Die Amoktat bei einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas in Hamburg erschüttert Deutschland. Am Donnerstagabend soll ein ehemaliges Mitglied der Gemeinde mindestens sieben Menschen getötet und mehrere schwer verletzt haben. Der vermeintliche Täter wurde später selbst tot aufgefunden.
Was ist das für eine Gemeinde, mit der aktuell viele Menschen in Deutschland trauern? watson hat die wichtigsten Fragen zu den Zeugen Jehovas, die weltweit acht Millionen Mitglieder zählen, für euch beantwortet.
Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Die Anhänger:innen glauben an Jehova als "allmächtigen Gott und Schöpfer" und sollen sich strengen Vorschriften unterwerfen. Sie sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevorsteht und sie als auserwählte Gemeinde gerettet werden.
Die streng organisierte Gruppe wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem Geschäftsmann Charles Taze Russell (1852-1916) in den USA gegründet und finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unter dem Nazi-Regime war die Glaubensgemeinschaft verboten und wurde verfolgt.
Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millionen Mitglieder. Die "Weltzentrale" ist in New York. Die deutsche Gemeinschaft mit weniger als 200.000 Mitgliedern gehört zu den größten in Europa.
Rein rechtlich haben die Zeugen Jehovas in Deutschland den Körperschaftsstatus und sind damit offiziell eine Religionsgemeinschaft. Allein in Russland werden sie von den Behörden als Sekte eingestuft. Wissenschaftler:innen ordnen sie dem christlichen Fundamentalismus zu.
Rechtliche Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts haben die Zeugen Jehovas in Deutschland aber erst seit 2017 in allen Bundesländern. Dem ging ein jahrelanger Rechtsstreit voraus, in dem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000 wegweisend wurde. Die Karlsruher Richter:innen entschieden damals, dass die Zeugen Jehovas rechtstreu sind – eine wesentliche Voraussetzung für die staatliche Anerkennung, die etwa mit dem Recht zum Einzug der Kirchensteuer verbunden ist.
Dem Staat stehen die Zeugen Jehovas distanziert gegenüber, sie bezeichnen ihn als "Bestandteil des Weltsatans". An Wahlen nehmen sie aus religiösen Gründen nicht teil. Übermäßiger Alkoholgenuss, Tabak und das Feiern nach dem christlichen Festkalender werden ebenso abgelehnt wie Bluttransfusionen.
Die Zeugen Jehovas haben keine bezahlten Geistlichen. Ihre Gottesdienste finden in "Königreichssälen" statt. Ihre wichtigsten Publikationen sind "Der Wachtturm" und "Erwachet!". Die Zeugen Jehovas glauben an einen bald bevorstehenden Welt-Untergang.
Ihrem eigenen Glauben nach kann eine begrenzte Zahl von 144.000 Menschen nach ihrem Tod in den Himmel kommen und dort mit Jesus eine Weltregierung bilden. Dies sind für die Zeugen Jehovas Menschen mit himmlischer Hoffnung – andere Gläubige haben eine irdische Hoffnung, was Kritiker:innen als Zweiklassengesellschaft im Glauben sehen.
(nik/mit Material von dpa und AFP)