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Sanktionen, Drohungen, Forderungen: So reagiert die Weltpolitik auf Putins Vorgehen

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Wladimir Putin sitzt an seinem 6-Meter-Tisch im Kreml.Bild: imago images / Mikhail Klimentyev
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Sanktionen, Drohungen, Forderungen: So reagiert die Weltpolitik auf Putins Vorgehen

22.02.2022, 17:2722.02.2022, 17:57
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Am Montagabend schockiert der russische Staatspräsident Wladimir Putin die ganze Welt, als er die umkämpften Separatisten-Gebiete Luhanks und Donezk als "Volksrepubliken" anerkennt. Eine folgenschwere Entscheidung, die es Putin in seiner Logik ermöglicht, Truppen über die Grenzen zu schicken – um, wie er es nennt, "für den Frieden" zu sorgen. Dass diese Entscheidung nicht unbeantwortet bleibt, konnte sich der russische Präsident selbst denken. In seiner Rede am Montagabend sprach er selbst noch davon, dass Sanktionen gegen Russland "sowieso kommen" würden – und sie kommen.

Wie die Weltpolitik auf Putins Entscheidung reagiert und welche Sanktionen bereits beschlossen wurden – oder noch kommen werden, haben wir hier für euch zusammengefasst:

Nato-Generalsekretär: "Eine weitere Invasion eines Landes, das bereits überfallen wurde"

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte den deutschen Stopp des Genehmigungsverfahrens für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2. Das sagte er am Dienstag nach einem Sondertreffen der Nato-Ukraine-Kommission in Brüssel. Zugleich verurteilte Stoltenberg die Entscheidung Russlands zur Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sowie "den weiteren russischen Einmarsch in die Ukraine".

Russland sei nun von verdeckten Versuchen, die Ukraine zu destabilisieren, zu offenen militärischen Aktionen übergegangen. "Das ist eine ernsthafte Eskalation Russlands", sagte Stoltenberg. Er sprach vom "gefährlichsten Moment für die europäische Sicherheit seit einer Generation".

Auf die Frage, ob er das russische Vorgehen als Invasion bezeichnen würde, antwortete Stoltenberg, dass Russland die Ukraine bereits 2014 überfallen habe. Nun sehe man eine weitere Invasion eines Landes, das bereits überfallen worden sei.

Scholz stoppt Nord Stream 2 – ist aber weiterhin gegen Waffenlieferung an Ukraine

Bundeskanzler Scholz (SPD) hatte zuvor am Dienstagmittag den Stopp der Zertifizierung der ohnehin schon umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 angekündigt. "Und ohne diese Zertifizierung kann Nord Stream 2 ja nicht in Betrieb gehen", sagte Scholz. Der Bundeskanzler warf Putin einen "schwerwiegenden Bruch des Völkerrechts" vor und warnte, der russische Präsident wolle "möglicherweise die gesamte Ukraine" besetzen. Gleichzeitig mahnte Scholz, die diplomatischen Kanäle offenzuhalten.

Eine Waffenlieferung an die Ukraine lehnt Scholz weiterhin entschieden ab. "Das ist eine unveränderte Situation", sagte er am Dienstag in Berlin. "Das, was wir machen, ist, die ökonomische und wirtschaftliche Resilienz der Ukraine zu stärken, indem wir unverändert der größte finanzielle Stabilisator der Ukraine sind. Und das werden wir auch bleiben."

Klingbeil findet deutliche Worte für Putin

Russland solle die "Entschlossenheit der Europäischen Union nicht unterschätzen", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil im Hinblick auf gemeinsame Sanktionen von der EU und der USA. Klingbeil unterstrich den Ernst der Lage:

"Wir sind in einer Situation, die mitten auf dem europäischen Kontinent stattfindet, die bedrohlich ist, die auch unser Leben, auch die Art und Weise, wie wir sprechen, wie wir leben, verändern kann."

Scholz zeigte sich zuversichtlich über einen gemeinsamen EU-Beschluss zu Sanktionen gegen Russland. Die EU und USA kündigten erste Strafmaßnahmen noch für Dienstag an. Die Beratungen hierzu laufen noch. Auch die Bundesregierung will über die Russland-Krise im Bundestag beraten.

EU-Kommission schlägt unerwartet scharfe Sanktionen vor

Die EU-Kommission schlug unerwartet scharfe Sanktionen gegen Russland vor. Ein am Dienstag den Mitgliedstaaten präsentierter Entwurf sieht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vor, den Handel mit russischen Staatsanleihen zu verbieten, um eine Refinanzierung des russischen Staates zu erschweren. Zudem sollen mehrere Hundert Personen und Unternehmen auf die EU-Sanktionsliste kommen.

Darunter wären nach Angaben von Diplomaten rund 350 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die russische Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk in der Ostukraine gestimmt haben, aber auch Banken, die in der Ostukraine Geschäfte machen. Auch sollen die Freihandelsregelungen der EU mit der Ukraine nicht mehr für die Gebiete in der Ostukraine gelten. Von Personen, Organisationen und Unternehmen, die auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, werden sämtliche in der EU vorhandenen Vermögenswerte eingefroren. Zudem dürfen gelistete Personen nicht mehr in die EU einreisen und mit den Betroffenen dürfen auch keine Geschäfte mehr gemacht werden.

Ziel der Finanzsanktionen ist es, den Zugang Russlands zu den Kapital- und Finanzmärkten sowie Finanzdienstleistungen der EU ins Visier zu nehmen, um "die Finanzierung eskalierender und aggressiver Maßnahmen zu begrenzen". Von den russischen Banken sollen diejenigen bestraft werden, die an der Finanzierung russischer Militäroperationen und andere Maßnahmen in den Separatistengebieten beteiligt sind.

Eine politische Entscheidung über das Sanktionspaket könnte nach Angaben aus EU-Kreisen bereits am späten Dienstagnachmittag bei einem informellen Sondertreffen der Außenminister der EU-Staaten in Paris getroffen werden. Der formelle Beschluss würde dann im Anschluss im schriftlichen Verfahren gefasst.

Johnson kündigt "Trommelfeuer" an Wirtschaftssanktionen an

Auch der britische Premierminister Boris Johnson kündigte ein erstes "Trommelfeuer" an Wirtschaftssanktionen an, die Russlands Interessen hart treffen dürften. Noch am selben Tag werden in London die ersten Sanktionen verhängt: Fünf russische Banken sowie drei wohlhabende russische Staatsbürger mit gezielten Sanktionen werden belegt. Deren Vermögen in Großbritannien werde eingefroren und Reisen nach Großbritannien unterbunden. Das sei nur die erste Tranche an Sanktionen, betonte Johnson. Der Premier warnte: "Wir müssen uns auf die nächsten Schritte von Putins Plan einstellen."

Russland-Krise setzt UEFA und DFB unter Druck

Der Sport tut sich mit Sanktionen gegen Russland aufgrund großer Abhängigkeiten schwer – doch der Druck auf die Spitzenverbände steigt. "Die UEFA beobachtet die Situation ständig und genau", teilte die Europäische Fußball-Union (UEFA) auf SID-Anfrage mit. Eine Antwort, die sie schon vor Tagen auch der "Sportchau" gegeben hatten, noch bevor die Lage dermaßen eskalierte. Das Champions-League-Finale soll am 28. Mai in St. Petersburg stattfinden – und sorgte schon vorher für Zündstoff, da das Thema schon längst zum Politikum geworden war.

Es gebe "keine Chance, ein Fußballturnier in einem Russland zu veranstalten, das souveräne Länder angreift", sagte der britische Premierminister Johnson am Dienstag im Unterhaus in London. "In diesem kritischen Moment ist es absolut wichtig, dass Präsident Putin versteht, dass das, was er tut, eine Katastrophe für Russland sein wird", sagte Johnson weiter.

Auch der Deutsche Fußball-Bund ist in Alarmbereitschaft versetzt. Denn der russische Staatskonzern Gazprom zählt zu den Großsponsoren der UEFA, die auch die nächste Europameisterschaft hierzulande präsentieren werden. "Es ist eine sehr heikle Situation, die sich stündlich ändern kann und die wir natürlich alle im Blick haben", sagte DFB-Interimspräsident Rainer Koch der Sportschau.

Und Putin? Er lässt sich von Sanktionen nicht abschrecken

Aber Putin macht seit langem deutlich, dass ihn Sanktionen des Westens nicht im Geringsten jucken. Er meint, dass die USA und die EU ohnehin immer einen Vorwand für Strafmaßnahmen fänden. Das Land werde dadurch aber nur stärker. Putin hatte schon nach der Krim-Annexion deutlich gemacht, dass Russland sein Verhalten durch den Druck des Westens nicht ändere.

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Putin traf sich am Dienstag mit dem aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijew in Moskau.Bild: imago images / Mikhail Klimentyev

Er behauptet, dass er mit seinem aggressiven Vorgehen nicht die Wiederherstellung eines russischen Großreichs anstrebt. "Wir haben Spekulationen vernommen, dass Russland sich anschicke, wieder ein Imperium zu errichten", sagte Putin am Dienstag bei einem Treffen mit dem aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijew in Moskau. "Das entspricht in keiner Weise der Realität."

Stattdessen gibt sich der Kreml laut dem russischen Außenminister Sergej Lawrow weiterhin gesprächsbereit. "Selbst in den schwierigsten Momenten sagen wir: Wir sind zu Verhandlungen bereit", erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums. Denn ursprünglich hätten Lawrow und US-Außenminister Anthony Blinken am Donnerstag persönlich zu einem Gespräch in Genf zusammenkommen sollen. Dieses Treffen steht nun allerdings in den Sternen.

Welche Sanktionen vor allem von der EU und den USA sonst noch verhängt werden, bleibt abzuwarten.

(mit Material von dpa)

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