Die FDP ist mit einem digitalen Parteitag in den Bundestagswahlkampf gestartet. Die Delegierten haben einen großen Teil des Spitzenpersonals bestätigt: Parteichef Christian Lindner mit über 90 Prozent, seinen Stellvertreter Wolfgang Kubicki und Generalsekretär Volker Wissing ebenfalls mit starkem Ergebnis. Die zweite von drei Vizechefs, Nicola Beer, wurde mit nur gut 60 Prozent leicht abgewatscht, wie schon 2019. Neuer Stellvertreter wird Johannes Vogel, der an die Stelle von Katja Suding rückt – die als Berufspolitikerin aufhört.
Was bleibt außerdem von diesem Wochenende? Was ist von der FDP in den nächsten Monaten zu erwarten? Fünf Erkenntnisse aus dem Parteitag.
Die FDP will regieren – und Lindner flirtet mit der Union
"Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren": 2017, spät an einem Novemberabend, sagte Christian Lindner diesen Satz in die Fernsehkameras, nachdem er die Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition der FDP mit CDU, CSU und Grünen abgebrochen hatte. Politiker von Union, SPD und Grünen haben den Liberalen seither regelmäßig vorgeworfen, vor der Verantwortung geflüchtet zu sein. Auch FDP-Politiker erzählen bis heute, dass ihnen auch liberal tickende Menschen das Nein zu Jamaika vorwürfen, an Wahlkampfständen, in Diskussionen, im Freundeskreis.
2021 soll so etwas nicht mehr passieren – die FDP-Spitze weiß, dass etwa Unternehmer und Selbständige, die bevorzugt FDP wählen, wenig Sympathie haben vor Politikern, die vor Verantwortung davonlaufen.
Es ist ja auch eine andere Bundestagswahl, das hat FDP-Generalsekretär Volker Wissing in seiner Parteitagsrede am Samstag betont: Kanzlerin Angela Merkel – mit der Lindner 2017 nicht zusammenarbeiten wollte, weil unter ihr keine echte Veränderung möglich sei – tritt nicht mehr an. Und Lindner sagt bei seiner Rede am Freitag:
"Unser Ziel ist es, dass Deutschland weiter aus der Mitte regiert wird."
Und das, so die Botschaft, sei nur gesichert, wenn die FDP dabei sei. "Unser Wahlziel ist, so stark zweistellig zu werden, dass sowohl schwarz-grüne als auch grün-rot-rote Mehrheitsbildungen ausgeschlossen sind", meint Lindner weiter in seiner Rede. Das heißt: Die Liberalen müssen drin sein in der Bundesregierung.
In welcher Regierung? Es gibt in der FDP, wie in anderen demokratischen Parteien, unterschiedliche Flügel. Einen eher konservativen, mit Politikern wie Parteivize Wolfgang Kubicki, denen Steuersenkungen und die Ablehnung zusätzlicher Staatsschulden besonders am Herzen liegen. Einen sozialliberalen oder linksliberalen, bei dem Bürgerrechte, eine liberale Drogenpolitik, eine ehrgeizige Klimapolitik sehen würden und mehr Aufmerksamkeit für sozial Benachteiligte besonders wichtig sind: Der am Freitag neu gewählte Vize Johannes Vogel ist inzwischen dessen mächtigster Vertreter in der Partei.
In Interviews sagen FDP-Politiker beider Flügel, dass sie natürlich offen seien für Gespräche mit allen "demokratischen Parteien". Das heißt, die AfD soll tabu sein, mit der Linkspartei sind die Differenzen viel zu groß. Aber mit Union, SPD oder Grünen ginge es grundsätzlich. Parteichef Lindner hat mehrfach erklärt, dass er zur CDU die größte Nähe sieht, auch am Rande dieses Parteitags wieder. Andere Bundestagsabgeordnete sind deutlich skeptischer: Es sei alles andere als sicher, dass mit der Union Änderungen durchzusetzen seien.
Sie können am besten mit der Union: FDP-Vize Wolfgang Kubicki (rechts) neben Parteichef Lindner. Bild: Getty Images Europe / Pool
Ein interessantes Signal kam derweil am Wochenende von der SPD, genauer gesagt von ihrem linken Jungpolitiker Kevin Kühnert. Der meinte, in einem Interview mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND): "Beim Ziel, Steuersenkungen für Privathaushalte zu schaffen, stimmt Christian Lindner mit der SPD zu 95 Prozent überein."
Die FDP hält sich alle Optionen offen. Eine Variante kann sie sich aber eigentlich nicht mehr leisten: Noch einmal aus Koalitionsverhandlungen davonlaufen.
Die FDP will Sprachrohr für den Frust über Corona-Politik sein
Die Corona-Pandemie war auf diesem FDP-Parteitag zum einen überall. Zum anderen war sie kaum präsent. Sie war überall, weil es – wie schon bei Union, Linken und SPD – ein digitaler Parteitag war, bei dem nur die Mitglieder des Präsidiums vor Ort im Kongresszentrum in Berlin sprachen, mit Reinigungskräften, die regelmäßig Mikrofon und Redepult desinfizierten.
Aber Parteichef Lindner und Generalsekretär Volker Wissing war die Krankheit Covid-19 nur einen knappen Satz wert. Die über 86.000 Toten in Deutschland erwähnten sie in ihren Reden gar nicht (anders als SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei seiner Parteitagsrede am vergangenen Sonntag). "Es ist eine gefährliche Erkrankung", sagte Lindner. Danach folgte ein minutenlanger Redeabschnitt, in dem der die Einschränkungen der Freiheitsrechte beklagte und Ausgangssperren anprangerte. Wissing meinte, Grundrechte hätte man "zu Priviliegien verklärt".
Die FDP-Spitze präsentiert die Partei als aufrichtige Verteidigerin der Freiheitsrechte in Pandemie-Zeiten, die sich gegen enormen Widerstand behaupten müsse. Parteivize Kubicki sagte, weil sich die FDP für den Rechtsstaat einsetze, werfe man ihr Populismus vor. Und er ergänzte: "Wenn das Populismus ist, dann will ich Populist sein."
Die Strategie kann aufgehen: Mehrere FDP-Politiker erklärten am Wochenende den Höhenflug der Partei in den Umfragen (zwischen 10 und 12 Prozent) damit, dass gerade besonders viele Menschen entdeckt hätten, wie wertvoll Freiheit ist. Wenn das stimmt, kann die Partei mit ihrer Strategie ihre guten Werte halten oder sogar steigern.
Pandemiepolitik als Gefahr für die Freiheit: FDP-Generalsekretär Volker Wissing. Bild: Getty Images Europe / Pool
Die Zustimmung zur FDP könnte aber auch vor allem deshalb so hoch sein, weil CDU und CSU gerade ein schlechtes Bild abgeben. Dann könnten die Umfragewerte wieder absinken, wenn die Union sich fangen sollte. Und die geringe Aufmerksamkeit, die die FDP den Toten und Versehrten der Covid-Pandemie könnte ihr schaden: Bei all denjenigen, die selbst direkt oder indirekt von der Krankheit betroffen sind – ebenso wie bei Krankenpflegern und Ärzten, die täglich mit Erkrankten konfrontiert sind.
Bildung, Soziales, Feminismus: Ein ziemlich progressives Programm
Änderungsanträge, Geschäftsordnungsanträge, Rede und Gegenrede: Den größten Teil des Parteitags nahm die Diskussion um das Wahlprogramm der FDP ein. Der Parteivorstand hatte, wie bei Programmparteitagen üblich, einen Leitantrag eingereicht, mit einem Entwurf für das Programm. Mit hunderten Änderungsanträgen wollten Delegierte einzelne Punkte ändern, teils mit Erfolg.
Das Resultat ist ein Programm, in dem auf der einen Seite klassische FDP-Forderung stehen: nach einer Senkung der Unternehmenssteuer, einem Deckel für Sozialabgaben, einem Nein zu Steuererhöhungen.
War recht erfolgreich: Juli-Chef Jens Teutrine. Bild: www.imago-images.de / Revierfoto
Anderseits haben es FDP-Forderungen ins Programm geschafft, die so oder so ähnlich auch bei Grünen oder SPD stehen könnten:etwa die nach einem "liberalen Feminismus", der die "Selbstbestimmung aller Individuen frei von gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen aufgrund ihres gewählten oder biologischen Geschlechts" anstrebe. Die FDP steht damit also für mehr Gender-Sensibilität ein.
Im sozialen Bereich macht sich die Partei für ein "liberales Bürgergeld" stark, das Hartz IV und sonstige Sozialleistungen ersetzen soll – und Menschen mehr Geld überlassen soll, die etwas zur staatlichen Unterstützung hinzuverdienen.
Alle Änderungsanträge der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale zur Bildung und Ausbildung junger Menschen haben es ins Programm geschafft: Unter anderem steht jetzt die Forderung nach einem "modularen Schulsystem" im Wahlprogramm, bei dem Schülerinnen und Schüler sich ihren Unterricht teilweise selbst zusammenstellen können. Eine "Zukunftsgarantie" soll junge Menschen unterstützen, die keinen Ausbildungsplatz finden.
Die FDP ist machtbewusst, aber auch streitlustig
Mit einer Forderung sind die Jungen Liberalen (Julis) gescheitert: Sie wollten nicht nur – wie im Programmentwurf gefordert – eine kontrollierte Freigabe von Cannabis im Programm stehen haben. Die Julis wünschen sich, dass die Drogenpolitik in Deutschland sich am "portugiesischen Modell" orientiert. In Portugal wird Drogenbesitz nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit behandelt – und ist somit weitgehend gescheitert.
Kurios ist, wie der Antrag der Julis scheiterte: Zunächst wurde am Samstagabend der Änderungsantrag mit dem "portugiesischen Modell" mit 61 Prozent der Stimmen angenommen. Allerdings hatte es vorher die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, aus technischen Gründen nicht geschafft, ihre Gegenrede per Videochat einzubringen. Daraufhin machte die Parteiführung um Kubicki und Lindner Druck, wieder über eine Streichung der Passage zum portugiesischen Modell abzustimmen. Generalsekretär Wissing brachte als wichtiges Argument gegen den Antrag ein: Mit einer solchen Forderung mache sich die FDP angreifbar durch CDU und CSU.
Nach einer kurzen Debatte stimmten 58 Prozent der Delegierten für die Streichung: Die FDP geht also nicht mit einer Forderung nach einer liberalen Drogenpolitik wie in Portugal in den Wahlkampf.
Es war einer von mehreren Belegen dafür, dass auch bei der FDP digitale Parteitage besonders anstrengend sind: weil die Software oft hakt, weil bei Redebeiträgen die Verbindung hängt.
Ziemlich einsam: Parteichef Christian Lindner bei einem Interview am Rande des digitalen Parteitags. bild: imago images / stefan zeitz
Es war der wohl heftigste Streit auf diesem Parteitag, aber nicht der einzige. Später am Abend gab es eine längere Debatte über den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk: mit dem Ergebnis, dass die Senkung des Rundfunkbeitrags jetzt auf Wunsch von Juli-Chef Jens Teutrine ausdrücklich im Wahlprogramm steht. Am Sonntag gab es ein Hin und Her zur Forderung nach einer Abschaffung der Tanzverbote vor manchen religiösen Feiertagen: Teutrine geriet mit den FDP-Delegierten aus Baden-Württemberg aneinander. Am Ende schaffte es die Forderung nach einem Ende der Tanzverbote ins Programm.
Fazit: Die FDP wirkt machtbewusst – aber Konflikte könnten ausbrechen
Die Liberalen wollen nach der nächsten Wahl mitregieren, darüber ist sich ein großer Teil der Partei einig. Das Ziel will die FDP mit einem Programm erreichen, in dem sie sich, wie seit Jahrzehnten, als Verbündete der Unternehmen präsentiert – aber auch als Vertreterin einer Bildungs- und Sozialpolitik, die an die Stärke jedes Menschen glaubt, unabhängig von Geschlecht und Herkunft.
Auf dem Bundesparteitag zeigte sich aber auch, wie viel Konfliktpotenzial in der Partei steckt. Wie heftig diese Konflikte ausbrechen, wird sich zeigen, falls es wirklich klappt mit der Regierungsbeteiligung. Je nachdem, auf welche Kompromisse sich die FDP einlässt.
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