155 Seiten hat die Partei die Linke gebraucht, um ihre Vision einer sozialeren und gerechteren Welt niederzuschreiben. Und das so klar und verständlich, dass das Programm von jedem Bürger und jeder Bürgerin verstanden werden kann. 204 Mal finden Klimaschutz, Klimakatastrophe und Klimagerechtigkeit ihren Platz, nur zweimal das Wort Sozialismus.
Im Vorwort wird direkt die Wunschklientel der Partei beschrieben: Menschen mit geringem Einkommen, Menschen, die während der Corona-Pandemie nicht zu den Gewinnern gehört haben und Menschen, denen Solidarität mit eben genannten wichtig ist. Fast alles dreht sich um soziale Gerechtigkeit in diesem Wahlprogramm.
Und zwar in jedem Themenbereich. Die ersten Kapitel quellen über vor Forderungen, die das Leben vieler Menschen besser machen wollen: faire Löhne, Versicherungen für alle, Pflegenotstand stoppen, Miete und Bildung. Später geht es vom Kleinen ins Große: Frieden, Europa, und die weltweite soziale Gerechtigkeit. Ungerechtigkeiten sollen abgebaut werden, das ist das erklärte Ziel der Linken.
Die Linke verspricht, dass Deutschland bereits 2035 klimaneutral wird. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 80 Prozent sinken. Erreichen will die Partei diese Ziele durch einen "sozial-ökologischen Systemwechsel".
Freie Märkte und Klimaschutz sind für die Linke unvereinbar. Die Wirtschaft muss aus Sicht der Partei also vom Staat umgebaut werden: hin zu einem System, das ökologischen Zielen folgt. Deshalb, so glaubt die Linke, braucht es klare politische Regeln, die klimaschädliche Emissionen und den Ressourcenverbrauch deckeln.
Im Programm liest sich die Idee der Partei so:
Den Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten lehnt die Linke als wichtigstes Instrument für den Klimaschutz ab. Stattdessen sollen Förderprogramme den Umbau der Konzerne nach strikten Vorgaben unterstützen.
Finanziert werden sollen die Pläne der Partei – sowohl im Bereich Klimaschutz, als auch bei den sozialen Forderungen, die die Partei stellt – durch höhere Steuern für manche Menschen und große Unternehmen. So sollen Reiche mehr belastet werden. Die Linke spricht sich für die Einführung einer Vermögensteuer aus: Besteuert werden soll das Privatvermögen, das nicht mit Schulden belegt ist – wer also etwa seine erste Wohnung oder sein erstes Haus mit einem Kredit finanziert, soll die Steuer nicht zahlen.
Bis zu fünf Prozent sollen Millionäre zahlen. Der Steuersatz soll sich am Nettovermögen orientieren und startet bei einem Prozent. Ab einem Nettovermögen von 50 Millionen Euro soll der Höchstsatz von fünf Prozent greifen. Auch die Erbschaftsteuer soll erhöht werden.
Klimaschutz und soziale Verträglichkeit gehören für die Partei zusammen, das wiederholt sie regelmäßig. Im Programm liest sich das zum Beispiel so:
Die Linke fordert in ihrem Programm eine vollständige Energiewende bis 2035 – und stellt klar, dass Atomstrom in keinem Fall eine Alternative sei. Lieber möchte die Partei auf Fotovoltaik und Windenergie setzen, dafür soll das Strom- und Wärmenetz nicht mehr "Energieriesen" gehören – sondern dem Staat. Wie teuer eine solche Verstaatlichung wäre, lässt die Partei offen.
Die Linke will eine Solardachpflicht bei Neubauten einführen. Auch sonst soll das Wohnen nachhaltiger werden: Bis 2025 plant die Partei alle Gebäude einem Klimacheck zu unterziehen, damit der Gebäudebestand bis 2035 klimaneutral sein könne.
Was die Partei außerdem drastisch verändern möchte, ist die Art und Weise, wie Menschen sich von A nach B bewegen. Geplant sind:
Der Güterverkehr soll von der Straße auf die Schiene verlegt werden. Ebenso will die Partei die Pendlerpauschale abschaffen und durch ein "sozialgerechtes Mobilitätsgeld" für jeden ersetzen. Wie viel das sein soll, lässt die Linke in ihrem Programm offen. Dienstwagen sollen nicht mehr vom zu versteuernden Einkommen abgesetzt werden können.
Die Partei spricht sich klar für ein Verbot von Fracking aus – also die Förderung von Erdgas oder Erdöl mithilfe von Bohrungen und hydraulischem Druck. Ebenso will die Partei sich dafür einsetzen, dass weder Dörfer noch Wälder dem Abbau von Braunkohle weichen müssen.
Auf europäischer und internationaler Ebene will sich die Partei für ein Lieferkettengesetz einsetzen, das nicht nur sozial, sondern auch nachhaltig ist. Wichtig sei außerdem ein europäischer CO2-Grenzausgleichsmechanismus. Dieser soll Produkte, die nicht aus der EU stammen, aber sehr CO2-intensiv hergestellt wurden, teurer machen.
Die Partei will zudem den Energiecharta-Vertrag stoppen. Dieser Vertrag ermöglicht fossilen Konzernen Staaten zu verklagen, wenn diese aus der Energieherstellung mit Kohle, Öl oder Gas aussteigen wollen. Diese Klagen koten die Staaten unwahrscheinlich viel Geld, das sie als Ausgleichszahlungen abgeben müssen. Der Europäische Gerichtshof erklärte den Vertrag allerdings Anfang September für ungültig und entzog so den meisten Verfahren die Grundlage.
Die Linke hat diverse marginalisierte Gruppen auf dem Zettel: Migranten, queere Jugendliche, die LGTBQA+-Community (lesbische, schwule, trans-, bi- und asexuelle Menschen), Geflüchtete und Menschen mit Behinderung. Für sie alle will die Partei das Leben gerechter und einfacher gestalten.
Die Partei will zum Beispiel ein Wahlverwandschaftsrecht einführen: Das bedeutet, dass nicht länger nur Ehepaare oder eingetragene Lebenspartner besondere Rechte und Pflichten haben können. Konkret geht es um das umfangreiche Besuchsrecht im Krankheitsfall, Adoptionen, das Recht Aussagen vor Gericht zu verweigern, aber auch um die Pflege im Krankheitsfall oder die Zuwendung für Kinder in dieser Wahlverwandtschaft.
Unterschiedliche Lebensentwürfe sollen Teil der Schulbildung werden. Außerdem will sich die Linke für die rechtliche Anerkennung der Co-Elternschaft einsetzen. Queere Communitys sollen gestärkt werden. Unter anderem durch einen Rettungsschirm, der ihnen nach der Pandemie ermöglichen soll, Schutzräume und Einrichtungen wieder zu öffnen und die Strukturen zu erhalten. Es sollen außerdem Wohnungen für queere Jugendliche geschaffen werden, diese hätten es laut der Linken nämlich besonders schwer, Fuß zu fassen. Auch queere Geflüchtete sollen dezentral untergebracht werden.
Die Partei möchte sich dafür starkmachen, dass die Geschlechtsidentität in Artikel drei des Grundgesetzes aufgenommen wird. Der Artikel, der alle Menschen vor dem Gesetz gleich erklärt. Auch die Blutspenderichtlinie soll reformiert werden – aktuell dürfen die meisten Homosexuellen-Männer nicht spenden. Krankenkassen sollen außerdem die Behandlung von Transpersonen zahlen: Operationen, Medikamente, psychologische Behandlung. Auch für alle anderen Menschen sollen Medikamente komplett von der Kasse übernommen werden.
Damit Menschen mit Behinderung mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, möchte die Linke ein Recht auf eine persönliche Assistenz einführen. Außerdem möchte sie den Arbeitsmarkt inklusiver gestalten. Unter anderem durch Barrierefreiheit, die ebenfalls in Neubauten und öffentlichen Gebäuden gewährleistet sein soll. Auch das Schulsystem soll inklusiv sein. Im Programm schreibt die Partei:
Menschen mit Migrationshintergrund möchte die Partei mehr Partizipation und Sicherheit ermöglichen. Konkret fordert sie in ihrem Programm:
Linker Feminismus, so nennt die Partei ihr Verständnis von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. In ihrem Programm definiert die Partei ihr Verständnis folgendermaßen:
Erreichen will die Linke dieses Ziel, indem sie die Care-Work, die oftmals an Frauen hängenbleibt, aufwertet und die Wochenarbeitszeit auf 28-30 Stunden reduziert. So bleibe auch neben einem Vollzeitjob und Kindererziehung Zeit für Hobbys oder politische Partizipation. Durch das Einführen eines Verbandsklagerechts im Entgelttransparenzgesetz sollen Gewerkschaften für ihre Mitglieder die gleichen Löhne einklagen können. Das Entgelttransparenzgesetz soll dafür sorgen, dass bei gleicher Arbeit gleich bezahlt wird. Es verpflichtet Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden zur Auskunft, nach welchen Kriterien sie bezahlen.
Auch soll der Niedriglohnsektor abgeschafft und der Mindestlohn auf 13 Euro angehoben werden. Die Linke spricht sich außerdem für eine Frauenquote in Unternehmen aus: Vorstände und Führungspositionen sollen so paritätisch aufgeteilt werden.
Um die Gewalt an Frauen zu bekämpfen, will sich die Partei für ein striktes Durchsetzen der Istanbul-Konvention einsetzen. Diese ist eine Übereinkunft des EU-Rates, die die Gewalt an Frauen verhindern soll. Behörden wie Polizei und Gerichte sollen außerdem für geschlechtsspezifische Gewalttaten sensibilisiert werden. Ebenso sollen Hilfsangebote ausgebaut werden. Die Linke schreibt in ihrem Programm:
Um das Kinderkriegen zur freien Entscheidung zu machen, will die Linke Schwangerschaftsabbrüche legalisieren und den umstrittenen Paragraphen 219a des Strafgesetzbuches, der die Werbung und Aufklärung für Abtreibungen verbietet abschaffen – ebenso wie den Paragraphen 218. Dieser sieht vor, dass derjenige, der die Abtreibung durchführt, mit einer Freiheitsstrafe rechnen muss. Außerdem soll eine künstliche Befruchtung allen Menschen zustehen und der Eingriff von der Krankenkasse gezahlt werden.
Um Verhütung und Menstruation gerechter zu machen, sollen Periodenprodukte gratis abgegeben werden. Ebenso will sich die Partei dafür einsetzen, dass die Krankenkassen für Verhütungsmittel aufkommen und an Verhütungsmöglichkeiten für Männer abseits des Kondoms geforscht wird.
Kurz und knapp: durch Bildung und finanzielle Unterstützung. Die Partei will sich für mehr Personal und mehr Geld für die Schulen einsetzen. Außerdem soll das Schulsystem umgebaut werden: statt Dreigliedrigkeit soll es die Schule für alle geben. Und das inklusiv, also auch für Menschen mit Behinderung. Dadurch, dass der Ganztagsunterricht flächendeckend obligatorisch werden soll, sollen außerdem Hausaufgaben und Nachhilfe unnötig werden. Die Lehrmittel, das Mensaessen und die Nutzung des ÖPNV sollen aus Sicht der Partei kostenlos werden.
Im Bereich der Berufsausbildung möchte sich die Partei für eine Vergütung einsetzen, die zum Leben reicht, ohne dass die jungen Menschen weiterhin ihren Eltern auf der Tasche liegen müssen. Betriebe, die nicht ausbilden, sollen eine Umlage zahlen, die den ausbildenden Betrieben zugutekommt. Außerdem will sich die Partei für eine Übernahmegarantie einsetzen.
Hochschulen sollen aus Sicht der Linken weiter geöffnet werden: nicht nur Fachabitur und Abitur sollen einen Zugang ermöglichen, sondern auch die Berufsausbildung. Die Studiengebühren sollen für alle abgeschafft werden – also auch für ausländische und Langzeitstudierende. Das BAföG soll reformiert werden und wieder mehr Menschen zustehen. Außerdem möchte die Linke die Zulassungsbeschränkung Numerus Clausus abschaffen.
Zusätzlich zu einem bedingungslosen Grundeinkommen von 1200 Euro soll laut Parteiprogramm eine Kindergrundsicherung Kinderarmut vorbeugen. Diese soll jedem Kind in Deutschland zustehen und je nach Bedarf gestaffelt werden. Bis zu 630 Euro soll es geben. Außerdem sollen Kita-Plätze kostenlos und das Personal in Jugendämtern verstärkt werden. Die Linke spricht sich dafür aus, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
Die Partei zeichnet ein sehr negatives Bild der Gegenwart und sieht quasi überall enormen Verbesserungs- und Änderungsbedarf. Das Jetzt wird im Programm also pessimistisch beschrieben. Mit dem Wahlprogramm und der Vision der Linken soll aus Parteisicht aber alles besser werden.
Die Linke legt ein Programm vor, das viele Menschen entlasten und reiche Menschen belasten soll, um einen solidarischen Ausgleich zu schaffen. Gleichzeitig denkt sie Klimaschutz und Innovation mit. Ihre Vision, wie die Welt sich entwickeln soll, liest sich wie eine Utopie und ist damit als sehr optimistisch zu werten. Gerade das Kapitel zu Krieg und Frieden, in dem die Partei das Ende der Nato und weltweite Abrüstung fordert, scheint allerdings fern der Realität zu sein.