Laschet macht es: Das Motiv, mit dem die CDU für den frisch bestimmten Kanzlerkandidaten wirbt. Bild: dpa / Michael Kappeler
Exklusiv
Kritik von JU bis Linksjugend: Wie die Partei-Jugendorganisationen die Entscheidung für Laschet sehen
Die Junge Union fordert mehr Geschlossenheit und ein besseres Verfahren. Jusos und Junge Liberale finden im Kampf um die K-Frage Parallelen zur Corona-Politik. Linksjugend und Grüne Jugend sehen das größte Problem der Union in den jüngsten Korruptionsfällen.
Markus Söder hat die Entscheidung mit vier Wörtern eingeleitet: "Die Würfel sind gefallen". Söders Konkurrent Armin Laschet wird gemeinsamer Kanzlerkandidat von CDU und CSU, er soll der Nachfolger Angela Merkels werden. In den Tagen davor hatten sich Söder und Laschet ein denkwürdiges politisches Gefecht geleistet, auf Fraktions- und Präsidiumssitzungen, in Interviews und Pressekonferenzen.
Wie geht es jetzt weiter? Welche Auswirkungen hat der Zweikampf auf die Politik in Deutschland? Watson hat die Statements von Spitzenvertretern der größten Partei-Jugendorganisationen gesammelt, von Junger Union bis Linksjugend.
Tilman Kuban, Junge Union: "Kein Bild eines Wahlsiegers"
Tilman Kuban ist seit März 2019 Bundesvorsitzender der Jungen Union. Bild: dpa / Lino Mirgeler
Die Junge Union (JU), die Jugendorganisation von CDU und CSU, hatte sich zuletzt mehrheitlich für Markus Söder als Kanzlerkandidaten ausgesprochen. Der JU-Bundesvorsitzende Tilman Kuban bekräftigte diesen Standpunkt am vergangenen Sonntag noch einmal im Interview mit "Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni. Dabei war Kuban wenige Tage zuvor zunächst selbst für Laschet eingetreten und hatte eine schnelle Lösung gefordert.
Am Tag der Entscheidung äußert sich Kuban in einem Facebook-Post diplomatisch über den Beschluss zu Laschet. Er schreibt darin zunächst:
"Markus Söder hat gesagt, dass er sich für den Zuspruch der Jungen und Modernen bedankt und wir danken ihm für sein Angebot. Die Mehrheit der Landesverbände und unserer Mitglieder der Jungen Union hätten sich Markus Söder als Kanzlerkandidaten gewünscht. Diese Position haben wir in allen Gremien vertreten. Wir haben aber auch immer klargemacht, dass wir als Junge Union Deutschlands gemeinsam mit und für den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU in den Wahlkampf ziehen. Das ist seit heute Armin Laschet."
Laschet müsse "jetzt beweisen, dass er zusammenführen kann und es keine Verlierer in der Union gibt". Dann äußert Kuban Kritik an der CDU:
"Das Bild des gestrigen Abends war kein Bild eines Wahlsiegers und so können wir nicht in den Wahlkampf ziehen – organisatorisch und im parteiinternen Umgang. Hier muss besonders auch die CDU besser werden."
Er schließt mit einem Appell: Man werde die kommende Bundestagswahl nur gewinnen, "wenn wir als Union geschlossen auftreten".
Eine Anfrage von watson nach einem weiteren Kommentar ließ die Junge Union unbeantwortet.
Jessica Rosenthal, Jusos: "Ego-Show, die dem Land massiv geschadet hat"
Jessica Rosenthal, seit Januar 2021 Vorsitzende der Jusos. Bild: imago images / Thomas Trutschel/photothek.de
Die Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos, Jessica Rosenthal, gratuliert Armin Laschet gegenüber watson zunächst zu seiner Wahl.
Dann attackiert sie den Machtkampf zwischen den beiden möglichen Kanzlerkandidaten – und Laschets Politik:
"Es ist das Ergebnis einer monatelangen Ego-Show zweier Ministerpräsidenten, die dem Land und unserer Demokratie massiv geschadet hat. Während in NRW die Inzidenzwerte enorm steigen und das Schul-Chaos eine erneute Zuspitzung erfahren hat, mussten 18 Millionen Menschen in NRW in dieser Hochphase der Corona-Krise unter dem Nichthandeln des Regierungschefs leiden."
Rosenthal sieht darin ein Symptom für den grundsätzlichen Zustand von CDU und CSU. Wörtlich meint sie:
"All das unterstreicht, was der Korruptionsskandal rund um die Maskenbeschaffung längst konturenscharf aufgedeckt hat: Der Union ist das eigene Hemd stets am nächsten, für den Machterhalt ist kein Preis zu hoch. Inhaltliche Angebote für die Bekämpfung der Pandemie, aber vor allem für die Zukunft dieses Landes sucht man vergebens. Gerade deshalb werden wir mit ganzer Kraft für progressive Mehrheiten kämpfen."
Jens Teutrine, Junge Liberale: "Das Ganze erinnert stark an das Corona-Management der Bundesregierung"
Jens Teutrine, seit August 2020 Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen. bild: junge liberale
Dem Bundesvorsitzenden der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale, Jens Teutrine, stößt der Entscheidungsprozess bei CDU und CSU ebenfalls auf. Er meint gegenüber watson:
"Armin Laschet hat sich zwar gegen Markus Söder durchgesetzt, aber der gesamte Verlauf bis zur gestrigen Wahl um Mitternacht im CDU-Bundesvorstand war unstrukturiert, chaotisch und einer Nominierung eines Kanzlerkandidaten in Zeiten einer Pandemie unwürdig."
Teutrine sieht darin eine Parallele zu der aus seiner Sicht schlechten Corona-Politik der Bundesregierung:
"Das Ganze erinnert stark an das Corona-Management der Bundesregierung. Besonders bezeichnend ist allerdings, dass es bei der gesamten Auseinandersetzung nicht um die Frage ging, in welche Richtung sich unser Land in den nächsten Jahren entwickeln soll. Statt über die Zukunftsfragen zu diskutieren, ging es ausschließlich um Macht als Selbstzweck. Wir Freien Demokraten haben zwar keinen Kanzlerkandidaten, aber im Gegensatz zur CDU ein Wahlprogramm und Antworten auf die drängenden Fragen der Zukunft: Deutschland fit machen für die Zeit nach Corona, Bildungssystem modernisieren, Freiheitsrechte wieder stärken, Staat und Behörden ein Update verpassen, Digitalisierung vorantreiben, Wirtschaftswachstum pushen und vieles mehr. Gut, dass im September Bundestagswahlen sind."
Maximilian Schulz, Linksjugend: "Für Laschet hat sich eine Clique der Mächtigen ausgesprochen"
Maximilian Schulz, seit April 2019 einer der Bundessprecher der Linksjugend.bild: linksjugend
Maximilian Schulz ist einer von acht Bundessprecherinnen und Bundessprechern der Linksjugend, der Jugendorganisationen der Linken. Dass um die Kanzlerkandidatur gestritten wurde, hält Schulz nicht für problematisch. Sondern eher, dass es ohne Beteiligung der Parteibasis geschehen ist. Schulz wörtlich:
"Um eine Nominierung oder ein Amt zu streiten ist zunächst etwas sehr Demokratisches - im Fall von Söder und Laschet rangen die Vertreter zweier Machtblöcke und das Ergebnis stand im Gegensatz zur Nominierung der Grünen immerhin noch nicht vorher fest. Demokratische Prozesse leben vom Gegensatzpaar von Konflikt und Vermittlung. Schädlich für ein Vertrauen in die Demokratie ist also nicht der Streit an sich, sondern wie dieser entschieden wurde. Die Meinung der CDU-Basis spielte hier quasi keine Rolle – im Gegensatz zur Wahl für den CDU-Vorsitz, wo auf einem Parteitag abgestimmt wurde. Die Nominierung Laschets offenbart einen toten Winkel in der repräsentativen Demokratie. Für Laschet hat sich eine Clique der Mächtigen ausgesprochen – das ist keine gute Basis für eine Kanzlerkandidatur."
"Nun muss ein Politiker mit Korruptionsverdacht das Korruptionsproblem seiner Partei lösen."
Der Zustand von CDU und CSU ist nach Schulz' Ansicht desaströs. Er meint dazu:
"Das Ringen um Vorsitz und Kanzlerkandidatur ist zwar entschieden, nachdem Söder das Ergebnis anerkannt hat, aber es hat die gebeutelte CDU weiter gespalten. Die CDU ist nun endgültig nur noch ein Schlachtfeld der Einzelinteressen. Diese CDU, wo sich nicht zuletzt durch Korruption jede und jeder selbst am nächsten ist, wird sich bis zu den Bundestagswahlen kaum aus ihrer Lähmung befreien können. Es bleibt zu fragen, ob Laschet in seinem Machtpoker daran gedacht hat, dass am Ende noch genug Basis übrig ist, um seine Wahlplakate aufzuhängen."
Georg Kurz, Grüne Jugend: "Kontrast zwischen Grünen und Union könnte nicht größer sein"
Georg Kurz, seit November 2019 einer der beiden Bundessprecher der Grünen Jugend. bild: elias keilhauer
Auf die Fälle mutmaßlicher Korruption innerhalb der Union bezieht sich auch Georg Kurz, einer der beiden Bundessprecher der Grünen Jugend, der Jugendorganisation von Bündnis 90/Die Grünen. Er meint gegenüber watson mit Blick auf die Kanzlerkandidatenkür bei CDU und CSU:
"Auch wenn es mit Sicherheit keine vertrauensbildende Maßnahme war: Gift für das Vertrauen in die Demokratie sind vor allem die Korruptionsfälle der letzten Wochen. Während offensichtlich notwendiges Handeln bei Pandemiebekämpfung und Corona-Hilfen einfach verschleppt wird, wurden immer neue Bestechungsfälle öffentlich. Teile der Union benehmen sich, als würde der Staat ihnen persönlich gehören. Da hat sich bei vielen Menschen der Eindruck verfestigt, dass 'die Politiker' den eigenen Geldbeutel über gesellschaftliche Interessen stellen. Die Umfrageverluste der Union haben nicht zufällig direkt bei der AfD eingezahlt."
CDU und CSU sieht Kurz nach dem Machtkampf zwischen Laschet und Söder in einem schlechten Zustand. Er positioniert sich gegen eine Koalition der Grünen mit der Union nach der kommenden Bundestagswahl (so, wie das seine Ko-Vorsitzende Anna Peters im watson-Interview zur Kandidatur von Grünen-Chefin Annalena Baerbock getan hatte):
"Der Kontrast zwischen Grünen und Union könnte nicht größer sein. Dass die Union nicht einmal mehr innerparteiliche Verfahrensfragen geregelt bekommt, ist aber nur ein kleiner Teil des Problems: Vor allem ist sie auch inhaltlich in einem miserablen Zustand. Sie hat keine Antworten auf die Krisen unserer Zeit zu bieten. Im Gegenteil: Wir rasen ungebremst und ungeimpft in die dritte Welle, dringend benötigte Hilfen für arme Familien werden blockiert und den Klimaschutz sabotiert die Union, wo sie nur kann. Mit diesem Laden ist einfach keine Zukunft zu machen. Wir werden deshalb die kommenden Monate nutzen, um Mehrheiten gegen CDU/CSU zu organisieren. Der Gang in die Opposition würde nicht nur unserer Gesellschaft, sondern auch der Union selbst guttun."
Scholz oder Pistorius? Debatte um SPD-Kanzlerkandidaten nimmt kein Ende
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Ganz anders als sein Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz. Der will trotzdem Kanzlerkandidat seiner Partei werden.