Mal schnell zum Einkaufen, abends von der Freundin nach Hause oder einfach anstelle von Bahn und Bus: Viele Menschen nutzen das E-Scooter-Angebot in deutschen Städten gerne und oft.
Allerdings selten, um dafür das Auto stehenzulassen.
Häufig landen E-Scooter allerdings etwa in Flüssen und Seen, bieten großes Stolperpotenzial vor U-Bahn-Stationen oder liegen kreuz und quer auf Gehwegen.
Das sind nur ein paar der Gründe, weshalb Leih-E-Scooter in Städten wie Barcelona oder Montréal bereits verboten sind und Paris nun ebenfalls nachziehen möchte.
In Deutschland wird das Thema spätestens seit der neuen Unfallstatistik für das Jahr 2022 wieder kontroverser diskutiert. Die Unfälle mit E-Scootern sind enorm angestiegen: 49 Prozent mehr, meldete das Statistische Bundesamt. Dabei sind sogar elf Menschen ums Leben gekommen.
Wie die Politik dieses Problem angehen will und wie Verkehrsexperten den Umgang mit E-Scootern einschätzen, hat watson zusammengefasst.
Auf Anfrage von watson, wie das FDP-geführte Verkehrsministerium (BMDV) auf die gestiegenen Unfallzahlen im Zusammenhang mit E-Scootern blickt, antwortete das Ministerium: "Verkehrssicherheit hat für das BMDV oberste Priorität." Deshalb würde die Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung, worunter auch E-Scooter fallen, nun auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Zielsetzung und Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit überprüft.
Die Auswertung sei allerdings noch nicht abgeschlossen. Manche deutschen Städte sind hier bereits deutlich weiter.
So teilte die Stadt München etwa bereits im April mit, dass sie nichts von einem generellen Verbot hält. Stattdessen setzt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auf die Anbieter.
Er hoffe, dass die Pariser Entscheidung "ein echter Weckruf" sei. Die Anbieter müssten schärfer kontrollieren. Zudem hoffe er, dass die Nutzer der E-Scooter "endlich erkennen, wie wichtig ein rücksichtsvoller Umgang ist und dass es von ihnen abhängt, ob die E-Scooter in München eine Zukunft haben oder nicht".
Auch Hamburg will und kann die E-Scooter in der Innenstadt nicht gänzlich verbieten. Zumindest nicht, solange sie ordnungsgemäß abgestellt wurden. Hier sind dann wieder die Anbieter in der Pflicht. Die Städte müssen sich allerdings mit diesen vorher an den Verhandlungstisch setzen.
Auf watson-Anfrage kritisierte die Stadt Hamburg jedoch einen fehlenden Handlungsspielraum der Städte:
Ein Sprecher der Stadt schlug zudem in dieselbe Kerbe wie Münchens OB Dieter Reiter. Auch er ist der Meinung, dass die Entscheidung in Paris als Fingerzeig auf die Anbieter gewertet werden könne.
In enger Abstimmung mit den Anbietern versucht Hamburg mit folgenden Maßnahmen den Problemen mit den Scootern zu begegnen:
Der Sprecher betonte allerdings auch, dass die E-Scooter aus Sicht der Stadt Hamburg noch keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilitätswende leisten konnten.
Das sieht die Stadt Köln anders. Auch sie wird durch die Landesgesetzgebung Nordrhein-Westfalens in einem Verbot der E-Scooter limitiert. Allerdings herrscht dort die Überzeugung, "dass E-Scooter einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende in unserer Stadt leisten können", wie ein Sprecher auf Anfrage von watson mitteilte.
Demnach sind jedoch vor allem die Anbieter gefragt, die entsprechende Vorkehrungen gegen einen Verstoß der Nutzungsrechte treffen müssten.
Die Stadt habe laut dem Sprecher – ähnlich wie Hamburg – vor, die E-Scooter pro Anbieter in Zukunft zu begrenzen.
Eine Sprecherin der Stadt Berlin teilte auf Anfrage von watson mit, dass auch in der Hauptstadt das Anbieten der E-Scooter unter Auflagen erlaubt bleiben wird. Dadurch soll die Behinderung des Fußverkehrs eingedämmt werden. Sie stellt allerdings auch fest: "Das gelingt noch nicht überall zufriedenstellend, hat sich aber bereits verbessert."
In Berlin wird das Anbieten der E-Scooter durch die Sondernutzungsregelung legitimiert. Rund 41.000 Elektro-Tretroller sind in der Bundeshauptstadt in Umlauf. Verbessert werden soll die Verkehrssituation für die Fußgänger:innen in Berlin so:
Verkehrsplaner und Dekan für Bauingenieurwesen an der Hochschule Darmstadt, Jürgen Follmann, betont im Gespräch mit watson, wie wichtig die E-Scooter für die Verkehrswende sind. Er sagt: "Wir können die Augen vor der Technik nicht verschließen. Die E-Scooter zu verbannen, wäre der falsche Weg."
Allerdings müsse ein Rahmen geschaffen werden, um den richtigen Umgang mit den Elektro-Tretrollern zu gewährleisten. "Das geht meiner Meinung nach nur über den Geldbeutel", sagt Follmann. Ihm zufolge könnte etwa eine Kaution vor dem Leihvorgang eingeführt werden – ähnlich wie bei Mietwägen. Das würde Verstoße gegen die Nutzungsrechte vorbeugen und somit eindämmen.
Denn E-Scooter würden zu viel Platz an den falschen Stellen einnehmen. Es wäre beispielsweise kein Problem, die Fahrzeuge auf Autostellplätzen unterzubringen, wohl aber, damit den Fußverkehr auf den Gehwegen zu behindern. "Hier müsste vonseiten der Städte konsequenter gehandelt werden", fordert Follmann.
Er betont zudem: "Für die sogenannte 'letzte Meile' ist der E-Scooter ein wichtiges Mittel." Die wenigsten Menschen ließen ihr Auto jedoch dafür stehen. Laut dem Verkehrsexperten könnten E-Scooter aber für viele die letzte Lücke zwischen Bahn und Arbeit oder Bahn und eigener Haustüre füllen. "So würde eine perfekte Wegekette entstehen und mehr Menschen nutzen die Bahn", meint Follmann.