr: "Ich unterstütze die Ideen von Bettina Jarasch."
Am Ende der Sendung geht es noch um die Baubedingungen in Deutschland. Die bürokratischen Prozesse dauerten zu lange – teilweise 14 Monate, um eine Baugenehmigung zu erhalten. Die CDU schlägt eine Genehmigungsfiktion vor, die den Ämtern Druck machen soll. Wenn eine Genehmigung nicht innerhalb von zwei Monaten bearbeitet wird, soll der Antrag als genehmigt gelten. Woher die Mitarbeiter dafür kommen sollen, wird auch von Kuban nicht genauer benannt. Heil sagt, dafür fehle qualifiziertes Personal, wenngleich er das Vorhaben sogar gut findet. Auch wenn es zwischen den Gästen an diesem Abend viel Streit gab, sind sich alle zumindest in einem Punkt einig: Es muss deutlich mehr und schneller gebaut werden.