Politik
International

Sudan: In Al-Faschir fließt so viel Blut, dass man es aus dem All sieht

29.10.2025, Sudan, Tawila: Sudanesen, die aus der Stadt Al-Faschir geflohen sind, nachdem sudanesische paramilitärische Kräfte Hunderte von Menschen in der westlichen Region Darfur getötet haben, unte ...
Sudan, Tawila: Diese Frauen konnten aus der Stadt Al-Faschir fliehen.Bild: AP / Muhnnad Adam
International

Sudan: So viel Blut, dass man es aus dem All sieht – was in Al-Faschir geschieht

Satellitenbilder aus dem Sudan zeigen dunkle Flecken im Wüstensand – laut Expert:innen Blut. In Al-Faschir, der Hauptstadt Nord-Darfurs, deutet alles auf systematische Massentötungen hin. Und die Lage verschärft sich täglich.
30.10.2025, 15:1830.10.2025, 15:19

Die Belagerung dauerte eineinhalb Jahre. Dann fiel Al-Faschir, letzte Bastion der sudanesischen Armee im Westen des Landes, an die Miliz Rapid Support Forces (RSF). Seitdem häufen sich Hinweise auf Gräueltaten – und auf ein mögliches Massaker, das sich im digitalen Zeitalter in einem Informationsvakuum vollzieht. Dort gibt es keinen Handyempfang, kein Internet, kaum Zeug:innen. Nur Satellitenbilder und einzelne Stimmen von Überlebenden erreichen die Außenwelt.

Während internationale Diplomatie weitgehend schweigt, warnen Menschenrechtsorganisationen vor einem Völkermord. "Das Ausmaß des Leids, das wir im Sudan erleben, ist unerträglich", sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Montag. Hilfsorganisationen vor Ort rechnen mit Tausenden Toten. Rund 260.000 Menschen, darunter die Hälfte Kinder, sitzen Berichten zufolge in der Stadt fest – ohne Nahrung, ohne Fluchtweg.

Sudan: Satellitenbilder zeigen dunkle Verfärbungen im Sand

Forscher:innen des Humanitarian Research Lab der Yale School of Public Health veröffentlichten am Dienstag Bilder, die weltweit für Entsetzen sorgen. Auf den ersten Blick wirken die Satellitenaufnahmen harmlos: Häuserblöcke, Staubstraßen, spärliche Vegetation. Doch beim Heranzoomen tauchen schmale, 1,3 bis zwei Meter lange Formen auf: Körper, so die Analyse.

An mehreren Orten sind außerdem Fahrzeuge zu sehen, die Straßen blockieren. Daneben: große, dunkle Flecken. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass es sich um Blut im Sand handelt. "Nie zuvor habe ich gelesen, dass es irgendwo so viel Blut gibt, dass man es per Satellit sehen kann", schrieb Journalist Thomas van Linge auf X. "Doch genau das ist nun die Realität in Al-Faschir."

Laut den Yale-Expert:innen ereigneten sich mutmaßliche Massenmorde entlang eines Erdwalls, den die RSF während der Belagerung errichtet hatten, sowie rund um das Saudi Maternity Hospital. Die Weltgesundheitsorganisation berichtete, dort seien mehr als 460 Patient:innen und Angehörige getötet worden.

Stimme aus Al-Faschir: "Sie haben sie direkt vor uns erschossen"

Da die Stadt komplett von Kommunikation abgeschnitten wurde, gibt es kaum direkte Stimmen aus Al-Faschir. Wer entkommen konnte, erzählt von Gewalt und Willkür. Reuters schildert den Fall von Ikram Abdelhameed, die mit ihren Kindern fliehen konnte. An einem Kontrollpunkt hätten RSF-Kämpfer gefordert: "Wir wollen die Soldaten." Als niemand antwortete, seien mehrere Männer ausgewählt und "direkt vor uns erschossen" worden.

Viele, die entkommen, berichten nicht nur von Massakern in der Stadt, sondern auch von Überfällen und Tötungen auf der Flucht. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen spricht von einem "massiven Zustrom" traumatisierter Menschen in das 60 Kilometer entfernte Tawila. Viele seien unterernährt und verletzt.

Bereits vor der Einnahme war die Lage katastrophal: Seit Monaten kamen keine Hilfsgüter mehr in die Stadt. Menschen aßen Tierfutter, so die Deutsche Welle unter Berufung auf Augenzeugen. Marina Peter vom Sudan- und Südsudan-Forum sagte der DW: "Laut unseren Kontakten in die Stadt sterben im Durchschnitt in jeder Stunde drei Kinder."

Sudanese who fled el-Fasher city, after Sudan's paramilitary forces killed hundreds of people in the western Darfur region, carry firewood at their camp in Tawila, Sudan, Wednesday, Oct. 29, 2025 ...
Auch viele Kinder mussten ihr Leben lassen.Bild: AP / Muhnnad Adam

Beobachter:innen warnen seit Langem, dass die RSF nach der Übernahme gezielt ethnische Gruppen ins Visier nimmt. Ähnlich wie 2023 in Al-Dschunaina, wo nach UN-Angaben bis zu 15.000 Massalit getötet worden sein sollen. Der Internationale Gerichtshof sieht Hinweise auf Kriegsverbrechen.

"Die RSF und die mit ihr verbündeten Milizen haben in großem Umfang Zivilist:innen gezielt getötet", heißt es in einem Bericht von Human Rights Watch. Die Organisation dokumentiert außerdem "weit verbreitete sexuelle Gewalt, insbesondere Gruppenvergewaltigungen", sowie Plünderungen und Brandstiftungen. Doch auch die reguläre Armee, die Sudanese Armed Forces (SAF), verübt laut HRW "grausame Übergriffe auf die Zivilbevölkerung".

Sudan: Ein zerrissenes Land – und eine Welt, die wegschaut

Sudan steckt seit 2023 in einem brutalen Machtkampf zwischen Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Kommandeur Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti. Beide haben internationale Verbündete: Die RSF werden laut Recherchen etwa von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt, die Armee erhält Hilfe aus Ländern wie der Türkei und Russland. Sicherheitsexpert:innen nennen zudem Hinweise auf iranische Unterstützung.

Die Einnahme Al-Faschirs könnte den Sudan faktisch teilen: Der Osten steht unter Kontrolle der Armee, der Westen unter Herrschaft der RSF. Human Rights Watch warnt, die Bilder aus Al-Faschir zeigten eine "erschreckende Wahrheit: Die RSF fühlen sich frei, Massenverbrechen zu begehen".

Arjan Hehenkamp vom International Rescue Committee beschreibt bei der DW, was Überlebende berichten: "Die Menschen, die aus Al-Faschir fliehen, kommen aus einer Hölle. Sie haben nichts außer der Kleidung, die sie tragen. Viele sind schwer traumatisiert."

Doch warum fliehen so wenige? Hilfsorganisationen nennen zwei Gründe: RSF-Milizen hindern Menschen an der Ausreise. Gleichzeitig fürchten viele den Weg nach Tawila, wo Überfälle und Erschießungen gemeldet wurden.

"Ohne eine deutliche Ausweitung der humanitären Hilfe wird das Leid weiter zunehmen", so Hehenkamp. Human Rights Watch fordert internationale Maßnahmen, um weitere Massentötungen zu verhindern. Doch während in Gaza und der Ukraine täglich Debatten geführt werden, bleibt Darfur global oft Randnotiz.

Kritische Rohstoffe:
EU will sich von China lösen – die Gründe sind zahlreich
Seltene Erden, Halbleiter, Handelsdruck: Warum Brüssel den Bruch mit Peking wagt – und welche Folgen das hat.
Die EU will raus aus der Rohstoff-Falle mit China. Europas Wirtschaft hängt bei kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden, Halbleitern und Batteriemetallen stark vom Reich der Mitte ab. Doch diese Abhängigkeit wird zunehmend zum Risiko.
Zur Story