Nicht nur Schülerinnen, Schüler und Studierende haben unter der Pandemie gelitten, sondern auch die Auszubildenden. Sie hatten oftmals gleich doppelt zu kämpfen: zum einen, weil der Unterricht an den Berufsschulen als Wechselunterricht oder von zu Hause stattgefunden hat. Zum anderen, weil auch der praktische Anteil im Betrieb in vielen Fällen nicht stattfinden konnte wie geplant.
Eine Studie der IG Metall kommt zu dem Schluss, dass 53 Prozent der befragten jungen Menschen befürchten, durch ihren Abschluss während der Pandemie schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben.
In der Auswertung der Studie fassen die Autoren zusammen:
Durch Arbeit und Ausbildung im Homeoffice sinke die Qualität der Ausbildung, so die Erkenntnis aus der IG-Metall-Studie. Jungen Menschen fehle die Struktur – ebenso wie die Abwechslung und der Austausch mit den Kollegen.
Außerdem sei problematisch, dass Arbeit und Freizeit sich nicht mehr klar trennen ließen. Der Fernunterricht an den Berufsschulen sei für viele der Auszubildenden demotivierend – teilweise ließen sie sich zu leicht ablenken, teilweise sei das Lehrpersonal mit der Technik überfordert gewesen.
Im kommenden Schuljahr planen die Länder, Präsenzunterricht zu ermöglichen. "Auf dieses Ziel haben sich alle 16 Bundesländer in der Kultusministerkonferenz verständigt", heißt es aus dem nordrhein-westfälischen Schulministerium.
Es wird laut Philipp Bender, Sprecher des hessischen Kultusministeriums, nicht davon ausgegangen, dass die Schulen wieder schließen müssen. Der Grund für den Optimismus: Die Schnell- bzw. Selbsttests und die Impfungen seien mittlerweile mächtige Instrumente, die es im vergangenen Herbst nicht gegeben habe. Sollte es trotzdem zum Distanzunterricht kommen, seien Schulen auch darauf besser vorbereitet, erklärt Philipp Bender.
Um Lernrückstände auszugleichen, habe der Bund außerdem 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, erklärt Eva Schmidt, Sprecherin des Ministeriums für Bildung und Kultur des Saarlandes. "Ins Saarland fließen davon rund 11,5 Millionen Euro. Mit weiteren 16,5 Millionen Euro aus Landesmitteln stehen im Saarland somit rund 28 Millionen Euro für den Abbau von Lernrückständen in den Jahren 2021 und 2022 zur Verfügung", sagt sie.
Von diesem Geld profitierten auch die berufsbildenden Schulen. Niedersachsen plant zum Beispiel den Berufsschulen durch die finanzielle Unterstützung die Möglichkeit zu bieten, individuelle Förderungen anzubieten. Ulrich Schubert, Sprecher des Kultusministeriums, erklärt:
An Berufsschulen bestehe außerdem die besondere Situation, dass viele der Schülerinnen und Schüler über 18 Jahre alt seien, sagt Benedikt Reinhard, Sprecher des Ministeriums für Kultus in Baden-Württemberg. "Diese Schülerinnen und Schüler können sich impfen lassen und dadurch besteht auch eine große Chance auf möglichst viel Präsenzunterricht im kommenden Schuljahr", fügt er hinzu.
Mit Blick auf Reiserückkehrer und die Delta-Variante des Coronavirus ist weiterhin Vorsicht geboten. Vorsorglich möchte zum Beispiel der Freistaat Bayern mit einer inzidenzunabhängigen Maskenpflicht auch am Sitzplatz in das neue Schuljahr starten. Auch andere Bundesländer wollen zum Schulstart besondere Vorsicht walten lassen.
Aus Sicht der Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gibt es viel Aufholbedarf in Sachen Berufsschule und Ausbildung unter Pandemiebedingungen.
DGB-Jugendreferentin Anna Bruckner erklärt gegenüber watson:
Die DGB-Jugend hat für die Lehrlinge ein Online-Beratungstool eingerichtet: Dr. Azubi. Dort laufen laut Bruckner "zunehmend viele Klagen von Auszubildenden ein, die von den Arbeitgebern zu ausbildungsfremden Tätigkeiten verdonnert werden." Zum Beispiel Renovierungsarbeiten.
Besonders betroffen von den Missständen in der Ausbildung ist aus Sicht der DGB-Jugend der Bereich E-Learning gewesen. "Hier wurden junge Menschen vielfach alleine damit gelassen, sich ihre notwendige digitale Infrastruktur zu organisieren, um dem Unterricht zu folgen", sagt Bruckner. Aus diesem Grund müsse nun dafür gesorgt werden, dass "Auszubildende mit kostenlosen prüfungsvorbereitenden Angeboten unterstützt werden."
Die Kultusministerien könnten außerdem nicht länger ignorieren, dass mehr in Berufsschulen investiert werden müsse. Gegenüber watson fordert die Jugendreferentin: "Wir brauchen massive Investitionen für eine bessere technische Ausstattung, in bessere Schulgebäude, aber auch bessere Arbeitsbedingungen und Qualifizierungsangebote für Berufsschullehrerinnen und -lehrer.“
Obwohl auch die Berufsschulen unter das Hoheitsrecht der Länder fallen, hatten die 16 Kultus- und Bildungsministerien ähnliche Herangehensweisen: Distanz- und Wechselunterricht, Priorisierung der Abschlussklassen.
Aus Sicht von Sabine Schmidt, Sprecherin des Ministeriums für Bildung in Rheinland-Pfalz lief das vergangene Berufsschuljahr gut.
Gegenüber watson erklärt sie:
Was außerdem gut gelaufen sei: Die Abschlussklassen wurden möglichst früh zurück in den Präsenzunterricht geholt. Ebenso Auszubildende, die in ihren eigenen vier Wänden schlechte Lernbedingungen gehabt hätten. "Auch ihnen haben wir in Phasen des grundsätzlichen Fern- oder Wechselunterrichts die Möglichkeit geboten, an einem Arbeitsplatz in der Schule zu lernen", sagt Schmidt.
"Rückblickend auf das vergangene Schuljahr bedeuteten die flächendeckenden Schulschließungen natürlich eine enorme Belastung für die Schülerinnen und Schüler", sagt Dirk Reelfs, Sprecher des sächsischen Staatsministeriums für Kultus. Trotzdem seien Schülerinnen und Schüler in der Lage gewesen, hervorragende Abschlüsse zu erzielen. "Allerdings sind Schüler während der häuslichen Lernzeit auch verloren gegangen", sagt Reelfs. Diese hätten nach der Schulöffnung wieder an einen geregelten Schulalltag herangeführt werden müssen.
Wie Josefine Hannig, Sprecherin des Ministeriums für Bildung von Sachsen-Anhalt erklärt, seien die Schülerinnen und Schülern, die im Distanz- und Wechselunterricht mit Aufgaben versorgt und über Online-Unterricht beschult worden. Beim Rückkehren in die Schule sei der Fokus vorrangig auf die Abschlussjahrgänge gerichtet worden. Gegenüber watson erklärt Hannig:
Konnte die betriebliche Praxis nicht ausgeführt werden, weil die Betriebe pandemiebedingt schließen mussten, hat sich die Hansestadt Hamburg darum bemüht, schulische Alternativangebote zu bieten, erklärt Claudia Pittelkow von der Behörde für Schule und Berufsbildung. Betroffen von diesem Angebot waren beispielsweise Auszubildende in Hotel- oder Kulturbetrieben.
Auch Moritz Volkmann, der seine Ausbildung bei der Veranstaltungstechnik-Firma "Active Blue" in Bremen macht, hätte es so ergehen können. Die meisten Veranstaltungen sind in den vergangenen eineinhalb Jahren abgesagt worden. Er hatte aber Glück, seine Firma hat sich in der Pandemie neu orientiert und die Streamlab Studios gegründet. Aufgenommen wird dort alles, was sonst als normale Veranstaltung stattfinden würde: Parteitage, Jahresversammlungen, Produktvorstellungen.
Dadurch, dass der Chef der Firma, bei der Volkmann lernt, sehr schnell klargestellt hat, dass "Active Blue" die Krise überstehen werde, ist dem angehenden Veranstaltungstechniker eine Last genommen worden. "Es tat gut, zu wissen, dass man die Ausbildung nicht abbrechen muss", erklärt er gegenüber watson. In seiner Berufsschule habe sich die Situation allerdings nicht so schnell geklärt.
"Der Präsenzunterricht wurde irgendwann eingestellt. Dann gab es erst einmal gar keinen Unterricht", sagt Volkmann. Nach einer Weile hätten er und seine Mitschüler Aufgabenblätter bekommen, irgendwann auch Online-Unterricht. Der junge Bremer zeigt dafür Verständnis. "Trotzdem haben die Lehrer ihr Bestes gegeben", sagt er.
Er habe auch nicht den Eindruck, schlechter ausgebildet zu sein oder weniger gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Corona-Jahrgang als Makel? "Am Ende geht es oft über Probearbeiten und ich glaube, dass ich da schon viel draufhabe", zeigt er sich zuversichtlich.