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Lützerath: Abriss unnötig? Neue Studie könnte Braunkohle-Dorf retten

RWE stoppen Rote Linie gegen Konzernmacht Aktion in Lützerath Demo. Am 20.8.2022 versammelten sich Klima-Aktivist*innen in Lützerath zu einer vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac organisierten ...
Am Wochenende haben Klimaschützer:innen dafür demonstriert, dass Lützerath bleiben darf.Bild: www.imago-images.de / imago images
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Lützerath: Abriss unnötig? Neue Studie könnte Braunkohle-Dorf retten

23.08.2022, 07:3123.08.2022, 14:28
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Forschende der "Coal Exit Research Group" sind sich einig: Für den deutschen Strombedarf wird die Braunkohle unter Lützerath nicht benötigt – auch mit Blick auf die Gasknappheit nicht. Zu diesem Schluss sind Wissenschaftler:innen der Europa-Universität Flensburg, der Technischen Universität Berlin sowie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer kürzlich veröffentlichten Kurzstudie gekommen.

Dafür haben sie untersucht, welche Auswirkung die angekündigte Reaktivierung von Kohlekraftwerken auf den Förderbedarf am Tagebau Garzweiler II hat. Als Grundlage dienten den Forschenden der im Osterpaket der Bundesregierung beschlossene Ausbaupfad für erneuerbare Energien. Aber auch der für NRW angekündigte Kohleausstieg 2030 sowie eine unwahrscheinlich hohe Auslastung der Kohlekraftwerke aufgrund des Angriffskriegs Putins auf die Ukraine wurden miteinbezogen.

Teilnehmer einer Demonstration gehen auf einer Strasse in Richtung von Lützerath. "Fridays for Future", "Alle Dörfer Bleiben" und andere Gruppen hatten zu der Kundgebung zum Schutz ...
"Lützi bleibt" propagieren Demonstrierende am Wochenende im Rheinland.Bild: dpa / Henning Kaiser

Das Ergebnis der Studie: Auf den Abriss des kleinen Dorfes Lützerath im Rheinland könnte verzichtet werden – wenn die Politik dies denn wollte. Dass die Kohle, die unter Lützerath liegt, aus energiewirtschaftlicher Perspektive nicht mehr gebraucht wird, ist Energieökonomin Claudia Kemfert zufolge nichts Neues: "Das haben wir bereits mehrfach in vorausgegangenen Studien errechnet", sagt sie.

Maximal förderbare Kohle übersteigt CO2-Budget um etwa das Dreifache

Kemfert ist Mit-Autorin der kürzlich erschienenen Studie und pocht darauf, den Ausbau der erneuerbaren Energien schnellstmöglich wieder anzukurbeln und kurzfristige Ausbaupotentiale anzuheben.

Gegenüber watson sagt sie:

"Zudem müssen ernsthafte Einsparmaßnahmen getroffen werden, um eine steigende Kohlenachfrage so weit nur möglich einzugrenzen oder zu verhindern."

Damit die Pariser Klimaziele noch erreicht werden können, dürften der Studie nach nur noch 70 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden. Alles, was darüber hinausgeht, sei nicht mehr kompatibel mit dem 1,5 Grad-Ziel.

Aber auch ohne, dass das Dorf Lützerath abgerissen wird, übersteigt die noch maximal zu entnehmende Fördermenge von 210 Millionen Tonnen Braunkohle das 1,5-Grad-kompatible CO2-Budget des Tagebaus um etwa das Dreifache.

Abbaggern Lützeraths spart Kosten für Tagebaubetreibende

"Und trotzdem wird die Devastierung des Ortes Lützerathes durch den Tagebaubetreibenden so vehement vorangetrieben", bemängelt Kemfert. Auf Luftbildern sei zu sehen, wie "erschreckend nahe" die Bagger den Gebäuden der Ortschaft bereits gekommen sind.

RWE stoppen Rote Linie gegen Konzernmacht Aktion in Lützerath Blick auf den Braunkohletagebau. Am 20.8.2022 versammelten sich Klima-Aktivist*innen in Lützerath zu einer vom globalisierungskritischen N ...
Der Tagebau gleicht einer Mondlandschaft. Bild: imago images / aal.photo

Dabei geht es den Betreibenden des Tagebaus Kemfert zufolge weniger darum, an vermeintlich benötigte Vorräte zu kommen, als vielmehr darum, eine möglichst kostengünstige Abbauweise fahren zu können.

Gegenüber watson sagt sie:

"Wenn die Entwicklungsböschung des Tagebaus Garzweiler II einfach gesagt von Ost nach West als gerade Linie durch die Landschaft walzen darf, entstehen geringere Betriebskosten, als wenn der Tagebau südlich am Ort Lützerath vorbei entwickelt werden muss, um das Dorf zu erhalten. Höhere Betriebskosten dürfen aber natürlich kein Grund sein, Orte zu zerstören."

Deswegen sei es so wichtig zu erkennen, wie hoch der Preis einer verschleppten Energiewende und eine mangelnde Diversifizierung der Gasquellen sein könnte: "Die deutsche Braunkohle hat immer noch einen viel zu großen Anteil an den CO2-Emissionen Deutschlands und sogar Europas", sagt Kemfert.

Fridays for Future: Politik steht in Verantwortung Dörfer vor Abriss zu retten

Die Klimaschützer:innen von Fridays for Future sehen das ähnlich. Sumejja Dizdarević, Sprecherin aus NRW, erklärt gegenüber watson:

"Die Studie bestätigt das, was wir seit Jahren erklären: Alle Dörfer müssen bleiben. Das ist sowohl für die soziale Gerechtigkeit als auch für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze von absoluter Wichtigkeit."

Nun sei die Politik an der Reihe, den Erhalt der Dörfer zu gewährleisten und die Energiewende schnell voranzutreiben. "Es kann nicht sein, dass Großkonzerne von einer sozial-ökologischen Pflicht befreit und in der Zerstörung mehrerer Dörfer für fossile Profite unterstützt werden", ergänzt Dizdarević.

Noch Ende August soll der letzte Bauer in Lützerath, Eckardt Heukamp, seinen Hof verlassen. Am 1. September fallen dann juristisch alle Gebäude und Liegenschaften an RWE.

The last local farmer Eckardt Heukamp in the village of Lützerath on Juni 13, 2022 in Lützerath, Germany. Lützerath is a hamlet of the town of Erkelenz in North Rhine-Westphalia. The energy supply gro ...
Nach der Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Münster hat Landwirt Eckardt Heukamp aufgegeben. Bild: www.imago-images.de / imago images

Um die Rodung des Dorfes doch noch zu verhindern, hatte das globalisierungskritische Netzwerk Attac noch am Samstag zu einer Demonstration aufgerufen. Ob die Klimaaktivist:innen auf den letzten Metern Erfolg haben, bleibt abzuwarten. Nach der Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Ende März hat Heukamp nach jahrelangem Widerstand aufgegeben – und sein Grundstück an RWE verkauft.

Ende Juni hatte die RWE Power AG im Braunkohlenausschuss der Bezirksregierung Köln erklärt, nicht auf das Abbaugebiet Lützerath verzichten zu wollen.

Die Chancen stehen schlecht. Obwohl die Braunkohle nicht benötigt wird. Obwohl eine weitere Kohleförderung, die mit den CO2-Emissionen vom Pariser Klimaabkommen kompatibel wäre, das sprengen würde.