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Russland mit tödlicher Taktik gegen Ukraine: Kritik an Schwachstelle

In this photo provided by Ukraine's 65th Mechanized Brigade press service, recruits attend drills at a training ground in the Zaporizhzhia region, Ukraine, Saturday, Oct. 11, 2025. (Andriy Andriy ...
Werden auf ukrainischen Übungsplätzen krasse Fehler begangen?Bild: Ukrainian 65 Mechanized brigade / Andriy Andriyenko
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Russland mit tödlicher Attacke: Kritik an ukrainischer Schwachstelle

Die Ukraine hat seit Jahren alle Hände voll zu tun mit russischen Angriffen auf vielen Ebenen und an vielen Orten. Nun wird Kritik innerhalb der Armee laut, dass ein Bereich nicht ausreichend geschützt ist – mit tödlichen Folgen.
18.10.2025, 14:5718.10.2025, 14:57

Russlands Luftangriffe sind schon lange das sehr viel effektivere Mittel gegen die ukrainische Verteidigung als der Einsatz der Bodentruppen. Mit Drohnen und Raketen reichen die Angriffe der russischen Armee bis nach Kiew und richten dort massiven Schaden an Menschen, Infrastruktur und der ukrainischen Psyche an.

Doch auch an anderen Stellen treffen russische Luftangriffe die Ukraine hart, fordern Menschenleben – und sorgen für Diskussionen innerhalb der Armee der Getroffenen.

Derzeit werden etwa Stimmen laut, die sagen, dass die Verteidigung vor allem eines Bereichs nicht ausreichend ist: Es geht um die Truppenübungsplätze, dort, wo Rekrut:innen für den Kampf ausgebildet werden.

Russland greift erneut Übungsplätze in Ukraine an

Die Kritik flammt nach einem aktuellen Angriff Russlands auf: Am Morgen des 16. Oktober traf nach ukrainischen Infos ein russischer Raketenangriff ein nicht näher benanntes Trainingsgelände in der Ukraine und forderte erneut Opfer.

Die genaue Zahl der Opfer wurde danach nicht öffentlich. Es ist der jüngste Vorfall in einer Reihe von Angriffen auf militärische Ausbildungsstätten, die in den letzten Monaten immer wieder Ziel russischer Raketen waren.

Die wiederholten Angriffe werfen ein Schlaglicht auf die Sicherheitsvorkehrungen der ukrainischen Armee, wie der "Kyiv Independent" schreibt.

Die Generalstabsführung kündigte demnach eine Untersuchung und Analyse der Angriffe auf die Trainingsgelände an. Kritiker:innen, darunter auch hochrangige Militärs, bemängeln dem Portal gegenüber, dass es an einer effektiven Luftverteidigung für die Trainingszentren mangele.

"Trainingszentren sind militärische Einrichtungen, die durch Luftverteidigungskräfte geschützt werden sollten", sagt demnach Oberstleutnant Bohdan Krotevych, ehemaliger Stabschef der Azov-Brigade. "So sollte das System funktionieren, aber es gibt momentan überhaupt kein System in den ukrainischen Streitkräften."

Krotevych gilt laut "Kyiv Independent" schon länger als einer der schärfsten Kritiker:innen des ukrainischen Armeekommandos. Er wirft der Führung auch in diesem Fall Missmanagement und Nachlässigkeit vor. Verantwortlich sei ihm zufolge Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyi, da er "direkt dafür verantwortlich" sei, ein solches System aufzubauen "und dessen Existenz und Effektivität zu kontrollieren".

Ukraine-Armee: "jede Woche ein Treffer" – Problem aus Sowjetzeit?

Ein zentrales Problem der ukrainischen Armee ist demnach die Abhängigkeit von alten sowjetischen Trainingsgeländen, die oft in der Nähe der Front oder der russischen Grenze liegen. Diese Einrichtungen sind nicht nur veraltet, sondern auch schlecht geschützt.

Hinzu komme ein stures Festhalten an sowjetischen Strukturen in der militärischen Führung, die laut Kritiker:innen die Fähigkeit der Armee beeinträchtigt, aus Fehlern zu lernen und Verantwortung zu übernehmen. "Disziplin, die aus der Sowjetzeit stammt, ist ein schreckliches Unglück für die ukrainische Armee", sagt etwa Oleksandr, ein ehemaliger Ausbilder an einem Trainingszentrum nahe der russischen Grenze.

Oleksandr, der bis Juni an einem dieser Zentren arbeitete, beschreibt die ständige Bedrohung durch russische Angriffe: "Jede Woche gibt es irgendeinen Treffer."

Trotz der regelmäßigen Angriffe habe es an seinem Standort bis zu seinem Weggang keine Opfer gegeben, was er auf Maßnahmen wie Anti-Drohnen-Einheiten, Tarnung und das Vermeiden von großen Versammlungen zurückführt.

Ukraine-Experte: Russlands Angriffe kaum zu verteidigen

Dennoch blieben die Rekrut:innen verwundbar, da ihnen oft die Erfahrung fehle, um die Geräusche von ankommenden Raketen oder Drohnen zu erkennen.

Trotz der offensichtlichen Risiken hält Oleksandr daran fest, dass die Nutzung der sowjetischen Trainingsgelände derzeit die praktikabelste Option sei. Der Bau neuer, moderner Einrichtungen würde nicht nur viel Zeit, sondern auch erhebliche finanzielle Mittel erfordern – Ressourcen, die die Ukraine inmitten des Krieges nicht hat.

Glen Grant, ein pensionierter britischer Oberstleutnant, der das ukrainische Verteidigungsministerium zwischen 2014 und 2018 beraten hat, sieht die Problematik gegenüber dem "Kyiv Independent" differenziert. "Wenn [russische Streitkräfte] ein Trainingsgelände ins Visier nehmen, wird es fast sicher Tote geben", erklärt Grant. Bei großen Menschenmengen seien Verluste kaum zu vermeiden.

Grant betont, dass die Verantwortung für die Sicherheit der Rekrut:innen nicht allein bei den Kommandeuren vor Ort liege. Zwar spiele die Qualität der Führung eine Rolle, doch gebe es Grenzen, wie weit sich die Soldat:innen bei bestimmten Übungen verteilen könnten.

Einige Manöver erforderten schlichtweg größere Gruppen von Soldat:innen und Ausbilder:innen. Laut Grant sei es eben einfach schwierig, eine Balance zwischen effektiver Ausbildung und maximaler Sicherheit zu finden – eine Aufgabe, die in einem Krieg von dieser Intensität besonders schwierig sei.

Russland mit tödlicher Attacke: Kritik an ukrainischer Schwachstelle
Die Ukraine hat seit Jahren alle Hände voll zu tun mit russischen Angriffen auf vielen Ebenen und an vielen Orten. Nun wird Kritik innerhalb der Armee laut, dass ein Bereich nicht ausreichend geschützt ist – mit tödlichen Folgen.
Russlands Luftangriffe sind schon lange das sehr viel effektivere Mittel gegen die ukrainische Verteidigung als der Einsatz der Bodentruppen. Mit Drohnen und Raketen reichen die Angriffe der russischen Armee bis nach Kiew und richten dort massiven Schaden an Menschen, Infrastruktur und der ukrainischen Psyche an.
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