Sie waren gar nicht da – und dann doch ziemlich präsent. Die Ex-SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel waren dem Parteitag fern geblieben.
Diejenigen, die gekommen waren, warfen an diesem Freitag zunächst vor allem einen Blick zurück und gingen hart ins Gericht mit ihrer Politik von gestern: mit Hartz-IV, mit der Eine-Spitze-Partei-Struktur, mit der Schröder-SPD.
Die Abrechnung mit der Schröder-Gabriel-SPD läutete der Generalsekretär Lars Klingbeil ein, der einen neuen Politikstil forderte. "Diese Partei braucht Teamgeist und keine Leute, die breitbeinig durch Berlin laufen und alles wissen", sagte er den 600 Delegierten. Der Ex-Parteichefin Andrea Nahles galt dieser Zwischenton ausdrücklich nicht.
Es ging weiter mit der Rede des Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, der sich explizit bei der ebenfalls abwesenden Andrea Nahles bedankte. Vor allem auch, weil diese keine Kommentare von der Seitenlinie gebe. Der Gruß galt den Ex-Vorsitzenden Schröder und Gabriel, die kurz vor dem Parteitag scharfe Kritik an der neuen Spitze und dem Zustand der SPD im Allgemeinen übten.
Auch die zu diesem Zeitpunkt noch designierte Parteivorsitzende Saskia Esken rief in ihrer Bewerbungsrede zum Kampf gegen die alte SPD auf. Heute leiste sich Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa, sagte sie und gestand: "Ja, die SPD hat zu diesen Zuständen beitragen." Aber es sei Zeit, das umzukehren. Sie wolle den Niedriglohnsektor austrocken und wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Und die obligatorische Kampfansage gegen das SPD-Traumata schlechthin durfte da auch nicht fehlen:
Eine neue Zeit für die Sozialdemokratie rief auch Norbert Walter-Borjans aus. Er erinnerte an SPD-Urgesteine wie Rau oder Brandt, sprach von "Umverteilung von oben nach unten", von Märkten, die sich der Demokratie unterzuordnen haben oder kritisierte die "Schwarze Null" und "Schuldenbremse". Wenn das alles ein Linksschwenk der Partei sei, dann sind wir eben links, rief er den Delegierten zu. Die applaudierten.
Das Signal, das an diesem ersten Tag vom Parteitag ausgeht: Die SPD will wieder linke Volkspartei sein und Schröder und die Agenda-Politik vergessen machen. Dabei bricht sie mit einer Schröder-SPD von gestern mittels einer Sozialromantik-Rhetorik von vorgestern. Es wirkte wie ein Parteitag aus einer anderen Zeit.
Gewählt wurde dann auch: Saskia Esken erhielt 75,9 Prozent der Stimmen, Walter-Borjans 89,2 Prozent. Damit steht erstmals ein Frau-Mann-Duo an der Spitze der Sozialdemokraten.
Doch weiter weg von den SPD-Ministern in der Großen Koalition könnte die neue SPD gar nicht stehen. Und dass die SPD jetzt wieder links sein will, müssen Olaf Scholz und Co. jetzt nur noch dem Koalitionspartner CDU erklären.
(ts)