Der Journalist Roland Tichy.Bild: dpa / Frank Leonhardt
Deutschland
Der in die Kritik stehende Journalist Roland
Tichy gibt den Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung ab. Er trete bei
der am 30. Oktober anstehenden Wiederwahl nicht mehr an, heißt es in
einem Schreiben des Vorstandes vom Donnerstag an die Mitglieder der
Stiftung.
Grund für den Schritt Tichys, der seit 2014 den Vorsitz innehat,
ist ganz offensichtlich eine Debatte um frauenfeindliche Äußerungen
über die SPD-Politikerin Sawsan Chebli in der Monatszeitschrift
"Tichys Einblick".
Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, twitterte zu Tichys
Rückzug:
"Die einzig richtige Entscheidung."
Chebli twitterte, der
Rücktritt von Tichy sei "längst überfällig" gewesen, "aber er löst
natürlich nicht das Riesenproblem, das wir mit Sexismus haben.
Deshalb: Lasst uns auch künftig alle niemals schweigen!"
Doro Bär kündigte Mitgliedschaft
Zunächst hatte die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär
(CSU), ihre Mitgliedschaft in der Stiftung aus Protest gegen Tichy
gekündigt. "Grund für diese Entscheidung ist eine Publikation in dem
Magazin "Tichys Einblick", die frauenverachtende und in höchstem
Ausmaß sexistische Äußerungen gegenüber meiner Kollegin Sawsan Chebli
enthält", sagte Bär dem "Handelsblatt".
Am Donnerstag kündigten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
sowie der Vorsitzende der Mittelstandsunion Carsten Linnemann an, mit
sofortiger Wirkung ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung
ruhen zu lassen. Das CDU-Präsidiumsmitglied Spahn und
CDU/CSU-Fraktionsvize Linnemann erklärten dazu:
"Die Ludwig-Erhard-Stiftung ist eine Institution mit langer Tradition und dem Erbe des Namensgebers verpflichtet. Leider ist seit geraumer Zeit eine Debattenkultur von führenden Vertretern der Stiftung festzustellen, die dieser Verantwortung nicht gerecht wird. Das schadet dem Ansehen Ludwig Erhards."
Kritik an Tichy äußerte nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen
Zeitung" auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der ebenfalls
Mitglied der Stiftung ist. In einem Schreiben an die anderen
Mitglieder der Stiftung argumentiert Weidmann demnach: "Als Mitglied
schätze ich die Stiftung, weil sie der Fortentwicklung
marktwirtschaftlichen und freiheitlich-demokratischen Denkens eine
Plattform bietet. Ein Ziel, das gerade in der heutigen Zeit in seiner
Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Dazu gehört aus meiner Sicht
ein Debattenklima gegenseitigen Respekts, nicht nur innerhalb der
Stiftung, sondern auch darüber hinaus."
Merz hatte bereits 2018 den Ludwig-Erhard-Preis abgelehnt. Wie
das "Handelsblatt" damals unter Berufung auf Einschätzungen von
Jury-Mitgliedern berichtete, war ein Grund, dass er bei der
Verleihung mit Tichy zusammen auf der Bühne stehen sollte.
Pflichtlektüre für das rechtspopulistische Spektrum
Tichy selbst bezeichnet sein Magazin als "liberal-konservatives
Meinungsmagazin". Das Magazin und die Online-Plattform
tichyseinblick.de gehören für viele Politiker aus dem
rechtspopulistischen Spektrum zur Pflichtlektüre. Tichy war von 2007
bis 2014 Chefredakteur der "Wirtschaftswoche".
Der Vater des deutschen Wirtschaftswunders, der frühere
Wirtschaftsminister und Kanzler Ludwig Erhard gründete die Stiftung
1967. Sie sollte die Idee der sozialen Marktwirtschaft unter anderem
durch Veranstaltungen verbreiten und stützen.
(lin/dpa)