Auch hier ist derzeit alles dicht: Einkaufszentrum im hessischen Hanau. Bild: imago images / rheinmainfoto
Deutschland
02.01.2021, 08:3802.01.2021, 12:40
Der Handel rechnet nicht mit einem raschen Ende der
coronabedingten Ladenschließungen in Deutschland. "Ich fürchte, dass
die Läden am 10. Januar noch nicht wieder öffnen dürfen. Denn das
Ziel, die 7-Tage-Inzidenz bundesweit auf unter 50 zu senken, wird bis
dahin wohl nicht zu erreichen sein", sagte der Hauptgeschäftsführer
des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, der Deutschen
Presse-Agentur.
Der Handel fühlt sich in der Krise alleingelassen. "Die Lage ist
wirklich sehr ernst", erklärte Genth. "Bundesfinanzminister Olaf
Scholz kündigt zwar immer Milliardenhilfen an, tatsächlich kommen die
Hilfen aber nicht zur Auszahlung, weil die Zugangshürden viel zu hoch
sind." Dadurch habe der Einzelhandel keinen ausreichenden Zugang zu
Staatshilfen.
In den nächsten Monaten drohe eine Insolvenzwelle im Einzelhandel,
warnte Genth. Viele Handelsunternehmen, die von dem zweimaligen
Lockdown betroffen seien, hätten ihr Eigenkapital weitgehend
aufgezehrt und benötigten jetzt wirtschaftliche Unterstützung.
Andernfalls drohe das Aus "für bis zu 50.000 Geschäfte".
In Gefahr sieht der Handel vor allem Modehäuser
Vorrangiges Ziel müsse es sein, die Geschäfte wieder zu öffnen,
sobald dies aus Sicht der Virologen wieder möglich sei und sie dann
auch geöffnet zu halten. "Wir können uns nicht von einem Lockdown zum
nächsten entlanghangeln. Das werden viele Tausende
Handelsunternehmen, insbesondere Modehäuser, nicht überstehen",
warnte Genth. Dass geöffnete Ladentüren und Pandemiebekämpfung kein
Widerspruch seien, habe der Einzelhandel in den vergangenen Monaten
bewiesen. Einkaufen sei kein Hotspot. Die Erkrankungszahlen bei den
Mitarbeitern im Handel bewegten sich auf unauffälligem Niveau.
Fest steht für den Branchenkenner, dass das Einkaufen künftig
digitaler wird. Viele Kunden, die früher nicht online eingekauften,
hätten in der Pandemie erlebt, dass es funktioniere. Für den
stationären Handel sei der stürmische Wandel aber nicht so einfach zu
bewältigen.
Einzelhändler versuchen es jetzt mit Online-Handel – schwierig, "gefunden zu werden"
"Viele Händler versuchen zur Zeit, im Internet ein zweites Standbein
aufzubauen, aber das ist enorm schwierig", betonte Genth.
Die größte Schwierigkeit für einen Händler sei es, im Internet
gefunden zu werden. "In der Innenstadt geht es um Lage, Lage, Lage.
Nicht anders ist es im Internet. Man muss gefunden und wahrgenommen
werden." Für einen Mittelständler sei es jedoch eine große
Herausforderung, im Wettlauf mit großen Anbietern überhaupt zur
Kenntnis genommen zu werden. Ein anderes großes Problem sei der harte
Preiswettbewerb, der im Internet alles dominiere.
Die Unternehmen benötigten deshalb staatliche Unterstützung. Vorbild
dafür könne Nordrhein-Westfalen mit seinen Digital-Coaches sein – Beratern, die zu Unternehmen gehen und sie passgenau bei der
Digitalisierung unterstützen. "Das könnten wir uns als bundesweites
Modell mit Unterstützung des schon bestehenden Kompetenzzentrum
Handel vorstellen", sagte Genth.
Ein bisschen Rückenwind könnten dem Handel im neuen Jahr
Sonntagsöffnungen an einigen Wochenende geben, hofft Genth.
Allerdings seien die rechtlichen Voraussetzungen dafür nach wie vor
"absolut unbefriedigend". Tatsächlich scheitern regelmäßig Pläne des
Handels für verkaufsoffene Sonntage an juristischen Einsprüchen von
Kirchen und Gewerkschaften. "Wir brauchen hier eine Befreiung. Für
die Klärung sehen wir nur den Weg über eine Verfassungsbeschwerde an
das Bundesverfassungsgericht", sagte Genth. Einzige Alternative dazu
sei eine Klarstellung des Gesetzgebers, aber dazu wäre eine
Grundgesetzänderung notwendig.
(andi/dpa)