Das jüdische Pessachfest ist in Israel eigentlich eine klassische Familienfeier – vergleichbar mit Weihnachten in Deutschland. Traditionell sitzen am "Sederabend" mindestens ein Dutzend Familienmitglieder gemeinsam am Tisch. Doch wegen der Corona-Pandemie müssen in diesem Jahr sehr viele Israelis allein feiern – vor allem alte Menschen.
Auch die Osterfeiern in der Altstadt von Jerusalem werden diesmal anders aussehen. Und die Muslime schauen mit Bangen auf den Fastenmonat Ramadan, der in mehr als zwei Wochen beginnt und normalerweise viele Menschen an einem Tisch zusammenbringt.
Das Pessachfest, das am Mittwochabend beginnt, hat für die meisten Israelis einen tiefen Symbolwert. Es erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Befreiung aus der Sklaverei. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte die Bürger auf, das Fest in diesem Jahr nur mit der Kernfamilie zu begehen.
Feiern solle man "nur mit denen, die schon im Haus wohnen", betonte Netanjahu. "Ein kleiner Sederabend ist ein sicherer Sederabend." Traditionell sitzen am "Sederabend" zum Auftakt des Pessachfestes mindestens ein Dutzend Familienmitglieder zum gemeinsamen Essen am Tisch. Sie lesen und singen gemeinsam die Pessach-Geschichte.
Auch Studenten oder Soldaten sollten nicht zu ihren Eltern fahren. Am schwierigsten sei diese Anweisung: "Geht nicht zu eurer Großmutter und eurem Großvater – ihr würdet ihr Leben in Gefahr bringen." Besonders in abgeriegelten strengreligiösen Wohnvierteln, wo die Ansteckungsrate besonders hoch ist, sollen Sicherheitskräfte gewährleisten, dass die Kontaktbeschränkungen eingehalten werden.
Die strengen Aufforderungen zum Abstand halten widersprechen tief verwurzelten Grundsätzen der israelischen Gesellschaft, die für ihren besonders starken Familienzusammenhalt bekannt ist. Gesundheitsexperten mahnen aber, man sehe erst jetzt die verheerenden Auswirkungen des jüdischen Karnevals Purim Anfang März – wegen vieler Feiern habe sich das Virus besonders stark ausgebreitet.
Netanjahu betonte, die Anweisungen für Pessach gälten auch für die anderen Religionsgemeinschaften. Am Karfreitag ziehen sonst Tausende Christen in mehreren Prozessionen durch Jerusalems Altstadt. Gläubige tragen Holzkreuze und empfinden auf der Via Dolorosa den Leidensweg Jesu nach. Bei Osterprozessionen ist es in den engen Gassen der Altstadt oft so eng, dass die Menschen sich kaum bewegen können. Doch in diesem Jahr soll wegen der Corona-Krise alles anders sein.
"Die Situation in Jerusalem nimmt in der Corona-Gesundheitskrise einen besonderen Stellenwert ein", sagt ein israelischer Repräsentant. "In der Altstadt gibt es Stätten, die für das Christentum von höchster Bedeutung sind." Die Grabeskirche, die an dem Ort steht, an dem Jesus der Überlieferung nach gestorben und auferstanden ist, sei "das Epizentrum der christlichen Osterfeiern".
Israel hat angesichts der Ausbreitung des Coronavirus alle Gebetshäuser im Land bis auf weiteres geschlossen. Dies betrifft Juden, Muslime und Christen. Das Land will in diesem Jahr zu Ostern auch keine Prozessionen in der Altstadt erlauben.
Orthodoxe Christen dürfen aber etwa am 18. April in der Grabeskirche das "Heilige Feuer" feiern – mit einem sehr kleinen Teilnehmerkreis. Dem Glauben nach entzündete sich an Ostern der Orthodoxen selbstständig ein Licht in der Grabkapelle. Dieses wird vom griechisch-orthodoxen Patriarchen weitergegeben, um das Feuer in die orthodoxe Welt zu tragen.
Auch in diesem Jahr soll es in Spezialcontainern zum Flughafen bei Tel Aviv gebracht werden. Dort warten Flugzeuge unter anderem aus Russland, Griechenland, Bulgarien und der Ukraine. Anders als sonst müssen die Würdenträger diesmal im Flugzeug auf das Licht warten.
Mit Sorge erwarten auch Millionen Muslime weltweit den Ramadan, der voraussichtlich am 23. April beginnt. Zum Iftar, dem täglichen Fastenbrechen nach Sonnenuntergang, kommen sonst viele Menschen zusammen, in der Familie oder an Tafeln auf der Straße, die oft für Ärmere aufgebaut werden. Die Moscheen sind voller Gläubiger.
All das wird in diesem Jahr in gewohnter Form wohl ausfallen. Ägypten untersagte bereits Tafeln zum Fastenbrechen. Auch die rund fünf Millionen Muslime in Deutschland werden betroffen sein. Muslime würden dieses Jahr "nicht theologisch, aber menschlich" vor große Herausforderungen gestellt, sagte Odette Yilmaz, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds (LIB), im Deutschlandfunk.
"Ramadan wird in diesem Jahr traurig sein", klagt die Sunnitin Samar Kulailat aus Libanons Hauptstadt Beirut. "Normalerweise kommen alle meine Geschwister zusammen, um gemeinsam zu essen und zu beten." Dieses Jahr aber würden alle zu Hause bleiben. Die Libanesin Hala Audi Baidun will sich mit ihren Töchtern, die in Paris und Dubai leben, zumindest über Videochat treffen. "Ich werde vermissen, für sie zu kochen. Aber ich werde sie dazu bringen, dass sie selbst kochen. Ich habe schon angefangen, mit ihnen Rezepte auszutauschen."
(dpa/lin)