Die Aktion Kasachstans auf ukrainischen Boden dürfte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin so gar nicht passen. Bild: Pool Sputnik Kremlin / Mikhail Klimentyev
Analyse
Kasachstan hilft mit einer besonderen Aktion den Menschen auf ukrainischem Boden. Das dürfte den russischen Präsidenten Wladimir Putin wohl rasend machen. Schließlich galt Kasachstan lange als sein enger Verbündeter. Seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich das Blatt gewendet.
Früher galten der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew und Putin als enge Verbündete. Bild: IMAGO / ITAR-TASS
Kasachstan lehnt sich gegen Russland auf
Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew sprach sich gleich zu Beginn gegen den Krieg aus. Dies sorgte für große Spannungen zwischen den beiden Ländern. "Putin hat diese Region nie als einen Ort angesehen, den er in absehbarer Zeit verlieren könnte", sagt Zentralasien-Experte Temur Umarov im Gespräch mit watson. Der Politikwissenschaftler forscht an der Carnegie Stiftung für "Internationalen Frieden".
Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat viele Kasach:innen aufgerüttelt. Das beobachtet auch der Sozialwissenschaftler Azamat Junisbai vom Pitzer College in Kalifornien. Selbst jene, die vorher nichts mit Politik am Hut hatten, seien am Geschehen interessiert. "Denn es ist so real: Es hätte auch Kasachstan sein können oder wir könnten die nächsten sein", sagt der gebürtige Kasache gegenüber watson.
Eine ältere Frau steht vor den Trümmern ihres Hauses in der Ukraine. Der Krieg bringt den Menschen viel Leid.Bild: AP / Andriy Andriyenko
Kasachen entfachen einen Funken Menschlichkeit im Kriegsgebiet Ukraine
Kein Wunder, dass Kasachstan seither versucht, sich von Russland zu lösen, wo immer es möglich ist. Dabei testet es immer wieder die Grenzen Putins aus. Wie auch jetzt mit einer außergewöhnlichen Aktion, mit der sich kasachische und ukrainische Menschen nahe kommen – inmitten eines vom Krieg gekennzeichneten Alltages.
Kasachstan errichtete zwei "Jurten der Unbesiegbarkeit" in den ukrainischen Städten Butscha und Kiew. Laut dem Zentralasien-Experten Umarov sollen demnächst noch weitere Zelte in Städten der Ukraine aufgestellt werden. Und wie reagiert der Kreml darauf?
"Russland ist wütend durch einen weiteren 'Stich in den Rücken' eines Verbündeten", schreibt Umarov auf Twitter. Ihm zufolge verstehe Moskau nicht, dass die russische Aggression die beiden Länder immer enger aneinander bringe.
"Der erste Jurte in Butscha provozierte eine wütende Reaktion aus Russland, also beschlossen sie, einen zweiten aufzustellen", schreibt Bakhti Nishanov auf Twitter. Er arbeitet als Berater bei der "U.S. Commission on Security and Cooperation in Europe". Es sei ein Ort, an dem sich Menschen in der Ukraine ausruhen und aufwärmen, Tee trinken und ihre Telefone aufladen.
"Jurten der Unbesiegbarkeit" – die Idee dazu stammt von einem Ukrainer
Die Idee zu den "Jurten der Unbesiegbarkeit" stammt von dem ukrainischen Abgeordneten Serhii Nagornyak, dem Leiter der Regierungsinstitution von "Werchowna Rada" für interparlamentarische Beziehungen zu Kasachstan.
Die Initiative wurde auch von der "Kasachischen Diaspora" unterstützt. Ein kollektiver Begriff für Menschen kasachischer Abstammung, die in verschiedenen Ländern außerhalb Kasachstans leben. "Mehr als 60.000 ethnische Kasachen leben in der Ukraine und mehr als 300.000 Ukrainer leben in Kasachstan", erklärt Umarov auf Twitter. In den 1920er Jahren lebten über 1,3 Millionen Ukrainer in dem zentralasiatischen Land.
Tausende Familien bilden ihm zufolge das Rückgrat der ukrainischen und kasachischen Beziehung. Ein Bund – den wohl Russland unterschätzt hat. Der Kreml reagiert ziemlich angesäuert auf die Jurten.
Russland verlangt eine Erklärung Kasachstans zu den Jurten
Weiter erklärt Umarov via Twitter: "Obwohl es sich nicht um eine Initiative auf staatlicher Ebene handelt, reagierte Russland so, als ob es eine solche wäre." Die russische Pressesprecherin Maria Zakharova habe ihm zufolge verlauten lassen: "Um eine weitere Abwicklung dieses für die russisch-kasachische Allianz schädlichen Themas zu vermeiden, ist ein offizieller Kommentar unserer Freunde sehr wünschenswert."
Darauf folgt eine Antwort vom kasachischen Außenministerium.
Kasachstans antwortet auf Russlands Empörung: "Na und?"
Der Vertreter des Außenministeriums von Kasachstan, Aibek Smadiyarov, antwortet auf Zakharovas Worten kurz mit einem "Na und?"
Smadiyarov sagt weiter:
"Das ist eine Initiative privater kasachischer Unternehmen. Wir können sie nicht aufhalten. Sie haben es selbst zusammengebaut, geliefert und aufgebaut. Wir sehen hier keine Probleme."
Kasachstan tritt mit einer neuen Gelassenheit auf, die Putin wohl allmählich Angst macht. Denn schließlich gleitet Russland gerade ein wichtiger, strategischer Verbündeter aus den Händen.
Der Krieg in der Ukraine hat einen Graben zwischen Kasachstan und Russland gezogen. Bild: Pool Sputnik Kremlin / Mikhail Klimentyev
Der gebürtige Kasache Junisbai hat sich in seinem Land umgehört und viele Menschen haben ihm gesagt: "Die Ukrainer kämpfen auch für uns Kasachen." Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dem kasachischen Volk vor Augen geführt: Es hätte auch uns treffen können.
Nach der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten herrscht viel Ungewissheit darüber, wie es jetzt mit der Ukraine weitergeht. Es gibt nicht unbegründete Ängste davor, Trump könne dem Land bald den Geldhahn zudrehen.