Beim Jobcenter Greifswald scheinen sie es ganz genau zu nehmen mit den Kontrollen der Hartz-IV-Empfänger. Vielleicht etwas zu genau. Das musste kürzlich eine 40-jährige alleinerziehende Mutter am eigenen Leib erfahren.
Die Frau leidet an einer psychischen Beeinträchtigung, hat zwei Kinder, wird bei Behördengängen von einem gerichtlich bestellten Betreuer begleitet – und muss sich jetzt auch noch um gleich drei verschiedene Sanktionen ihres Jobcenters Sorgen machen. Die "Ostseezeitung" hat über den Fall zuerst berichtet, und auch mit dem Betreuer gesprochen.
Im Februar und März wurde die Mutter nun innerhalb kürzester Zeit mit drei Sanktionen belegt. Gegen alle "völlig unverhältnismäßigen" Sanktionen habe ihr Betreuer Widerspruch eingelegt – vergebens.
In einem Fall etwa war die Frau erkrankt und bettlägrig. Sie informierte das Jobcenter, reichte eine Krankmeldung ein, infromierte ihren Betreuer. Der wurde selbst in der Sache nochmal bei der Behörde vorstellig, um sicher zu gehen und einen neuen Termin auszumachen, berichtet er der "OZ". Geholfen hat das nichts. Begründung: eine einfache Krankmeldung reicht nicht aus.
Die Folge: Das Jobcenter verhängte eine Sanktion.
Für die Frau sind die Sanktionen ein echtes Problem "Drei Monate lang hatte sie jeweils 212 Euro weniger in der Haushaltskasse", sagte ihr Betreuer der "OZ". Ihre finanzielle Situation habe sich "spürbar verschlechtert" – mit Auswirkungen auf die Kinder.
Die Mutter gegenüber der "OZ":
Die Jobcenter stehen für ihre Sanktionierungs-Politik immer wieder in der Kritik. Der Vorwurf: Die Behörden streichen den Beziehenden von Hartz-IV ihre Bezüge zusammen – und diese fallen so unter das Existenzminimum.
Das hat keineswegs nur finanzielle Auswirkungen auf die Menschen. Oftmals leidet die Ernährung, dazu kommt psychischer und sozialer Stress. Kurzum: Die Gesundheit nimmt Schaden. Studien beweisen, dass Hartz-IV-Empfänger bis zu elf Jahre früher sterben als der Durchschnittsdeutsche.
Hinzu kommt, dass gerade alleinerziehende Mütter einem besonders hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind: Die Armutsgefährdungsquote lag 2016 bei 33 Prozent. im Jahr 2017 waren 27 Prozent der alleinerziehenden Mütter mit mindestens einem minderjährigen Kind ohne eine Beschäftigung.
Es ist also mehr als fraglich, ob man solchen Menschen wirklich die Bezüge zusammenstreichen muss - zumal wenn sie auch noch an einer psychischen beeinträchtigung leiden, wie die Mutter aus Greifswald.
Ihr Betreuer sieht das ähnlich. Er wandte sich an eine Greifswalder Rechtsanwältin, die jetzt drei Klagen beim Sozialgericht Stralsund einreichte. Die Anwältin in der "OZ": "Zumindest in einigen Fällen sind die Sanktionen definitiv unbegründet“.
Die Juristin holt aus:
Beim Jobcenter bedauert man offenbar nur eines. Nämlich dass der Fall "Gegenstand von Presseberichterstattung geworden ist".
(lj)