6. Januar 2021 – ein schwarzer Tag für die USA.
Der Sturm auf das Kapitol in Washington markiert einen Tiefpunkt für Amerika. Radikale Trump-Anhänger:innen stürmten das Gebäude, das sinnbildlich für die Demokratie und Freiheit des Landes steht.
Und dann das: "Wir sind näher am Bürgerkrieg als irgendjemand von uns glauben möchte", verkündete die Politikwissenschaftlerin Barabara F. Walter – rund ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol. Ihre Kollegen:innen hielten sie für verrückt. Das verriet Walter vor Kurzem in einem Podcast mit der "Washington Post".
Übertreibt die Professorin?
Wohl eher nicht.
"Die Gefahr politischer Gewalt in den USA ist sehr hoch", sagt Thomas Greven im Gespräch mit watson. Er ist Redakteur bei der Fachzeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik" sowie Privatdozent für Politikwissenschaft am Kennedy-Institut der FU Berlin.
Diese Gefahr steigt laut Greven weiter an. Grund dafür sei der Versuch des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, juristische Verfahren gegen ihn als Teil einer "Hexenjagd" zu stilisieren. "Damit will Trump seine – zum Teil bis an die Zähne bewaffneten – Anhänger mobilisieren", erklärt Greven.
Derzeit ginge es vor allem um drohende Angriffe durch die MAGA-Republikaner auf den Staat. MAGA steht für Trumps früheres Wahlkampfmotto "Make America Great Again" (auf Deutsch etwa: "Macht Amerika wieder großartig"). Ob es tatsächlich zu einem Bürgerkrieg kommt, hängt laut Greven von vielen Faktoren ab, aber die Gefahr ist real.
Die Professorin Walter gehört auch dem CIA-Beratungsgremium "Political Instability Task Force" an, wo sie Bürgerkriege in anderen Länder prognostiziert. Gegenüber der "Washington Post" erklärt sie, welche Faktoren für die Prognose eines potenziellen Bürgerkrieges einbezogen werden. Faktoren wie Armut, Einkommensungleichheit und die ethnische und religiöse Vielfalt eines Landes seien hier relevant.
Aus diesen Daten rückten zwei Faktoren in den Vordergrund, die laut Walter als Warnzeichen für einen Bürgerkrieg gelten:
Das habe Walter über Jahrzehnte in der Welt gesehen. Bis sie eines Tages erkannt hat: Diese beiden Faktoren tauchen auch in ihrem eigenen Land auf und die Leute wissen nicht, was diese Warnzeichen bedeuten.
Unter die Variable "Fraktionismus" fielen unter anderem die MAGA-Republikaner.
Greven zufolge ist unklar, wie gut der US-Staat auf die wachsenden Drohungen seitens der MAGA-Republikaner vorbereitet ist. "Zumal es in der Polizei und in den Sicherheitskräften viele Anhänger von Trump gibt", warnt Greven. Auch blickt er mit Sorge auf die kommenden Wahlen in den USA.
Für Greven ist es zunehmend unklar, ob in republikanisch dominierten Staaten Wahlen noch ordnungsgemäß durchgeführt werden. Er gibt eine düstere Prognose: "In der aufgeheizten politischen Situation besteht die ernsthafte Gefahr, dass es zu politischer Gewalt kommt." Mehr und mehr MAGA-Republikaner fechten die Legitimität von Wahlsiegen der Demokraten an, dadurch könne sich die Situation weiter zuspitzen.
Bis heute weigert sich Trump, seine Niederlage bei der Präsidentenwahl 2020 einzugestehen. Der Republikaner behauptet, durch massiven Wahlbetrug um den Sieg gebracht worden zu sein, hat dafür aber nie Beweise vorgelegt.
Seine Anhänger:innen halten zu ihm. Selbst dann, wenn die US-Bundespolizei (FBI) das Anwesen des Ex-Präsidenten untersucht und streng geheime Dokumente findet. Trump übernahm die Opferrolle und hetzte seine Verbündeten gegen die Ermittler auf. Es kam sogar zu einer bewaffneten Demonstration vor einem FBI-Büro in Arizona.
Auch US-Präsident Joe Biden hat die Gefahr um die Demokratie in seinem Land erkannt. Jetzt greift er auf drastische Mittel zurück.
Biden wählt eine scharfe Rhetorik gegenüber den MAGA-Republikanern. Er bezeichnet sie als Bedrohung für die Demokratie und die Freiheit des Landes. Dabei nutzt der Präsident teils drastische Worte wie "Semi-Faschismus". Damit könne der Demokrat Gefahr laufen, moderate Republikaner zu verärgern und sein Ansehen als "Versöhner" zu verlieren, meint Greven.
"Aber Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Amerikaner sich um den Bestand der Demokratie sorgt", erklärt der USA-Experte. Im Zentrum dieser Bedrohung stehen die radikalen Trump-Anhänger:innen. Insofern sei der harte, verbale Kurs von Biden gerechtfertigt. "Denn die MAGA-Republikaner sind für einen Versöhnungskurs nicht mehr zugänglich", argumentiert Greven.
Das ist wohl auch Biden bewusst. Am Donnerstagabend hat er sich bei einer Wahlkampfveranstaltung in Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania erneut dazu geäußert:
Biden warnt vor den MAGA-Kräften, die entschlossen sind, dieses Land in die Vergangenheit zu führen.
Ein Amerika ohne freie Wahlen, Privatsphäre und Verhütungsmittel. "Donald Trump und die MAGA-Republikaner repräsentieren einen Extremismus, der die Grundfesten unserer Republik bedroht", sagt Biden. Und laut den Experten Greven und Walter auch die innenpolitische Sicherheit.
Die politische Gewalt in den USA steigt zunehmend. "Wir sind näher am Bürgerkrieg als irgendjemand von uns glauben möchte" – Walter hat die Warnzeichen erkannt.
(Mit Material von dpa)