Die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz haben ihre Partei auf einen eigenständigen Wahlkampf ohne Koalitionspräferenzen bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 eingestellt. In einer ersten offiziellen gemeinsamen Kandidatenrunde im Adenauerhaus, der Parteizentrale in Berlin, wurden am Montagabend viele inhaltliche Parallelen zwischen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und dem Außenpolitiker Norbert Röttgen deutlich. Auf persönliche Attacken verzichteten alle Seiten. Etwas Stimmung kam lediglich beim Thema Bildungsföderalismus und bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf.
Die in Fernsehen und Internet übertragene Runde war Auftakt des offiziellen parteiinternen Wahlkampfs um den Parteivorsitz. Mehr als 700 Mitglieder hatten per Video, als Mail oder Audiobotschaft Fragen gestellt. Es war der erste gemeinsame Auftritt von Merz, Laschet und Röttgen seit einer Veranstaltung des Nachwuchses von der Jungen Union Mitte Oktober.
Laschet warnte die CDU davor, im Wahlkampf nur auf die Grünen als möglichen Koalitionspartner zu schauen. Er wies auf seine Regierung mit der FDP in NRW hin. "Das ist eigentlich ein Partner, der uns besonders nahe steht." Zwar sei eine Koalition unter Beteiligung der FDP im Moment nach den Umfragen nicht wahrscheinlich. "Aber es gleich auf die Grünen zu fokussieren, halte ich für falsch."
Auch Röttgen verlangte einen eigenständigen Wahlkampf. "Ein Koalitionswahlkampf führen wäre das Falscheste, was wir tun können", sagte er. Die CDU brauche Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik. Diese müsse die CDU mit der ihr zugeschriebenen marktwirtschaftlichen Kompetenz verbinden. Auch Merz betonte das eigene Profil der Partei. "Wir müssen dafür sorgen, dass sich in allen politischen Themen die anderen politischen Parteien an uns messen und wir uns nicht an denen." In der Umweltpolitik seien Ideen und nicht Verbote nötig.
Angesprochen auf den niedrigen Frauenanteil in der CDU sagte Laschet, die nächste Bundesregierung müsse paritätisch aus Männern und Frauen besetzt sein. Laut Röttgen braucht die Partei eine Kulturveränderung, "in der Frauen gern in der CDU mitmachen". Merz betonte, eine Frauenquote sei die zweitbeste Lösung. Besser wäre es, wenn die CDU mehr Frauen als Mitglieder bekäme.
Nachdem Laschet, Merz und Röttgen über weite Strecken bekannte und teils nur in Nuancen abweichende politische Rezepte präsentiert hatten, entwickelte sich bei den Themen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie beim Bildungsföderalismus ein wenig Stimmung.
Nachdem Merz und Röttgen darauf pochten, dass mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan werden müsse, sagte Laschet, diese Frage sei "vor 10, 15 Jahren bei uns in Deutschland völlig unterentwickelt" gewesen. Inzwischen habe die CDU hier aber einen Riesenschritt gemacht – etwa mit dem 2013 eingeführten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für Kinder zwischen einem und drei Jahren. "Wenn ich manchmal höre, in den letzten Jahren ist die Achse der Partei in irgendeine Richtung verschoben worden: Nein, sie hat eine Antwort gegeben auf eine gesellschaftliche Anforderung". Das dürfte in Richtung Merz gemünzt gewesen sein.
Beim Thema Bildungsföderalismus – die Länder sind hier zuständig – sagte Merz, der Bund habe etwa mit dem Digitalpakt Schule versucht, den Ländern zu helfen. Dabei stelle der Bund den Ländern mehr als 5 Milliarden Euro zur Verfügung, bislang seien nur etwa 10 bis 15 Prozent ausgegeben worden. Die Schulen seien offensichtlich nicht in der Lage, eine solche Kraftanstrengung hinzubekommen. Die Länder sollten hier mehr Organisationsverantwortung übernehmen.
Laschet meldete sich daraufhin mit der Bemerkung zu Wort, er wolle direkt widersprechen. Die Äußerungen von Merz erweckten den Eindruck, als seien die Schulträger vor Ort "zu blöd". Merz rief daraufhin dazwischen: "Das habe ich nicht gesagt" – man lasse die Schulen allein. Worauf wiederum Laschet konterte, die Regeln seien schlecht und zu bürokratisch. Dies geschehe immer dann, wenn der Bund glaube, sich um etwas kümmern zu müssen, bei dem er keine Kompetenz habe. Der Disput war hier schon wieder beendet: Merz stimmte Laschet zu.
Die CDU-Spitze hatte am Montag nach beinahe einjähriger Hängepartie wegen der Corona-Pandemie entschieden, dass der neue Vorsitzende Mitte Januar auf einem fast vollständig digitalen Parteitag gewählt werden soll. Vorgesehen ist, dass die 1001 Delegierten beim virtuellen Parteitag am 15. und 16. Januar zunächst eine "digitale Vorauswahl" treffen, die sie dann durch eine Briefwahl bestätigen. Die Briefwahlzettel, auf denen nur noch der Sieger der digitalen Abstimmung stehen soll, sollen laut Generalsekretär Paul Ziemiak am 22. Januar ausgezählt und das Ergebnis dann verkündet werden.
(mse/dpa)