31 Tage, 31 Frauen. Im Monat März stellen wir anlässlich des "Women's History Month" bei watson jeden Tag eine bemerkenswerte Frau vor. Tag 24: Die Musikerin, Labelbetreiberin und Autorin Kerstin Grether.
24.03.2019, 10:1216.06.2024, 14:10
Wir leben in einer Welt, in der Popkultur, auch im Jahr 2019, vor allem eines ist: männlich. Frauen, die Musik machen oder über Musik schreiben, werden öffentlich kaum wahr genommen. Kerstin Grether ist so eine Frau. Sie macht Musik, sie hat jahrelang selbst über Musik geschrieben und gilt als eine der Begründerinnen des Pop-Feminismus in Deutschland.
Was macht sie?
Von 1994 bis 1997 war Grether Redakteurin bei der "Spex" – eine von wenigen Frauen auf dieser Seite des Musikbusiness'. Sie singt und schreibt Texte für "Doctorella", eine Electro-Chanson-Rock-Band, die sie zusammen mit ihrer Schwester Sandra hat.
Außerdem schreibt sie das Blog "Ich brauche ein Genie". In der Beschreibung des Blogs heißt es:
"DIE Expertenstimme für Frauen* im Pop. Ein Musikmagazin. Eine Spielwiese. Poetry. Theorie. Ein paar Takte Wahrheit über Pop/Indie-Musikerinnen und die mit ihnen verwobenen Mythen und Zuschreibungen."
Zudem betreibt Grether das Indie-Label Bohemian Strawberry Records – ein Label mit Fokus auf female* Artists. Als Autorin brachte sie diverse Romane ("Zuckerbabys", "An einem Tag für rote Schuhe"), Essays ("Zungenkuss. Du nennst es Kosmetik, ich nenn es Rock 'n Roll", "Madonna und Wir. Bekenntnisse" – zusammen mit ihrer Schwester Sandra) heraus, die als Standardwerke der deutschen Popliteratur gelten.
Was macht sie besonders?
Kerstin Grether gilt als Begründerin des Pop-Feminismus. Das klingt sperrig und kompliziert, lässt sich aber einfach herunterbrechen:
In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es wenige Frauen, die Musik machen. Vor allem dann, wenn wir uns den Bereich der "Gitarrenmusik" anschauen. Kerstin ist so eine Frau.
Frauen, die in großen Musikmagazinen oder Feuilletons über Musik schreiben, gar noch über Frauen in der Musik, gibt es noch weniger. Grether war eine der ersten Frauen in Deutschland, die das getan hat.
Sie setzt sich aktiv für mehr Frauen im Pop ein und wird nie müde, Missstände aufzuzeigen:
Ob in ihrer Zeit bei der "Spex":
"Ich versuchte, die Zeitschrift so feministisch wie möglich zu gestalten. Jede Autorin, die einen "Spex"-kompatiblen Text schreiben konnte, wurde von mir mit Kusshand aufgenommen."
Oder, wenn sie sich öffentlich für Frauenquoten auf Festivalbühnen stark macht:
"Es ist jeden Sommer das Gleiche: In der Festivalsaison stürmt eine Horde weißer, männlicher Musiker jeglichen Alters die Bühnen der Republik – im Headlinerbereich auch 'Rockstars' genannt."
Grether spricht sich für eine Frauenquote auf Festivalbühnen aus:
"Keiner der Festivalmacher traut sich, zuzugeben, dass Männer den Anblick von Männern auf Bühnen für die Stabilisierung ihres Selbstbewusstseins brauchen."
Kerstin Grether redet nicht nur über Veränderung, sie treibt sie aktiv voran.
Beispielsweise über ihr Label:
"Wir haben in den Katalogen der meisten deutschen Indielabels viel zu wenig wichtige Alben von Musikerinnen gefunden. Überhaupt viel zu wenig Alben von Musikerinnen. Das wollen wir ändern. Langsam, aber beharrlich!"
Kerstin Grether setzt sich als Aktivistin für feministische Protestbewegungen ein. So holte sie etwa den "Slutwalk" nach Deutschland und ebnete den Weg für eine öffentliche Debatte zum Thema sexualisierte Gewalt.
Was würde sie ihrem jüngeren Ich raten?
watson sagte sie:
"Ich würde meinem jüngeren Ich raten, eine Wohnung zu renovieren, bevor ich ein Buch darin schreibe.
Generell würde ich mir empfehlen, nicht nur im Moment zu leben, was ich ganz gut konnte, schon immer, sondern auch für den Moment. Also nicht nur die zufälligen schönen Momente mitnehmen, die sich in einem Leben, das auf Extreme und Wunder ausgerichtet war, ergeben haben, sondern sie bewusst durch mehr Lebensfreude und einer balancierteren inneren Mitte herbeizuführen.
Nun gut, mein früheres Ich würde mich wahrscheinlich nur verständnislos anschauen und sagen: 'Das ist mir jetzt zu esoterisch und zu spießig. Ich muss doch... in dieses Getriebene. Außerdem weiß ich nicht, wo der nächste Baumarkt ist.'"
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31 Frauen-Porträts bei watson.de
Anlässlich des "Women's History Month" stellen wir euch 31 bemerkenswerte Frauen vor – Frauen, die in den unterschiedlichsten Bereichen Außerordentliches leisten.
Hier könnt ihr, sobald sie alle erschienen sind, alle Folgen nachlesen: