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Interview

Ökonom zu Konjunkturpaket: "Sind durch die Krise ärmer geworden"

25.05.2020, Hopfensee in Bayern, Der Hopfensee bei F
Im Corona-Konjunkturpaket stecken 300 Euro Kinderbonus. Doch die müssen einmalig versteuert werden. Bild: www.imago-images.de / MiS
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Steuern auf 300 Euro Kinderbonus: Warum ein Experte das gut findet

07.06.2020, 19:04
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Die Bundesregierung hat vergangenen Mittwoch ihr Gesetzespaket vorgestellt, mit dem sie die erwartete Wirtschaftskrise in Folge der Corona-Pandemie abschwächen möchte. Mit Steuererleichterungen versucht sie, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, die sich in den vergangenen Wochen im Dornröschenschlaf befand. Unter anderem sind folgende Maßnahmen geplant:

  • Um Unternehmen zu entlasten, sieht das Konjunkturpaket vor, die Mehrwertsteuer von Juli bis Ende Dezember 2020 zu senken – und zwar von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent bei der ermäßigten Mehrwertsteuer.
  • Wegen der geschlossenen Kitas und Schulen wurden Familien häufig besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen. Nun will der Staat Eltern deswegen einmalig mit 300 Euro pro Kind unterstützen. Der Betrag muss versteuert werden, wird allerdings nicht auf soziale Leistungen angerechnet.
  • Die heftig diskutierte allgemeine Kaufprämie für Autos kommt nicht, dafür wird die sogenannte Innovationsprämie verdoppelt. Beim Kauf eines klimafreundlichen E-Autos gibt es also in Zukunft doppelt so viel Geld vom Staat. Für ein E-Auto mit einem Kaufpreis von bis zu 40.000 Euro stiege die Förderung des Bundes von 3000 auf 6000 Euro.

Wir wollten von Ökonom Rüdiger Bachmann wissen, wie er die Maßnahmen einschätzt, und ob sie ausreichen, um die Wirtschaft auf die erwartete Rezession vorzubereiten. Er erklärt, wie man dafür sorgen könnte, dass die Mehrwertsteuersenkung auch beim Verbraucher ankommt und warum dieses Gesetzespaket in seinen Augen so sinnvoll ist, aber auch, weshalb er den Klimaschutz beim aktuellen Gesetzespaket für weniger wichtig hält.

"Ich bin ein großer Fan des Konjunkturpakets."

watson: Es sind jetzt doch mehr geworden als gedacht: 130 Milliarden Euro investiert die Bundesregierung in ein Konjunkturpaket, um die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder anzukurbeln. Olaf Scholz hat nochmal die berühmte Bazooka rausgeholt. Groß ist es also, aber ist das auch ein gelungenes Paket?

Rüdiger Bachmann: Ja. Ich bin ein großer Fan des Konjunkturpakets.

Warum?

Es beinhaltet viele Elemente, die ich auch öffentlich gefordert habe und einige, die ich kritisiert hatte, sind nicht drin.

Sie meinen die berühmte Abwrackprämie…

Ja. Die ist ökologisch und ökonomisch sinnlos. Es ist absolut richtig, dass man das nicht umgesetzt hat.

Und was ist gut gelungen?

Ich finde die Senkung der Mehrwertsteuer bis zum Ende des Jahres äußerst sinnvoll. Das wird hoffentlich dazu führen, dass der Konsum wieder angekurbelt wird. Das setzt aber voraus, dass die Mehrwertsteuersenkung auch beim Verbraucher ankommt.

Wie kann das sichergestellt werden?

Die Politik kann öffentlichen Druck auf die Unternehmen aufbauen. Beispielsweise durch Kampagnen in Tageszeitungen. Es wird wohl nicht zu hundert Prozent gelingen, dass das alles beim Verbraucher ankommt, aber in manchen Branchen ist das auch ganz okay, dass sie jetzt eine höhere Marge einstreichen.

"Sie müssen sehen, dass dieser Kinderbonus vor allem einkommensschwächeren Familien zugutekommt."

Wo denn?

In der Gastronomie wird man wahrscheinlich keine neuen Speisekarten drucken, weil die Preise durch die Mehrwertsteuersenkung um ein paar Cent gefallen sind. Aber das ist auch völlig in Ordnung. Die Branche hat stark gelitten in den vergangenen Wochen. So gesehen ist das auch gerecht, dass diese Unternehmen ihre Verluste ausgleichen können, und es wirkt positiv auf die Wirtschaft.

Wie ist es mit dem Verlustrücktrag bei den Firmen? Wie funktioniert das?

Das finde ich auch sehr gelungen. Firmen, die jetzt Verlust machen, sparen zunächst einmal Steuern und müssen die Steuern erst dann zurückzahlen, wenn sie wieder Gewinne machen. Das entlastet viele Unternehmen, denen es während der Krise schlecht ging und nach wie vor geht. Und es ist gerecht. Der Staat profitiert sonst, wenn Firmen Gewinne einfahren, durch die Steuern. Wenn es Unternehmen schlecht geht, müssen diese die Verluste aber normalerweise fast allein tragen. Das wird hier ausgeglichen.

Es gibt zusätzlich noch einen Kinderbonus von 300 Euro. Das wurde bereits kritisiert, weil es doch sehr wenig ist…

Sie müssen sehen, dass dieser Kinderbonus vor allem einkommensschwächeren Familien zugutekommt. Besserverdienende Familien rechnen den Bonus über den Kinderfreibetrag ab. Das ist schon sehr sinnvoll, um sozial schwächeren Familien zu helfen und deren Konsumverhalten wieder anzukurbeln. Die meisten werden die 300 Euro wahrscheinlich direkt ausgeben und damit die Wirtschaft wieder ankurbeln.

Diese 300 Euro werden allerdings noch einmal versteuert. Da bleibt am Ende gar nicht so viel übrig.

Ja, aber auch das ist sozial gerecht. Besser Verdienende müssen entsprechend ihres Steuersatzes mehr Steuern zahlen als einkommensschwache Familien. So gesehen kommt es auch so wieder den Ärmeren zugute.

Rüdiger Bachmann ist Wirtschaftsprofessor an der University of Notre Dame in den USA. Er veröffentlicht regelmäßig in großen deutschen Medien und scheut sich auch nicht auf Twitter zu aktuellen wirtschaftspolitischen Debatten seine Meinung abzugeben.

Über das Thema Klimaschutz:

"Ich finde, das sind am Ende doch eher Randnotizen."

Es wurde auch kritisiert, dass das Thema Klimaschutz bei dem Konjunkturpaket zu kurz kommt…

Ich finde, das sind am Ende doch eher Randnotizen. Klar hätte das noch optimiert werden können. Es ist sicher kein grünes Konjunkturprogramm herausgekommen, aber das ist angesichts der aktuellen Situation auch nicht das drängendste Problem. Eine nachhaltigere Wirtschaft zu schaffen, ist eine langfristige Aufgabe. Eine grüne Revolution ist aber vielleicht nicht während einer der größten Krisen der Menschheitsgeschichte zu bewältigen. Meine Kritik ist eher eine andere…

Welche?

Ich finde, dass in der gesamtpolitischen Diskussion untergeht, dass ein bloßes Konjunkturpaket alleine unsere Wirtschaft nicht wiederaufbauen kann. Wir haben nach wie vor das Problem, dass Pandemie-bedingt unsere Produktivität niedrig ist. Viele können immer noch nicht vollständig in ihren Beruf zurückkehren, da sie ihre Kinder betreuen müssen. Solange die Betreuungsfrage nicht geklärt ist, wird es schwierig, die Wirtschaft wieder in den Normalzustand zurückzubekommen. Hinzukommt, dass die Flächeneffizienz in vielen Bereichen geringer geworden ist, weil man nicht so viele Kunden auf einmal bedienen kann.

Das hängt aber auch von den Untersuchungsergebnissen und Empfehlungen der Virologen und Epidemiologen ab. Viele hatten davor gewarnt, die Schulen und Kitas wieder zu öffnen…

Ja, aber da müssen wir uns etwas freier von machen. Wir können auch innerhalb der Empfehlungen der Forscher kreativere Lösungen finden, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Und das sollten wir auch politisch mehr fördern. Wir können nicht ewig warten, bis ein Impfstoff auf dem Markt ist, sondern müssen uns in der Situation einrichten und eben auch kreativ versuchen, so viel Normalität wie möglich herzustellen. Das kann das Konjunkturprogramm alleine nicht leisten. Tatsache ist einfach, dass wir durch die Corona-Krise ärmer geworden sind.

Vielleicht müssen wir uns auch damit abfinden, dass wir zunächst nicht wieder auf das wirtschaftliche Niveau vor Corona kommen?

Das glaube ich nicht. Ich vertraue auf den Erfindergeist und das Unternehmertum, dass wir auch unter Pandemie-Bedingungen eine effiziente Wirtschaft organisieren können. Die Politik muss da aber eben auch Anreize schaffen.

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