Mit Sanktionen wie dem partiellen Ausschluss aus dem globalen Finanz-Kommunikationssystem Swift wird Russland für seinen Angriffskrieg in der Ukraine bestraft. Bild: NurPhoto / Ronchini
Interview
03.03.2022, 17:5104.03.2022, 12:09
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben westliche Staaten zahlreiche Sanktionen verhängt. Sie gehen dabei mit historischer Härte und Geschlossenheit vor und hoffen, Russlands Präsidenten Wladimir Putin so zum Einlenken zu bringen. Vonseiten der EU und Deutschland wurden dabei folgende Maßnahmen ergriffen:
- Alle Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der Europäischen Union sind eingefroren
- Die EU hat den Ausschluss von sieben russischen Banken aus dem Finanz-Kommunikationssystem Swift in Kraft gesetzt
- Auch gegen Handel mit russischen Staatsanleihen wird vorgegangen
- Der Luftraum über allen EU-Staaten ist für russische Flugzeuge gesperrt
- Die Bundesregierung hat die sogenannten Hermes-Bürgschaften ausgesetzt und damit deutschen Unternehmen Geschäfte mit Russland erschwert
Doch wie sehr tut all das Russland wirklich weh? Der Wirtschaftsexperte Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche schätzt diese Frage gegenüber watson ein – und erklärt, warum der Westen vor der ultimativen Sanktion noch zurückschreckt.
watson: Wie stark werden die westlichen Sanktionen Russland schaden?
Vasily Astrov: Die Sanktionen sind sehr hart, vor allem das Einfrieren der Hälfte der Devisenreserven der russischen Zentralbank ist ein Einschnitt. Damit hatte Russland wahrscheinlich nicht gerechnet – sonst hätte es diese nicht in westlichen Ländern geparkt. Da der Spielraum für Interventionen geringer geworden ist, muss die russische Zentralbank nun verstärkt auf Maßnahmen wie Kapitalkontrollen zurückgreifen: Ausländer, die in Russland investiert haben, dürfen ihre Anlagen nicht mehr abziehen. Damit soll verhindert werden, dass der russische Rubel noch weiter fällt.
Der Ausschluss russischer Banken vom SWIFT-System ist ebenfalls sehr schmerzhaft, trotz der wichtigen Ausnahmen wie dem Energiesektor. Die Umstellung auf das inländische Zahlungssystem SPFS wird den Inlandszahlungen helfen, aber der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr wird in den kommenden Monaten wahrscheinlich ein Problem sein und den Außenhandel behindern.
Indem die russische Zentralbank den Zinssatz auf 20 Prozent erhöht hat, würgt sie die Nachfrage nach Krediten, insbesondere nach Hypotheken und Verbraucherkrediten, ab. Die Abwertung des Rubel – und die damit verbundene massive Steigerung der Verbraucherpreise – wird die Realeinkommen schmälern. Alles in allem wird eine tiefe wirtschaftliche Rezession in diesem Jahr unvermeidlich sein, auch wenn eine ausgewachsene Finanzkrise noch unwahrscheinlich ist.
"Vor allem das Einfrieren der Hälfte der Devisenreserven der russischen Zentralbank ist ein Einschnitt."
Wirtschaftsexperte Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche
Vasily Astrov forscht in Wien unter anderem zu Fragen der europäischen Energiesicherheit.foto: wiener institut für internationale wirtschaftsvergleiche
Können die Sanktionen den Krieg in der Ukraine beenden?
Nein. Dafür ist die Situation schon zu weit eskaliert. Präsident Putin hat sich bisher fast nie äußerem Druck gebeugt. Außerdem sieht er wahrscheinlich wirklich die historische Chance, die Völker Russlands und der Ukraine "wiederzuvereinen".
Der Krieg wird wahrscheinlich weitergehen, bis Russland gewinnt, und die Grenzen der Ukraine werden infolgedessen mit ziemlicher Sicherheit neu gezogen. Ich vermute, dass die Ost- und die Südukraine unter russischen Einfluss fallen werden.
Welche zusätzlichen Maßnahmen halten Sie für notwendig, um Russland zum Einlenken zu bewegen?
Schwierig zu sagen. Die heftigste Option wird darin bestehen, die russischen Energielieferungen einzuschränken. Dies ist jedoch für die EU kaum akzeptabel, da viele Länder in hohem Maße von russischem Gas abhängig sind.
Größere Zugeständnisse – wie die Anerkennung der Krim als Teil Russlands und/oder die Zustimmung zu einem neutralen Status der Ukraine – würden jedoch wahrscheinlich helfen.
Der Krieg wird wahrscheinlich weitergehen, bis Russland gewinnt, und die Grenzen der Ukraine werden infolgedessen mit ziemlicher Sicherheit neu gezogen.
Wirtschaftsexperte Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche
Was wäre, wenn auch China und Indien Russland sanktionieren würden?
Ich weiß nicht, wie es um Indien steht: Ich denke, es ist als Wirtschaftspartner für Russland nicht wichtig genug. China ja, chinesische Sanktionen würden den Druck auf Russland drastisch erhöhen. Aber China wird das nicht tun – es braucht Russland als potenziellen Partner in seinem Zweikampf mit den USA.
Wer die deutsche Podcast-Landschaft einigermaßen kennt, hat schon mal von "Hotel Matze" gehört. Seit 2016 gibt es das Interview-Format von Matze Hielscher – und man muss schon konzentriert nachdenken, damit einem ein paar angesagte deutsche Promis einfallen, die noch nicht bei ihm zu Gast waren.