Die Alternative für Deutschland warnt, Deutschland entwickle sich in die falsche Richtung. So könnte man in einem Satz das Programm der AfD für die Bundestagswahl zusammenfassen. Die Partei hat diese Botschaft aber natürlich ausführlicher aufgeschrieben: auf 210 Seiten, in denen sie ausführt, was sich aus ihrer Sicht ändern soll. Der Titel: "Deutschland. Aber normal."
Die Partei spielt mit echten oder vermuteten Ängsten der Bevölkerungen. Wer das Heft im blauen Umschlag liest, der bekommt den Eindruck vermittelt, dass dieses Land in Problemen förmlich versinkt und unterzugehen droht. Und dass selbstverständlich nur die AfD es davor bewahren kann.
Die rechtspopulistische Partei positioniert sich vor allem gegen angebliche linke Ideologien und die laut der Partei massive Bedrohung durch Migration. Als Lösung will die Partei eine Menge Steuern senken und "die eigene Kultur" schützen.
Der watson Wahlprogramm-Check
Damit ihr nicht die kompletten Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien lesen müsst, hat die watson-Politikredaktion das für euch übernommen. Wir checken die Programme von Union, SPD, AfD, FDP, der Linken und den Grünen.
Wir schauen uns vor allem an, was sie für Nachhaltigkeit, Diversität, Gleichberechtigung und Chancengleichheit tun – und wie viel Optimismus im Wahlprogramm steckt.
Was verspricht die AfD, um Deutschland nachhaltiger zu machen?
Kurz gesagt: ziemlich wenig. Die AfD bestreitet zwar nicht, dass das Klima sich verändert habe und die Durchschnittstemperatur in den vergangenen Jahrzehnten angestiegen sei. Es gebe, so behauptet es die Partei im Wahlprogramm, aber keine Beweise, dass die auf den Menschen zurückzuführen sei.
So liest sich das in den Worten der Alternative für Deutschland:
"Es ist bis heute nicht nachgewiesen, dass der Mensch, insbesondere die Industrie, für den Wandel des Klimas maßgeblich verantwortlich ist. Die jüngste Erwärmung liegt im Bereich natürlicher Klimaschwankungen, wie wir sie auch aus der vorindustriellen Vergangenheit kennen."
S. 175 des Wahlprogramms der AfD.
Hier muss gesagt werden, dass sich fast alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig sind, dass der Mensch der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Im August veröffentlichte der Weltklimarat der Vereinten Nationen einen Bericht, der diese Erkenntnis zum wiederholten Mal untermauert.
Aber auch das interessiert die AfD nicht. Laut Parteiprogramm hätten "Warmzeiten immer zu einer Blüte des Lebens und der Kulturen" geführt. Man solle den Klimawandel also nicht bekämpfen, sondern versuchen, sich den veränderten Bedingungen anzupassen.
Im Gegenteil habe der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu einem "Ergrünen der Erde beigetragen", steht es in dem Programm.
Daher leiten sich auch folgende Forderungen der Partei ab:
Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen
Green-Deal der EU ablehnen
CO2-Besteuerung abschaffen
Keine Wind- und Solaranlagen in Wäldern und Schutzgebieten
Windenergieanlagen mindestens das 10-fache der Gesamthöhe und mindestens 2,5 Kilometer von Wohnbebauung entfernt
Grundsätzlich positioniert sich die Partei gegen erneuerbare Energien und stellt sich hinter traditionelle Energiegewinnung. Vor allem Gaskraftwerke sind für die Partei von zentraler Bedeutung und dahingehend auch die russische Gaspipeline Nord Stream 2.
Aber auch aus der Kohleverstromung will die AfD nicht aussteigen. Deutschland habe die "weltweit saubersten und effizientesten Kohlekraftwerke".
Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen soll es nach AfD-Wünschen nicht geben, genauso wenig soll der Flugverkehr eingeschränkt werden. Dennoch betont auch die AfD, dass es wichtig sei, den Schienenpersonenverkehr auszubauen – und verweist dabei auf den bereits von der aktuellen Bundesregierung geplanten Deutschlandtakt und die Schweiz als Vorbild für ein modernes Eisenbahnnetz.
Auch will die Partei, dass Konsumenten auf regional erzeugte Landwirtschaftsprodukte zurückgreifen können. Bei diesem Punkt bleibt die AfD aber allgemein – bis auf diese Passage: "Außerdem setzen wir uns für ein Netz regionaler Schlachtbetriebe in Deutschland ein, um Tiertransporte so kurz wie möglich zu gestalten."
Was will die AfD für ein vielfältiges und diverses Deutschland tun?
Vielfalt und Diversität sind Themen, für die sich die AfD nicht einsetzen will. Im Gegenteil: Sie protestiert gegen beides. Im Parteiprogramm kommt das Wort Vielfalt nur ein einziges Mal vor und bezieht sich – natürlich mit negativer Bedeutung – auf den Unterricht an Schulen.
Im Wortlaut heißt es hier:
"Häufig wird die politische Beeinflussung von einer Frühsexualisierung im Sinne "diverser" Geschlechterrollen begleitet. Die "Sexualpädagogik der Vielfalt" versucht, Kinder in Bezug auf ihre sexuelle Identität zu verunsichern und Geschlechterrollen aufzulösen. Sie werden dadurch massiv in ihrer Entwicklung gestört."
S. 114 des Parteiprogramms der AfD.
Stattdessen propagiert die Partei das klassische Familienbild, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. Ein Modell wie Patchworkfamilien oder homosexuelle Eheschließungen finden in der Ausrichtung der Partei demnach keinen Platz.
Die AfD sieht die traditionelle Familie als "Keimzelle unserer Gesellschaft". Die Partei verspricht, Familien bei der Geburt jedes Kindes Rentenbeiträge in Höhe von 20.000 Euro zurückzuzahlen, beziehungsweise freizustellen. Dazu sollen alle kinderbezogenen Ausgaben steuerlich absetzbar sein, und die Eltern sollen in den ersten drei Jahren nach der Kindesgeburt Betreuungsgeld erhalten.
Alexander Gauland ist Ehren- und Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag. Bild: dpa / Kay Nietfeld
Für transsexuelle Menschen plant die AfD keine Verbesserungen, sondern sogar Einschränkungen: Eine Geschlechtsumwandlung soll erst ab der Volljährigkeit erlaubt sein.
Was verspricht die AfD, um Gleichberechtigung zu erreichen?
In den Schulen soll kein "Genderwahn" unterrichtet werden, wie sich die AfD ausdrückt. Was genau damit gemeint ist, lässt die Partei offen, sicher ist aber: Gendergerechte Sprache soll es dort und auch grundsätzlich in Deutschland nicht geben.
Die AfD bezeichnet einen Lehrplan, der auf gendersensitive Themen eingeht, als "Indoktrination" und zieht sogar einen Vergleich mit Methoden des dritten Reichs oder der DDR. Einer solchen "Beeinflussung" will die AfD entgegenwirken.
Ihre Ablehnung rechtfertigt die Partei immer wieder mit der angeblich bedrohten Freiheit des Individuums. Zum Beispiel: Eine Frau soll das Recht haben, Mutter zu werden und sich um die Kinder zu kümmern, ohne mit "gesellschaftlicher Ächtung" rechnen zu müssen.
Die Alternative für Deutschland ist gegen Antidiskriminierungsgesetze und eine Geschlechterquote, denn eine Ungleichbehandlung in dieser Form wäre unrechtmäßig. Im Parteiprogramm steht:
"Die AfD lehnt jede Art von Quoten ab. Sie sind leistungsfeindlich, ungerecht und stellen eine verfassungswidrige Diskriminierung derer dar, die nicht in den Genuss der Quote kommen."
S. 24 des Parteiprogramms der AfD.
Wie will die AfD allen die gleichen Chancen ermöglichen?
Vor allem bei der Rente will die AfD einiges ändern. Wann man in Rente geht, soll man selbst entscheiden dürfen, heißt es in dem Programm. Das bezieht sich vor allem auf Menschen, die länger berufstätig bleiben wollen.
Wer sein Leben lang Geringverdiener war, aber viel gearbeitet hat, der soll trotzdem entlohnt werden: 25 Prozent der Altersrente soll nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden.
Insgesamt soll der Rentenbeitrag gesenkt werden – ausgeglichen durch staatliche Zuschüsse. Finanziert werden soll das durch Einsparungen von Ausgaben bei der Migrations-, Klima- und EU-Politik.
Für Studenten setzt sich die AfD auch ein, aber nur für solche, die als "Keimzelle" leben. Wer während des Studiums ein Kind bekommt, dem soll das BAföG erlassen werden. Auch die Regelstudienzeit soll dann um bis zu sechs Semester verlängert werden können. Die durch die Bologna-Reform eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge will die Partei durch das alte Diplom- und Magisterstudiengänge ersetzen. Wie diese Rückkehr in die Vergangenheit mit anderen europäischen Staaten abgestimmt worden soll, lässt sie offen.
Andererseits wollen die Rechtspopulisten vor allem Ausbildungsberufe stärken, nach dem Motto: "Meister statt Master". Wie das genau geschehen soll, bleibt offen.
Alice Weidel ist AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag.Bild: dpa / Christoph Schmidt
Bei Sozialleistungen gibt sich die Partei großzügig – nur eben nicht für alle. Der Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung soll sinken und Arbeitslosengeld I soll über einen längeren Zeitraum fließen. Jedoch sollen keine Sozialleistungen an ausländische Konten ausbezahlt werden.
Auf der anderen Seite will die AfD die Erbschaftsteuer komplett abschaffen – obwohl dadurch die soziale Ungleichheit mit großer Wahrscheinlichkeit weiter steigen würde. Erben verschärft laut mehreren Studien (unter anderem laut einer in diesem Jahr erschienenen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) schon heute die Ungleichheit in Deutschland.
Menschen mit Behinderung verspricht die AfD eine "faire Entlohnung". Und Arbeitgeber, die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen schaffen, sollen nach einem Bonussystem belohnt werden. Genauer wird das Parteiprogramm allerdings nicht.
An Schulen soll jedoch kein inklusiver Unterricht stattfinden. Das bestehende Modell mit Förder- und Sonderschulen ist aus Sicht der AfD ausreichend.
Wie optimistisch ist das Wahlprogramm der AfD?
Das Deutschland im AfD-Parteiprogramm verkörpert das Gegenteil von Optimismus. Die Welt, die in diesem Programm gezeichnet wird, gleicht einer Horrorlandschaft – überall lauern Bedrohungen, alles geht in die falsche Richtung. Die derzeitige Politik, der Euro, die Migration, der angebliche Klima- und Genderwahn, der Linksextremismus, der Islam (der im Weltbild der AfD ein einheitlicher Block ist).
Wer diese aus AfD-Sicht furchterregenden Bedrohungen entschärfen will, der müsse AfD wählen, lässt sich aus dem Programm entnehmen.
Die Rechtspopulisten setzen auf Angst, um möglichst viele Wähler zu erreichen.
US-Wahl und die Spaltung der Gesellschaft: Was Deutschland daraus lernen sollte
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