Dürfen Lehrer Quereinsteiger sein? 3 Anmerkungen zum Schulstart
20.08.2018, 06:15
peter riesbeck
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In Rheinland-Pfalz ging es schon los, in Berlin und im Norden Deutschlands startet die Schule jetzt. Nur Schüler in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen dürfen noch ein bisschen ausspannen. Die Bildungsdebatte kennt hingegen keine Sommerpause.
Neues Shame-Objekt: Quereinsteiger.
Das sind jene, die aus einem anderen Beruf als Lehrende an die Schulen wechseln, um den von der Politik verkannten Lehrermangel zu stoppen. Aber niemand scheint sie zu mögen. Der renommierte Grundschulexperte Jörg Ramseger warnte diese Woche im "Tagesspiegel".
"Deutsch und Mathematik in Klasse 1 und 2 sollte niemand anderes unterrichten als die dafür speziell ausgebildeten Fachkräfte."
Jörg Ramseger, Bildungsexperte, tqgesspiegel
3 Anmerkungen zur Debatte.
Hefte raus, die Faktenlage!
Vor allem in Grundschulen fehlen Lehrkräfte.
In Sachsen ist jede 7. ausgeschriebene Lehrerstelle in Grundschulen unbesetzt
In Sachsen-Anhalt sogar jede 3.
In Berlin sind alle 1.240 Stellen für die Grundschule besetzt, aber nur 37 Prozent sind voll ausgebildete Lehrer
In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" schlagen Vertreter der Lehrer jetzt Alarm.
Marlis Tepe, Chefin der (eher linken) Gewerkschaft für Erziehung (GEW), sagte dem Blatt:
"Man kann dabei schon von einem Bildungsnotstand sprechen."
Marlis Tepe, Präsidentin der GEWfrankfurter allgemeine sonntagszeitung
Hans-Peter Meidinger, Präsident des (konservativen) Deutschen Lehrerverbandes, warnte davor, "dass in manchen Bundesländern eine ganze Schülergeneration Schaden nimmt".
Die Unruhe wächst, auch unter Quereinsteigern:
Ist das nicht schon längst der Fall?, fragt sich mancher, der die Schule schon verlassen hat. Aber der Kern der Kritik richtet sich auf die mangelnde Ausbildung der Quer- und Seiteneinsteiger.
Das trifft zu. Noch mehr aber trifft zu, dass etwa in Baden-Württemberg ganze Lehrergenerationen rumhängen, die durch ihre Ausbildung fürs Lehramt an Gymnasium (Sek II) mit ganzen vier Semesterwochenstunden auskommen.
Kurzum: Der Staat wollte Fachidioten. Und er bekam sie! Glücklich, wer daneben noch einen Menschen am Pult stehen hatte.
Das sagt eine Quereinsteigerin zur Debatte:
Und das sagt der Soziologe Heinz Bude in seinem Buch "Bildungspanik":
"Bildungspanik haben vor allem die Eltern, die zu den Gewinnern der Bildungsreformen der 70er- und 80er-Jahre gehören, also diejenigen, die oft einen Fachhochschulabschluss haben und dadurch eine ganz angenehme Berufskarriere hingekriegt haben, die jetzt für ihre Kinder wollen, dass die mindestens den gleichen Bildungsabschluss erreichen wie die Eltern."
Heinz Bude, Soziologe"BIldungspanik"
Bude hat einen Trost für alle bildungsgeplagten Eltern. Und der heißt demografischer Wandel. Weil Fachkräfte fehlen, werden sich die Firmen später ohnehin um die Schulabgänger reißen.
Nur ganz kurz nach Berlin
Vor allem in Berlin sieht es düster aus, was Bildung angeht. Das Land hat die Verbeamtung von Lehrern nämlich unter seinem Finanzsenator Thilo Sarrazin abgeschafft. Und unter Rot-Rot-Grün und dem fast unsichtbaren Regierenden Bürgermeister Michael Müller geht das auch so weiter.
Berlin bildet an seinen Universitäten zwar fleißig Lehrende aus, die gehen aber nach dem Studium nach Brandenburg, Niedersachsen oder Hamburg, weil sie dort verbeamtet werden.
Der Markt regelt die Sache, so heißt es doch auch schon in der Schule.
So und jetzt mal eine Erörterung. Ihr wisst schon: Einleitung, Argument, Gegenargument. Fazit 😕
Bildungsexperte Ramseger fordert daher, an Grundschulen die Fächer Deutsch, Sachkunde und Mathe nur von ausgebildeten Pädagogen unterrichten zu lassen. Sein Vorschlag:
"Vier Stunden ordentlichen Unterricht, dann nach Hause."
Jörg Ramseger, Bildungsexpertetagesspiegel
Schön für die Schüler, weniger schön für die Eltern. Denn auch die Hortplätze sind knapp.
Die ganze Debatte erinnert allmählich an die Diskussion um die sogenannten Schlecker-Frauen?
Schlecker, wer?
Zur Erinnerung: Das waren jene Angestellten, die nach der Pleite der Drogeriekette 2012 den Mangel an Erzieherinnen ausgleichen sollten.
Dem liberalen Bürgertum war das aber zu viel. Es fürchtete, wer an der Kasse sitze, könnte unmöglich das Kind auf die Aufgaben für das 21. Jahrhundert vorbereiten.
Und da beginnt eben das Problem: Es geht bei Bildung nicht mehr um Chancengleichheit, sondern nur noch um Statuserhalt.
Seien die Fachkräfte nun von studierten Pädagögen oder von Seiteneinsteigern ausgebildet worden. Die Wahrheit ist: Wie im jedem Beruf gibt es unter den Quereinsteigern nicht mehr und nicht weniger Flaschen als in jedem anderen Beruf auch. Journalismus nicht ausgenommen.