Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt die Eckwerte des Inflationsausgleichsgesetz vor.Bild: imago-images / hotothek
Deutschland
Finanzminister Christian Lindner will 48
Millionen Bürger bei der Steuer entlasten. Insgesamt sollen sie im
kommenden Jahr mehr als zehn Milliarden Euro sparen, wie der
FDP-Politiker am Mittwoch in Berlin sagte: "Rentnerinnen und Rentner,
sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, Selbstständige: In der
ganzen Breite der Gesellschaft sind Menschen davon betroffen."
Zusätzlich zu einer Anpassung des Einkommensteuertarifs sollen
auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden. Die
Pläne, die in der Koalition noch nicht abgestimmt und umstritten
sind, im Detail:
Das Problem hoher Inflation
Durch den russischen Krieg in der Ukraine ist in Deutschland die
Inflationsrate deutlich gestiegen, vor allem durch höhere Preise für
Energie. Auch im Juli lag die Inflationsrate weiterhin bei über
sieben Prozent. "Für viele Menschen ist das tägliche Leben sehr viel
teurer geworden", sagte Lindner. Zugleich sei auch die
wirtschaftliche Perspektive fragiler. "Wir sind also in einer
Situation, wo gehandelt werden muss." Durch die Steuerreform will er
dafür sorgen, dass der Staat weniger an der Inflation mitverdient.
Christian Lindner stellt sich den Fragen von Reportern zum Inflationsausgleichsgesetz.Bild: imago-images / photothek
Denn durch die sogenannte kalte Progression droht vielen laut
Lindner eine "heimliche Steuererhöhung": Wegen der hohen Inflation
sinkt zwar ihre Kaufkraft, die Steuern bleiben aber hoch. Oder
Gehaltserhöhungen, die eigentlich direkt durch die Inflation
aufgefressen werden, führen zu einer höheren Besteuerung.
Die Idee des Steuerrechts sei, dass starke Schultern mehr tragen
als schmale Schultern, sagte Lindner. "Durch die
Inflationsentwicklung werden aber Menschen, deren Schultern gar nicht
breiter geworden sind, trotzdem im Steuertarif nach oben geschoben
und belastet." Die Reform sei also dringend geboten, wenn der Staat
nicht heimlich für viele die Steuern erhöhen wolle.
Anpassungen im Steuertarif: Grundfreibetrag und Eckwerte
Um das aufzufangen, will Lindner an den Stellschrauben des
Einkommensteuertarifs drehen. Der Grundfreibetrag, also das
Einkommen, bis zu dem keine Steuer gezahlt werden muss, soll steigen.
Konkret von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden und 10.932 Euro im Jahr 2024.
Auch weitere Eckwerte des Steuertarifs werden verschoben. So soll
der Spitzensteuersatz von 42 Prozent im kommenden Jahr erst bei einem
zu versteuernden Einkommen von 61.972 Euro greifen, 2024 dann erst
bei 63.515 Euro im Jahr 2024.
Christian Lindner (l.) betont sein anderes Vorgehen in Abgrenzung zu Olaf Scholz.Bild: imago-images /Political-Moments
Die Grenze für den noch höheren Reichensteuersatz von 45 Prozent
will Lindner bewusst nicht antasten, weil er in dieser
Einkommensklasse keine zusätzliche Entlastung für nötig hält. Damit,
so betonte der FDP-Chef, handele er anders als etwa sein Vorgänger,
der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz. Der SPD-Politiker habe bei
seiner Reform auch die Reichsten entlastet.
Wer davon wie stark profitiert
Prozentual werden Geringverdiener deutlich stärker entlastet als
Topverdiener - in absoluten Zahlen sieht das aber anders aus. So soll
ein Bürger mit zu versteuerndem Einkommen von 20.000 Euro im
kommenden Jahr 115 Euro weniger Steuern zahlen. Bei einem Einkommen
von 60.000 Euro machen die Entlastungen nach Zahlen aus dem
Finanzministerium bereits 471 Euro aus. Für noch höhere Einkommen
werden sie gedeckelt auf 479 Euro.
Grüne und SPD halten das für sozial unausgewogen. Lindner jedoch
betonte, der Deckel setze beim 1.5-fachen des Durchschnittseinkommens
an. "Das ist nicht die Spitzenetage der Gesellschaft, sondern das
sind die qualifizierten Fach- und Führungskräfte, das ist die
Technikerin, das ist der Ingenieur, das sind die Menschen, die noch
Tarifentgelte der Gewerkschaften beziehen."
Wenig Jubel bei Koalitionspartnern
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch kritisierte dennoch:
"Steuersenkungen in Milliardenhöhe, von denen Topverdiener dreimal so
stark profitieren, wie Menschen mit kleinen Einkommen, gehen an der
Realität vorbei." Es müssten nun Menschen mit kleinen und mittleren
Einkommen entlastet werden. Auch SPD-Fraktionsvize Achim Post
betonte, Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müssten noch
einmal verstärkt unterstützt werden. Dafür seien Direktzahlungen wie
die Energiepreispauschale das beste Mittel der Wahl.
"Steuersenkungen in Milliardenhöhe, von denen Topverdiener dreimal so stark profitieren, wie Menschen mit kleinen Einkommen, gehen an der Realität vorbei."
Andreas Audretsch, Grünen-Fraktionsvize
Andreas Audretsch (Grüne) kritisiert Lindners Plan.Bild: imago-images /Future Image
Lindner dagegen betonte: "Ich finde, dass zur Fairness gehört, auf der einen Seite diejenigen zu sehen, die Solidarität bedürfen und von uns empfangen. Auf der anderen Seite dürfen aber auch nicht diejenigen vergessen werden, die von den Ergebnissen ihrer Schaffenskraft viel abgeben, um den sozialen Frieden in unserem Land zu erhalten, den Staat handlungsfähig zu erhalten."
Kindergeld soll zusätzlich steigen
Zusätzlich zur Steuerreform plant Lindner eine Extra-Entlastung
für Familien mit Kindern. Das Kindergeld soll in zwei Stufen steigen
und dabei auch vereinheitlicht werden. Im kommenden Jahr soll es für
das erste, zweite und dritte Kind monatlich je 227 Euro geben. Ab dem
vierten Kind kommen 250 Euro aufs Konto. Im Jahr 2024 sollen die
Sätze für das erste bis dritte Kind noch einmal angehoben werden – auf 233 Euro.
Das Kindergeld beträgt aktuell je 219 Euro im Monat für das erste
und zweite Kind. Für das dritte Kind erhalten Familien 225 Euro, ab
dem 4. Kind beträgt das Kindergeld 250 Euro im Monat. Nach Lindners
Plänen soll auch der steuerliche Kinderfreibetrag steigen.
Wie es im aktuellen Jahr aussieht
Der Bund der Steuerzahler begrüßte zwar Lindners Pläne für das
kommende Jahr. Es handle sich aber nicht um ein echtes
Entlastungspaket. Die Freibeträge für Kinder und Erwachsene bei der
Einkommensteuer müssten per Gesetz ohnehin der Preissteigerung
angepasst werden. Zudem schlage auch im laufenden Jahr mit hoher
Inflation die kalte Progression zu – bei einem Single mit
Monatsbrutto von 2500 Euro mache das etwa 104 Euro aus, bei einer
Doppelverdienerfamilie mit zwei Kindern und Monatsbrutto von zusammen
7000 Euro schon 356 Euro. Das könnten auch das 9-Euro-Ticket und der
Tankrabatt nicht ausgleichen.
(and/dpa)
Am Ende haben nicht Abtreibungen, der Klimawandel oder die Außenpolitik die US-Präsidentschaftswahl entschieden. Wichtigstes Thema waren die Inflation und die Preise. Für 34 Prozent der republikanischen Wähler:innen war es laut einer Umfrage von YouGov ausschlaggebend für die Wahlentscheidung.