Immer wieder kam es auch in Deutschland im Zuge von pro-palästinensischen Demos zu antisemitischen Äußerungen.Bild: imago images / Achille Abboud
Deutschland
Angesichts der antisemitischen Vorfälle bei jüngsten
pro-palästinensischen Demonstrationen wird der Ruf nach einem
schärferen Vorgehen gegen die Täter lauter. Es gebe null Toleranz,
wenn jemand israelische Fahnen verbrenne und Synagogen angreife,
betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag in der Sitzung der
CDU/CSU-Bundestagfraktion nach Teilnehmerangaben. Antisemitische
Demonstranten seien nicht akzeptabel. Auch die muslimischen und
türkischen Verbände sollten ihren Einfluss deutlich machten.
Die CSU im Bundestag forderte die Länder auf, ein Verbot künftiger
Demonstrationen mit absehbar antisemitischen Krawallen zu prüfen.
"Wenn es zu erwarten ist, dass Antisemitismus, Flaggenverbrennung,
das Skandieren von Hassparolen stattfindet, dann sind das klar zu
erwartende Straftatbestände, die es rechtfertigen, dass man diese
Demonstrationen untersagt", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander
Dobrindt in Berlin. Er wolle Vorfälle wie zuletzt am bevorstehenden
Pfingstwochenende nicht erneut erleben.
Vermehrt antisemitische Vorfälle bei Demos
Bei Demonstrationen in mehreren deutschen Städten war es am
vergangenen Wochenende zu Ausschreitungen mit antisemitischen Parolen
und der Verbrennung israelischer Flaggen gekommen. Auslöser war die
Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der palästinensischen
Hamas mit Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Israel und
israelischen Gegenangriffen.
Merkel sagte in der Unionsfraktion Teilnehmerkreisen zufolge mit
Blick auf Ausschreitungen von arabisch- und türkischstämmigen
Menschen, man müsse bei den Konsequenzen auch das Gastrecht in
Betracht ziehen. Viele der Demonstranten hätten aber die deutsche
Staatsbürgerschaft.
Merkel verurteilt Vorfälle
Die Kanzlerin hatte den Angaben zufolge am Vortag mit dem Präsidenten
des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, gesprochen.
Dieser habe darum gebeten, auch mit den muslimischen und anderen
Verbänden zu sprechen. Merkel wurde mit den Worten zitiert: "Jeder,
der hier lebt, muss auch zu unserer Geschichte stehen." Wer Synagogen
angreife, zeige, dass es ihm um das Judentum als Ganzes gehe.
Dobrindt bezeichnete diese Vorfälle als "widerlich" und sagte:
"Verhaftungen, Verurteilungen und auch Ausweisungen müssen die
Konsequenzen aus diesem Verhalten sein." Das Verbrennen von Flaggen
könne mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. "Ich erwarte, dass
dieses Strafmaß jetzt auch Anwendung findet." Sollten Beteiligte auch
die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, dann sei zu fragen, wie sie
diese erlangen konnten, sagte Dobrindt. Er wolle auch erfahren, wie
das Thema Antisemitismus bei Einbürgerungsverfahren behandelt werde.
CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus sagte, es gebe bei einem "sehr,
sehr kleinen Teil" muslimischer Einwanderer Antisemitismus. "Das
müssen wir ernst nehmen, weil da scheinbar eine Integrationsaufgabe
nicht gelungen ist", sagte der CDU-Politiker. "Wir müssen mehr
einfordern, dass derjenige, der zu uns kommt, auch unsere Werte
teilt." Wer dazu nicht bereit sei, "der hat bei uns auch keinen
Platz". Brinkhaus betonte: "Es gehört zu unserer DNA in Deutschland,
dass jüdisches Leben geschützt wird. Es gehört zu unserer DNA in
Deutschland, dass das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt
wird."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will beim Kampf gegen Antisemitismus
in Deutschland auf die Zusammenarbeit mit islamischen Organisationen
setzen. "Wir möchten stark mit diesen Verbänden zusammenarbeiten und
gesellschaftspolitisch dagegen wirken. Auf der einen Seite durch
Integration, auf der anderen Seite durch Aufklärung."
Laschet fordert Hamas-Flaggen-Verbot
Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet verlangte in der Unionsfraktion
laut Teilnehmern auch ein Verbot der Fahne der Hamas in Deutschland.
Man brauche hier dringend eine Klarstellung.
FDP-Fraktionschef Christian Lindner forderte ein gemeinsames Vorgehen
aller Demokraten. "Antisemitismus ist immer ein Angriff auf den Kern
unserer freiheitlichen Gesellschaft und deshalb muss sich diese
freiheitliche Gesellschaft auch gemeinsam dagegen wehren."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan
Müller, forderte, man solle "der Hamas den Geldhahn zudrehen". Auch
deutsches Steuergeld finanziere indirekt Raketen, die die Hamas auf
Israel abfeuere. Die gut gemeinten Mittel für das UN-Hilfswerk für
Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) würden missbraucht: "Die
Hamas entscheidet im Gazastreifen, ob sie mit unseren Hilfsgeldern
Krankenhäuser oder doch lieber Terrortunnel baut. Dem muss
Deutschland sofort einen Riegel vorschieben." Das Auswärtige Amt
müsse die Mittel einfrieren und auch auf EU-Ebene die indirekte
Terrorfinanzierung stoppen.
Maas will 40 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereitstellen
Außenminister Heiko Maas kündigte jedoch am Rande einer EU-Konferenz
zur Eskalation des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern an,
dass Deutschland für humanitäre Hilfe im Gazastreifen rund 40
Millionen Euro zur Verfügung stellen werde. Es sei gut, dass Israel
den seit einer Woche geschlossenen Grenzübergang für den humanitären
Warenverkehr nach Gaza wieder geöffnet habe, sagte der SPD-Politiker.
Auch auf EU-Ebene wolle er sich für eine bessere humanitäre
Versorgung in Gaza einsetzen.
(nb/dpa)