Eva Hermann moderierte einst die "Tagesschau". Heute ist sie das Idol vieler Rechter.null / imago images
Analyse
Deutsche Rechtsradikale und Verschwörungsideologen sind einem Bericht des "Spiegel" zufolge dabei, in Kanada eine Kolonie von Gleichgesinnten aufzubauen. Hunderte Deutsche hätten sich bereits auf der Insel Cape Breton in der östlichen Provinz Nova Scotia angesiedelt, berichtete das Magazin am Donnerstag. Es berief sich auf Kaufverträge, Wertgutachten, Gerichtsakten sowie Protokolle von Betroffenen.
Eine wichtige Rolle soll dabei die ehemalige "Tagesschau"-Moderatorin Eva Herman spielen.
Wie die Geschäfte mit den rechten Siedlern laufen sollen
Aus den Unterlagen zu der Kolonie in Kanada geht laut Spiegel hervor, dass viele Grundstücke zu überhöhten Preisen verkauft wurden. Der Erwerb von Grund und Boden auf Cape Breton werde von Herman, dem Verschwörungsideologen Andreas Popp und dem Grundstücksverkäufer Frank Eckhardt gefördert.
Eva Herman ist mit Popp liiert. Er gründete vor rund 15 Jahren die sogenannte "Wissensmanufaktur", eine Organisation rechter Akademiker. Er veranstaltet laut "Spiegel" auf der Insel Seminare, in denen er gemeinsam mit Herman den Zusammenbruch der europäischen Wirtschafts- und Sozialsysteme prophezeit und eine Investition der Ersparnisse im angeblich krisensicheren Kanada nahelege, schrieb das Magazin weiter.
Zudem würden Menschen, die sich für die Grundstücke interessieren, mit rechtsradikaler Propaganda indoktriniert. Eckhardt verschicke entsprechende Texte. Die Interessierten würden von Popp "missioniert", schreibt der Spiegel. Wer sich für Grundstücke interessiere, werde zu "Seminaren" nach Kanada eingeladen. Dort würden (wie auf Popps und Hermans YouTube-Kanälen und auf Hermans Telegram-Channel) zunächst haarsträubende Katastrophenszenarien über den Zusammenbruch der Gesellschaft verbreitet – und den Teilnehmern dann die Auswanderung in die kanadische Provinz Nova Scotia schmackhaft gemacht. Der "Spiegel" schreibt über diese Seminare:
"Seminarteilnehmer berichten, dass sie in der ganzen Woche praktisch keine Minute Zeit zur freien Verfügung gehabt hätten, Zeit etwa, um sich auf eigene Faust auf der Insel umzuschauen. Immer seien die Betreuer von Cape Breton Real Solutions sofort zur Stelle gewesen – womöglich um sicherzustellen, wie die Gäste vermuten, dass man keine Konkurrenzunternehmen kontaktiere. Popp und die Cape Breton Real Solutions bestreiten dagegen jede Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Besuchern der Wissensmanufaktur, jeder könne jederzeit die Seminare verlassen."
Das Bundeskriminalamt soll bereits Ende letzten Jahres von Interpol Ottawa über die Aktivitäten des Grundstücksverkäufers Eckardt informiert worden sein.
Wie Eva Herman zum Idol Rechtsradikaler wurde
Eva Herman spielt als bekanntes Gesicht der verschwörungsideologischen Szene laut "Spiegel" eine tragende Rolle in dem Geschäftsmodell. Herman war bis 2006 "Tagesschau"-Sprecherin und bis 2007 Fernseh-Moderatorin beim NDR. In den vergangenen Jahren ist sie zu einer Art Sprachrohr von Rechtspopulisten und Verschwörungsideologen geworden.
Herman hatte schon im August 2006 ihren Vertrag als "Tagesschau"-Sprecherin selbst gekündigt – mit der Begründung, sie erwarte heftige Kontroversen um Bücher, die sie in Kürze veröffentlichen werde.
Eva Herman im Jahr 2008.Bild: imago images / imago stock&people
Die Kontroversen kamen dann auch: 2006 erschien Hermans Buch "Das Eva-Prinzip". Darin vertrat sie unter anderem die These, der Feminismus sei schuld an der niedrigen Geburtenrate in Deutschland. Durch die drohe wiederum ein "Aussterben" der Deutschen. Für diese Thesen – die seit Jahrzehnten von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen vorgebracht werden – erntete Herman heftigen Widerspruch von so unterschiedlichen Menschen wie der Journalistin Alice Schwarzer und Entertainerin Desirée Nick.
Wirbel um Nazi-Aussage
2007 legte Herman dann mit einem weiteren Buch nach. In "Das Prinzip Arche Noah" schrieb sie von einem angeblichen "Zersetzungsprozess " deutscher Familien – und warb dafür, dass Frauen sich wieder auf ihr traditionelles Rollenbild im Haushalt und der Kindererziehung besinnen sollten. Anfang September 2007 stellte Herman ihr Buch bei einer Pressekonferenz vor – und sagte dabei unter anderem Folgendes:
"Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch 'ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles, was wir an Werten hatten – […]; es war 'ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle. Aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben […]“
Diese positive Bewertung der Familienpolitik der Nazis warfen Herman daraufhin mehrere Journalisten in Artikeln über die Buchvorstellung vor. Es folgte auch deutliche Kritik seitens des NDR, für den Eva Herman damals als Moderatorin arbeitete – und mehrere Gespräche zwischen Herman und NDR-Verantwortlichen. Schließlich kündigte der NDR im September 2007 Hermans Vertrag außerordentlich.
Johannes B. Kerner warf Herman aus Sendung
In den Wochen darauf äußerte Herman sich in mehreren Medien zu den Umständen ihrer Kündigung. Sie selbst sprach von sich selbst als Opfer einer "Rufmord-Kampagne" – und erklärte, sie sympathisiere nicht mit dem NS-Regime und habe 2005 an der Aktion "Laut gegen Nazis" teilgenommen.
Am 9. Oktober 2007 hatte Herman dann in der Talkshow "Johannes B. Kerner" einen Auftritt, der in die Fernsehgeschichte eingehen sollte. In der Sendung sollten Hermans Thesen zur Familienpolitik der Nazis diskutiert werden. Neben ihr diskutierten die Schauspielerin Senta Berger, die ehemalige Talkmasterin Margarethe Schreinemakers und der Komiker Mario Barth, als Experte war Historiker Wolfgang Wippermann eingeladen.
Herman entschuldigte sich in der Talkshow nicht für ihre Aussagen. Sie sprach von einer "braunen Keule", die in Deutschland gegen alle geschwungen werde, die sich für das traditionelle Familienbild einsetzten. Auf mehrere Fragen Kerners antwortete sie nur ausweichend – und auch die anderen Gäste reagierten zunehmend fassungslos auf ihren Auftritt. "Das kann nicht sein, was du hier sagst", sagte etwa Schreinemakers. Nach 53 Minuten forderte Kerner Herman schließlich auf, die Sendung zu verlassen.
Herman klagte in den Jahren nach 2007 erfolglos gegen ihre Kündigung beim NDR – und führte (teils mit, teils ohne Erfolg) mehrere Prozesse wegen Presseartikeln, durch die sie sich verunglimpft fühlte.
Eva Herman bei ihrem Talkshow-Auftritt im Oktober 2007 bei Johannes B. Kerner. bild: screenshot youtube
Aktuell verbreitet Hermann Verschwörungsmythen zum Coronavirus
Seit ihrer Kündigung durch den NDR wurde Herman nach und nach zu einer Identifikationsfigur rechtsnationaler mit rechtsextremistischer Kreise in Deutschland. 2007 hatte Herman noch erfolgreich dagegen geklagt, dass die rechtsextreme Partei DVU eine Kundgebung unter dem Titel "Meinungsfreiheit für Eva Herman" veranstaltet. Seit 2009 aber schreibt Herman für den auf Verschwörungsideologie spezialisierten Kopp Verlag, sucht die Nähe von Autoren wie Thilo Sarrazin und Matthias Matussek.
Ein Tiefpunkt ihrer Arbeit beim Kopp-Verlag: ein Kommentar zum Loveparade-Unglück in Duisburg. Die Massenpanik bei der Loveparade, bei der im Juli 2010 insgesamt 21 Menschen starben, kommentierte Herman mit den Worten, die Techno-Parade sei ein "Sodom und Gomorra mit katastrophalen Folgen" und eine "riesige Drogen-, Alkohol- und Sexorgie", die den "kulturellen und geistigen Absturz einer ganzen Gesellschaft" symbolisiere. Dass die Loveparade nach dem Unglück nie mehr stattfinden sollte, kommentierte sie so: "Vielleicht haben ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen. Was das angeht, kann man nur erleichtert aufatmen! Grauenhaft allerdings, dass es erst zu einem solchen Unglück kommen musste."
Herman kommentiert seit 2014 auch regelmäßig Ereignisse für russische Staatsmedien wie den Sender "Russia Today". Sie verbreitet Verschwörungsmythen zur sogenannten "Flüchtlingskrise" ab 2015 – und seit 2020 erwartbarerweise auch zum Coronavirus und der Covid-19-Pandemie.
Die Hauptkanäle Eva Hermans sind dabei ihr YouTube-Channel und ihr Kanal auf dem Messengerdienst Telegram. Über 136.000 Abonnenten hat ihr Telegram-Channel (Stand 24. Juli). Dort verbreitet sie – neben vielen Links zu Verschwörungserzählungen – gerade auch viele Untergangsszenarien zum angeblich bevorstehenden Zusammenbruch von Wirtschaft und Gesellschaft.
Michael Blume, Beauftragter gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg, sagt: Dass auch Gebildete in den Antisemitismus abdriften, ist nichts Neues.Bild: dpa / Marijan Murat
Warum Menschen wie Eva Herman in die Verschwörungsideologie abdriften
Eva Herman ist nicht die einzige prominente und vormals seriöse Journalistin, Moderatorin oder Politikerin, die in den vergangenen Jahren zur Verschwörungsideologin geworden ist: Moderator Hans Meiser, der ehemalige "Spiegel"-Journalist Matussek oder die frühere DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Politikerin Vera Lengsfeld sind drei Beispiele.
Warum driften auch gebildete Menschen nach rechtsaußen ab? Michael Blume, Beauftragter gegen Antisemitismus des Landes Baden-Württemberg und Autor mehrerer Publikationen über Verschwörungsideologien, erklärt das gegenüber watson so:
"Das ist leider nicht überraschend, Verschwörungsglauben gibt es in jeder Berufsgruppe und auch unter Gebildeten. Ich darf daran erinnern: Schon die Antisemiten-Liga des deutschen Kaiserreiches wurde von Wilhelm Marr, einem Journalisten aus Magdeburg, gegründet. Lange behauptete man sogar, er habe das Wort 'Antisemitismus' erst geprägt. Wo es eine Nachfrage nach Verschwörungserzählungen gab, fanden sich auch immer wieder Publizisten, die diese bedienten. Und gerade auch in der Abwehr von Alter und beruflichem Bedeutungsverlust kommt es quer durch die Berufsgruppen auch zu sogenannten Altersradikalisierungen. Denken Sie beispielsweise auch an manche Professoren."
Blume hält es für richtig, Menschen wie der ehemaligen "Tagesschau"-Sprecherin Herman gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine Bühne mehr zu bieten:
"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde als direkte Reaktion auf die Beherrschung des Weimarer Mediensystems durch die Nationalsozialisten gegründet. Genau deswegen bin auch ich als Schwabe bereit, dafür Gebühren zu bezahlen. Im Umkehrschluss muss aber klar sein, dass Antisemitismus, Rassismus und Sexismus im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keinen Platz haben."
(se/mit Material von afp)