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Minsk gleicht Festung: 150.000 protestieren am Sonntag gegen Lukaschenko

In Belarus sind wieder viele Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Lukaschenko zu demonstrieren.
In Belarus sind wieder viele Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Lukaschenko zu demonstrieren. Bild: AP
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Minsk gleicht Festung: 150.000 protestieren am Sonntag gegen Lukaschenko

13.09.2020, 18:46
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Zu Zehntausenden haben Menschen in Belarus (Weißrussland) trotz massiver Polizeigewalt auch gegen Frauen den fünften Sonntag infolge gegen den Machthaber Alexander Lukaschenko protestiert. "Wir haben hier die Macht!", "Das ist unsere Stadt!" und "Uchodi!" – zu Deutsch: "Haub ab!" – und "Freiheit!", skandierten die Lukaschenko-Gegner in Minsk.

Sie kamen aus unterschiedlichen Richtungen im Zentrum zusammen – bei einem Protestzug unter dem Motto "Marsch der Helden". Gewidmet war die Großkundgebung der inhaftierten Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa und anderen Mitgliedern der Demokratiebewegung. Beobachter schätzten die Zahl auf insgesamt 150.000 Menschen – mehr als am Sonntag vor einer Woche.

250 Menschen in Minsk festgenommen worden

Mehr als 250 Menschen seien allein in Minsk festgenommen worden, teilte das Innenministerium am Nachmittag mit. Auch in anderen Städten des Landes gab es Proteste, darunter in Witebsk und in Grodno. In Witebsk ging die Polizei brutal gegen die friedlichen Demonstranten vor. Die Menschen seien wegen Teilnahme an einer nicht genehmigten Massenveranstaltung und wegen des Tragens unerlaubter Symbole in Gewahrsam gekommen, hieß es. In Brest setzten die starken Sicherheitskräfte einen Wasserwerfer gegen die Menschen ein. Viele Demonstranten trugen die historische weiß-rot-weiße Flagge von Belarus, die zu einem Wahrzeichen der Demokratiebewegung geworden ist.

Die Hauptstadt glich einer Festung. Schon Stunden vor Beginn des Marsches bezog ein Großaufgebot von Polizei und Armee Stellung. Die Behörden schalteten das mobile Internet ab, damit sich die Protestierenden nicht über die Demonstrationsroute verständigen konnten. Metrostationen und Unterführungen waren gesperrt. Der Platz der Unabhängigkeit war von Uniformierten umstellt und mit Metallgittern abgeriegelt, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Am Palast der Republik im Stadtzentrum zogen Uniformierte auch Stacheldraht an den Metallgittern auf.

In vielen Seitenstraßen standen Gefangenentransporter und Sicherheitskräfte. In verschiedenen Stadtteilen bildeten die Menschen trotz der bedrohlichen Atmosphäre in der Stadt Kolonnen und bewegten sich in das Stadtzentrum – zur Straße Prospekt der Sieger. Von dort aus bewegte sich der Protestzug in Richtung Präsidentenpalast und zur Stele für die Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs. Auf Luftaufnahmen von der Stelle war eine riesige Menschenmenge zu sehen.

Proteste sollen unterdrückt werden

Es gab Medien zufolge Warnschüsse in dem Viertel, in dem der Präsidentenpalast liegt. Eine Bestätigung der Behörden lag zunächst nicht vor. Dort hatte sich Staatschef Lukaschenko zuletzt auch selbst mit schusssicherer Weste und einer Kalaschnikow in der Hand gezeigt. Der Sicherheitsapparat versucht schon seit Wochen, die Proteste zu unterdrücken. Nach Einschätzung des Minsker Analysten Artjom Schraibman lösen aber vor allem die Polizeigewalt und die Festnahmen immer wieder neue Proteste aus. Dabei seien die Menschen insgesamt friedlich.

Zwar hatte der Machtapparat zuletzt Oppositionelle entweder außer Landes oder ins Gefängnis gebracht. Aber die Menschen bräuchten keine Führung, sondern organisierten sich selbst, sagte die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanokowskaja. Die 38-Jährige ist aus Sicht der Protestbewegung die eigentliche Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August. Tichanowskaja hatte ihre Landsleute aus ihrem erzwungenen Exil im EU-Land Litauen aufgerufen, mutig zu sein und an dem Protestmarsch teilzunehmen.

"Die Frage ist jetzt, ob die Bewegung es schafft, dass Protestgeschehen auf diesem Niveau zu halten."
Politologe Waleri Karbelewitsch

"Aber wenn noch mehr kommen und die Polizeigewalt gegen friedliche Bürger eskaliert, dann kann das Absetzungserscheinungen in der Beamtenschaft verstärken und für Lukaschenko gefährlich werden", sagte der 65-Jährige bei einem Treffen. "Es ist eine Revolution, damit ist alles schwer vorhersehbar."

Seit der Wahl vor mehr als einem Monat kommt es täglich im ganzen Land zu Protestaktionen. Der 66-jährige Lukaschenko hatte zuletzt die Spitze des Sicherheitsapparats ausgewechselt und ein härteres Durchgreifen gegen die Demonstranten gefordert. Bei den traditionell am Samstag organisierten Frauenprotesten gingen maskierte Uniformierte ohne Erkennungszeichen hart mit Gewalt gegen Demonstrantinnen vor. Es gab mehr als 100 Festnahmen. Mehrere Frauen verletzten sich im Handgemenge mit den Sicherheitskräften.

Lukaschenko will an der Macht bleiben

Lukaschenko hat mehrfach betont, dass er auch nach 26 Jahren im Amt alles tun werde, um an der Macht zu bleiben. Der Verfassung nach muss die Amtseinführung innerhalb von zwei Monaten nach der Wahl erfolgen - also bis spätestens 9. Oktober. Offiziell läuft seine fünfte Amtszeit im November aus.

Es wird erwartet, dass sich Lukaschenko bei einem für diesen Montag geplanten Besuch bei seinem russischen Kollegen Wladimir Putin Unterstützung holt und dann das Datum für die sechste Amtseinführung bekannt gibt. Das Treffen ist in Sotschi am Schwarzen Meer geplant.

Putin hatte seinem angeschlagenen Kollegen zuletzt auch Truppen in Aussicht gestellt, sollte die Lage in dem Land mit mehr als neun Millionen Einwohnern zwischen dem EU-Mitglied Polen und Russland eskalieren. Die Streitkräfte Russlands und von Belarus wollen von diesem Montag an elf Tage eine Militärübung abhalten. Geplant ist das Manöver an der Grenze zu Polen.

(lin/dpa)

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