Die Holocaust-Überlebende Inge Auerbacher hat am Donnerstag als Gastrednerin im Bundestag ihr persönliches Schicksal erzählt und damit exemplarisch auf das Schicksal der Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Jüdinnen und Juden hingewiesen, die nicht wie sie "durch ein Wunder" mit dem Leben davonkamen. Sie warnte in ihrer Rede auch vor neu aufkeimendem Antisemitismus, auch in Deutschland, und wandte sich gegen "Menschenhass" in jeder Form.
"Ich bin ein jüdisches Mädel aus dem badischen Dorf Kippenheim", begann Auerbacher, die nach dem Krieg mit ihren Eltern nach New York auswanderte, wo sie bis heute lebt. Ihr Vater war als Kriegsversehrter des Ersten Weltkrieges Träger des Eisernen Kreuzes. Die Zeit der Verfolgung begann für die damals knapp Vierjährige mit den Novemberpogromen 1938, mit denen das bis dahin friedliche Zusammenleben von Juden und Christen in ihrem Heimatdorf geendet habe.
Es folgten Diskriminierung und Ausgrenzung, 1941 die Deportation ins KZ Theresienstadt. Die meisten ihrer Mithäftlinge seien von dort nach und nach zur Ermordung nach Auschwitz gebracht worden, darunter ihre beste Freundin. Ihre eigene Familie wurde verschont, überlebte bis zur Befreiung des Lagers durch die Rote Armee 1945. In Deutschland mochten sie danach nicht mehr bleiben.
"Ich habe noch die grauenhafte Zeit des Schreckens und des Terrors in Erinnerung", sagte Auerbacher in der Gedenkstunde zum 77. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz im Bundestag. "Leider ist dieser Krebs wieder erwacht und Judenhass ist in vielen Ländern - auch in Deutschland - wieder alltäglich", warnte sie. "Diese Krankheit muss so schnell wie möglich geheilt werden", mahnte die heute 87-Jährige.
"Menschenhass ist etwas Schreckliches" betonte Auerbacher, der es trotz gesundheitlicher Folgen der KZ-Haft in den USA gelang, Karriere als Chemikerin zu machen. "Wir sind geboren als Brüder und Schwestern, mein innigster Wunsch ist die Versöhnung aller Menschen", hob sie zum Schluss ihrer Rede hervor.
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat anlässlich des Holocaust-Gedenktags zur Wachsamkeit gegenüber anhaltender Judenfeindlichkeit aufgerufen. "Der Antisemitismus ist mitten unter uns", warnte sie am Donnerstag bei der Gedenkstunde des Parlaments. Antisemitismus gebe es nicht nur am äußersten politischen Rand - er sei ein Problem der ganzen Gesellschaft.
"Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, Antisemitismus mit aller Kraft entgegenzutreten und Jüdinnen und Juden zu schützen." schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) per Twitter. Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte: "Es ist unser aller Verantwortung, entschlossen jeglichem Extremismus und Antisemitismus entgegenzutreten."
(nik/dpa)