In Spätis und Kiosken lassen sich nicht nur Nikotin-Vapes kaufen, sondern auch welche mit high machendem HHC.Bild: imago images / ZUMA Wire/ Vuk Valcic
Analyse
Die Suche nach dem Rausch, sie ist allgegenwärtig. Für die einen ist es das Feierabendbier – oder eher die fünf Feierabendbiere. Für andere die Sportwette zum Bundesligasamstag. Es gibt jene, die rasen auf der Autobahn ohne Rücksicht auf Verluste. Workaholics, die aus dem perfekten Pitch einen Endorphinschub ableiten. Wieder andere konsumieren andere Drogen, etwa Cannabis oder Kokain.
Diese Substanzen sind illegal, anders als Alkohol oder Nikotin. Dennoch gibt es in Spätis, Kiosken und im Internet mittlerweile "legale" Alternativen zu den Schwarzmarktprodukten. Diese Produkte sind nicht ohne: Sie machen high und können massive Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Was es damit auf sich hat und warum die Risiken so hoch sind, klärt watson für euch.
Warum können highmachende Substanzen legal verkauft werden?
Die Herstellenden sogenannter "legal highs" nutzen jeden rechtlichen Schlupfwinkel, der sich ihnen bietet. Und obwohl es mittlerweile das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz gibt, dass es dem Staat ermöglicht, ein breites Spektrum an Substanzen im Vorfeld zu verbieten, ist es ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Grauzone ist gigantisch – und das wird genutzt.
Was ist das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NpSG)?
Das NpSG wurde 2016 eingeführt, damit der Gesetzgeber nicht jeden neu aufkommenden Wirkstoff einzeln einstufen muss. So soll vermieden werden, dass Drogentüftler die chemische Brücke gängiger Substanzen nutzen und nur geringfügig verändern, um das Experiment frei verkaufen zu können. Das NpSG umfasst, anders als das Betäubungsmittelgesetz, ganze Stoffgruppen. Darunter auch die Gruppe der synthetischen Cannabinoide, wodurch der Handel und Besitz dieser Stoffe verboten ist.
Im Bereich von Cannabis ist derzeit Hexahydrocannabinol, kurz HHC, besonders beliebt. HHC ist eine chemische Verbindung, die in Hanfblüten auf natürliche Weise vorkommt. Und, ebenso wie das psychoaktive Tetrahydrocannabino (THC), high macht. Warum also ist HHC legal erhältlich?
Mit natürlichen Hanfpflanzen hat HHC kaum etwas zu tun.Bild: FR58980 AP / Hans Pennink
Anders als die durch das NpSG verbotenen synthetischen Cannabinoide, die künstlich hergestellt werden und nur die psychoaktive Wirkung von THC imitieren, soll HHC ein natürlicher Stoff sein. Das zumindest behaupten die Hersteller:innen. Daher falle die Substanz aus ihrer Sicht nicht unter das NpSG – und ist damit aus Sicht der Hersteller:innen legal. Eine Einordnung, die unter Jurist:innen umstritten ist. Klarheit gibt es bislang aber keine, denn Drogen müssen explizit mit einem Gesetz verboten werden, wenn sie nicht unter das NpSG fallen.
Der Toxikologe Fabian Pitter Steinmetz äußert im Podcast "Psychoaktiv" den Verdacht, dass es sich bei dem angeblich "natürlichen" HHC um einen Etikettenschwindel handeln könne. Denn: Der Stoff könne gar nicht in diesen Mengen von der Cannabispflanze synthetisiert werden. Das heißt: Mutmaßlich handelt es sich bei HHC sehr wohl um einen synthetischen Stoff – oder zumindest "halbsynthetisch".
Vapen ist mittlerweile sehr beliebt.Bild: imago images / AAP/ Diego Fedele
HHC kann nämlich beispielsweise aus nicht berauschenden CBD-Blüten hergestellt werden. Und zwar, indem diese mit Säuren und Schwermetallen behandelt werden. Die chemische Zusammensetzung würde sich so verändern und psychoaktives THC entstehen, erklärt der Cannabis-Aktivist Vincent Kühne in einem Youtube-Video. Durch Hydrierung wiederum könne aus diesem THC schließlich HHC synthetisiert werden.
Durch die Veränderung der chemischen Struktur natürlicher Pflanzen werden die Substanzen als "natürlich hergestellt gelabelt". Einige Hersteller:innen lassen sich die "natürliche Herstellungsweise" auch per Gutachten zertifizieren. Die werden allerdings nicht staatlich geprüft.
Und nicht nur das psychedelische HHC ist beliebt in Spätis und Kiosken, auch Distickstoffmonoxid, also Lachgas, wird oft verkauft. Das Gas, das für den Konsum oftmals in Luftballons gefüllt und dann eingeatmet wird, bewirkt einen nur wenige Minuten anhaltenden Rauschzustand.
Lachgas wird als Droge immer beliebter.Bild: imago images / Funke Foto Services/ Maurizio Gambarini
In Deutschland können die Kartuschen frei und ohne Altersbeschränkung verkauft werden. Denn: Ursprünglich sind die Gaskapseln für Sprühsahne gedacht gewesen. Marken wie Exotic Whip oder auch Fastgas bieten die Kartuschen aber sogar in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen an. Und bewerben den Rausch unverschleiert. Auch auf Tiktok ist Lachgas ein Trend.
Andere europäische Länder haben bereits reagiert und den Verkauf von Lachgas verboten, so etwa die Niederlande, Dänemark oder Großbritannien. Erlaubt ist dort nun nur noch der professionelle Gebrauch, etwa als Schmerzmittel. Auch die EU warnt bereits seit Jahren vor der Droge. Was aber ist so problematisch an den Späti-Drogen?
Welche Gefahren gibt es?
Bei dem Konsum von Lachgas können sich laut "GEO" zur berauschenden Euphorie auch Nebenwirkungen einstellen. Unter anderem komme es zu Benommenheit, Schwindel, Kopfschmerzen, Desorientiertheit, Gleichgewichtsproblemen und sogar Halluzinationen. Meist verflüchtigten sich diese unangenehmen Begleiter, wenn der Sauerstoff normal eingeatmeter Luft die Lunge erreicht. Nicht so schlimm also; das könnte man zumindest meinen.
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Neurologen rechnen laut der Zeitschrift nämlich auch damit, dass der Konsum bleibende Schäden hervorrufen könnte. Manche davon würden erst Wochen oder sogar Monate später auftreten, denn Lachgas blockiere Stoffwechselprozesse, an denen das Vitamin B12 beteiligt ist. Dadurch könnten diverse Symptome begünstigt werden, etwa "Taubheitsgefühl in den Beinen oder Armen, Anämie und Thrombosen, Muskelschwäche, Unsicherheit beim Gehen, Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang sowie Impotenz". In seltenen Fällen könnten sogar Wahnvorstellungen ausgelöst werden.
Besonders gefährlich sei zudem der sogenannte Mischkonsum, also der Konsum von Lachgas und weiteren Substanzen. Besonders vor der Kombination mit GHB, Alkohol, Opiaten oder Cannabis warnt "GEO". Das Risiko von Bewusstlosigkeit würde durch die Kombination verschiedener Downer (Blutdrucksenker) erhöht. Mit Lachgas ist also nicht zu spaßen.
Und auch HHC ist nicht ungefährlich. Das liegt gerade auch an den Stoffen, die wohl genutzt werden, um den Stoff überhaupt herzustellen. Wie "Vice" ausführt, sollten die verwendeten Säuren in dem Zusammenhang kein Problem darstellen, sehr wohl aber die verwendeten Schwermetalle. Und diese könnten langfristige Schäden verursachen.
Dadurch, dass HHC außerdem aus dem chemisch hergestellten THC synthetisiert wird – das in der EU verboten ist – könnten die HHC-Produkte nicht in Europa hergestellt werden. Dadurch fielen auch europäische Kontrollinstanzen weg. Die Leiterin des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien, Lisa Brunner, erklärte beim "Standard", dass beim Herstellungsprozess "diverse Nebenprodukte entstehen können, die teilweise nicht identifiziert sind oder nicht bestimmt werden können".
Zur Konsumkompetenz gehört auch, dass Konsument:innen wissen, wie eine Substanz wirkt und was drinsteckt.Bild: dpa / Robert Michael
Und auch über die Langzeitfolgen oder kurzzeitige Effekte des Konsums sei bislang nichts bekannt, weil die Studien dazu fehlten. Anders sieht das bei voll-synthetischen Cannabinoiden aus, die mittlerweile den Schwarzmarkt fluten. Dabei werden sie auf nicht-berauschende CBD-Blüten aufgetragen – und das ist nicht ungefährlich. Psychologin Eva Hoch, Leiterin der Forschungsgruppe Cannabis des Instituts für Therapieforschung, sagte in einem früheren Gespräch mit watson:
"Sie blockieren den Cannabis-Rezeptor voll, dadurch kann es zu Herz-Kreislauf-Krisen kommen, zu Kollapsen oder sogar Todesfällen. Diese Risiken hat natürliches THC nicht."
Inwiefern HHC ähnliche Risiken aufweist, ist mangels Erfahrungswerte und Studien bislang allerdings nicht bekannt. Für den Bundesdrogenbeauftragen Burkard Blienert (SPD) ist allerdings klar: HHC muss beobachtet und im Zweifel verboten werden. Das machte er in einem früheren Gespräch mit watson bereits deutlich. Auch Erfahrungen aus anderen EU-Ländern könnten bei dieser Bewertung helfen.