Deutschland
Politik

"Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin": Die TVNow-Doku ist für junge Menschen spannend

ARCHIV - 02.06.2015, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht in ihrem B
Von der Pastorentochter zur mächtigsten Frau der Welt: Angela Merkel in ihrem Büro im Kanzleramt.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Politik

Fünf Stunden mit der Krisenkanzlerin: Die TVNow-Doku über Angela Merkel ist gerade für junge Menschen spannend

29.06.2021, 10:3902.09.2021, 14:19
lukas armbrust
Mehr «Deutschland»

Der G20-Gipfel im Juli 2017. Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt versammeln sich in Hamburg. Angela Merkel ist seit drei Legislaturperioden Bundeskanzlerin, viele sehen sie am Höhepunkt ihrer Macht. In der Elbphilharmonie wird Beethovens neunte Symphonie aufgeführt. Während die Teilnehmer des Treffens drinnen auf den Gipfel musikalisch eingestimmt werden, eskalieren draußen in der Stadt die Proteste. Die Polizei liefert sich Straßenschlachten mit linksextremen Demonstranten. Autos brennen, Geschäfte werden geplündert.

Mit diesen kontrastreichen Bildern beginnt die fünfteilige Dokumentation "Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin" vom Streaming-Portal TVNow der Mediengruppe RTL Deutschland. Autor der filmischen Biografie ist Stefan Aust, Journalist und Herausgeber der "Welt" und "Welt am Sonntag" sowie ehemaliger Chefredakteur des "Spiegel". Unterstützt wurde er von der Co-Autorin Katrin Klocke, die viele Jahre leitende Redakteurin von "Spiegel TV" war.

Anhand zahlreicher Archivaufnahmen beleuchten die beiden Journalisten chronologisch den Lebensweg der wohl mächtigsten Frau der Welt: von ihrer Kindheit in der DDR, über den Aufstieg zur CDU-Chefin im Jahr 2000 – bis zu ihrer Kanzlerschaft, die im Herbst 2005 beginnt und 2021 enden wird. Produziert wurde die knapp fünfstündige Dokumentation von UFA Documentary in Zusammenarbeit mit UFA Fiction.

Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Arbeitszimmer im Kanzleramt in Berlin. (Archivbild)
+++ Die Verwendung des sendungsbezogenen Materials ist nur mit dem Hinweis und Verlinkung auf TVNOW gestatte ...
In fünf Folgen zeichnet die TVNow-Doku-Serie "Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin" den Lebensweg Merkels nach. Bild: TVNOW / Andreas Friese / TVNOW / Andreas Friese

Spannende Bilder – vor allem für junge Menschen

Für junge Menschen, die mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin aufgewachsen sind und ihren Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) womöglich nur noch in dunkler Erinnerung haben, werden vor allem die ersten beiden Folgen spannende Bilder liefern. Merkel kommt 1954 in Hamburg auf die Welt, wenige Wochen später zieht ihre Familie in die DDR um, in die Uckermark. Dort wächst sie auf. Sie fällt in der Schule vor allem durch ihre sehr guten Leistungen in Mathematik und Russisch auf. Ihre Mitschüler nennen sie "Kasi" – nach ihrem Geburtsnamen Kasner.

Ihre Mutter Herlind Kasner beschreibt ihre Tochter in einer Archivaufnahme, die in der Doku vorkommt, als harmoniebedürftig. Sie sagt über die spätere Bundeskanzlerin: "Sie konnte sich schlecht wehren, weil sie mit ihrer Umwelt in Frieden leben wollte." Wenn sie von Mitschülern gehauen worden sei, habe sie nie zurückschlagen wollen. Doch sie habe ihre Tochter ermutigt, sich zu wehren. Mit 13 Jahren habe Angela dann ein Schulkamerad derart im Unterricht gestört, dass sie ihm eine Ohrfeige verpasst habe. "Und da wussten wir, jetzt schafft sie das, sich durchzusetzen", sagt Kasner in der Doku und lächelt.

Dass sie Durchsetzungsvermögen besitzt, muss Merkel später, als sie ihren Weg in der Politik geht, immer wieder unter Beweis stellen: 1991, als sie mit wenig politischer Erfahrung das Amt der Ministerin für Jugend und Familie unter Kanzler Helmut Kohl antritt. Im Dezember 1999, als sie, ohne Wissen des damaligen CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble, einen Gastbeitrag für die FAZ schreibt. Darin bricht Merkel, die damals Generalsekretärin der Partei ist, mit Kohl, der in eine Parteispendenaffäre verwickelt war. Wenige Wochen später, im April 2000, wird sie zur CDU-Chefin gewählt.

2005 wird sie Kanzlerin – nach einer Bundestagswahl, bei der CDU und CSU die SPD besiegen: die Partei von Merkels siegessicherem Konkurrenten, dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Klimawandel und Flüchtlingskrise als Leitthemen

Ein Thema, das sich durch fast alle Folgen der TVNow-Dokumentation zieht, ist der Klimawandel. Damit kam Merkel schon früh in Berührung. Im Jahr 1994 wurde sie zur Umweltministerin ernannt. 13 Jahre später, im August 2007, reist sie als Kanzlerin mit ihrem Umweltminister Sigmar Gabriel nach Grönland. Dort, wo das Eis schmilzt, will sie sich persönlich ein Bild von den Auswirkungen der Erderwärmung machen. Eine Aufnahme zeigt die Kanzlerin vor einer riesigen Eismasse – eine Inszenierung als Klimakanzlerin, vermuten einige. Ein gutes Jahrzehnt später wird ihr die Fridays-for-Future-Bewegung vorwerfen, zu wenig gegen dem menschengemachten Klimawandel getan zu haben. Zu wenig, um den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu reduzieren.

Natürlich geht es in der Dokumentation auch um die Flüchtlingskrise. 2011 bricht in Syrien der Bürgerkrieg aus. Vier Jahre später, im Sommer 2015, machen sich hunderttausende Menschen auf den Weg und flüchten nach Europa. "Wir sind verpflichtet zu helfen, wir sind verpflichtet hinzuschauen, wir sind verpflichtet Verantwortung zu übernehmen", sagt Merkel damals.

FILE - This Sept. 10, 2015 file photo shows German Chancellor Angela Merkel taking a selfie with a refugee at the refugee reception center in Berlin, Germany. Angela Merkel faces a race against time t ...
Angela Merkel im September 2015, bei der Aufnahme eines Selfies mit einem Geflüchteten in Berlin. null / dpa/Bernd von Jutrczenka

Merkel besucht Flüchtlingsunterkünfte, lässt Selfies mit sich machen. Viele Flüchtlinge auf der Balkanroute sprechen bald von "Mama Merkel" und machen sich auf den Weg nach Deutschland. Dort empfangen zum einen viele deutsche Bürgerinnen und Bürger die Menschen aus Syrien und anderen Staaten mit offenen Armen und wollen helfen. Zum anderen bekommen ab 2015 die islamfeindliche Bewegung Pegida und die Alternative für Deutschland (AfD) mehr und mehr Zulauf. "Merkel muss weg!", skandieren sie auf den Straßen.

Merkel sagt dagegen: "Wir schaffen das!" Aber mit der Zeit zieht ihre Flüchtlingspolitik nicht nur von rechts außen, sondern auch innerhalb der Union Kritik auf sich. In der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre erschüttern immer wieder islamistische Anschläge Europa. Auch Deutschland ist betroffen: Würzburg, Ansbach, Berlin.

Dass sich die Macher der Dokureihe dafür entschieden haben, in diesem Zusammenhang Ausschnitte aus den Bekennervideos der Attentäter zu zeigen, ist mindestens streitbar. Mittlerweile sollte bekannt sein, dass man den abstrusen Gewaltfantasien dieser Menschen keine Plattform geben sollte.

Der Trailer zu "Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin"Video: YouTube/TVNOW

Nüchterne Darstellung, wenig Meinungslastiges

Abgesehen davon sorgt der dokumentarische Charakter der Serie aber für eine durchweg nüchterne Darstellung des Lebenswegs der Kanzlerin. Aust und Klocke haben darauf verzichtet, Parteikollegen, Weggefährten oder Kritiker der Kanzlerin für meinungslastige Statements vor die Kamera zu holen. Stattdessen lassen sie das Filmmaterial für sich sprechen und ordnen die Bilder unaufgeregt aus dem Off ein.

Jede Folge von "Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin" dauert knapp eine Stunde. Dementsprechend verdichtet kommen darin die Herausforderungen vor, vor denen Deutschland in den vergangenen 16 Jahren stand und teils weiter steht: Klimakrise, Finanzkrise, Euro-Krise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise. Kein Wunder, dass Angela Merkel schon mehr als einmal als "Krisenkanzlerin" bezeichnet wurde. Die Bewertungen, wie gut sie jede einzelne dieser Krisen gemeistert hat, fallen unterschiedlich aus.

Was Merkel wohl aber niemand absprechen kann, ist, dass sie sich über die Jahre eine stoische Gelassenheit angeeignet hat. Egal, wer ihr gegenüber saß – ob der russische Präsident Wladimir Putin, der britische Premier Boris Johnson oder US-Präsident Donald Trump – Merkel war stets auf Pragmatismus und Kompromisse bedacht. Selbst, als der damalige CSU-Vorsitzende Horst Seehofer im Zuge der Diskussion um eine Obergrenze für Flüchtlinge sie 2015, bei einem CSU-Parteitag, auf offener Bühne demütigte, verzog die Kanzlerin kaum merklich ihre Miene. Von außen wirkte es nie, als nähme sie sich selbst zu wichtig und so ist auch nicht viel über ihr Privatleben bekannt. In dieser Hinsicht fördert auch die TVNow-Dokumentation nichts Neues zutage. Sie bestätigt das Bild der kühlen Kanzlerin.

U.S. President Donald Trump and German Chancellor Angela Merkel participate in a bilateral meeting at the G-7 summit in Biarritz, France, Monday, Aug. 26, 2019. (AP Photo/Andrew Harnik)
Die kühle Kanzlerin: Angela Merkel beim G7-Gipfel 2019 im französischen Biarritz, neben dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump.Bild: AP / Andrew Harnik

Nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft wird wohl noch viel darüber diskutiert werden, was von der Ära Merkel bleibt, von welchen ihrer Richtungsentscheidungen die nächste Bundesregierung profitieren wird und welche Fehler sie womöglich ausbügeln muss. Doch mindestens in einem Punkt – das lässt sich jetzt schon festhalten – hat Merkel das Land nachhaltig verändert. Das wird auch in der Doku betont.

"Wer hätte gedacht, dass das höchste Regierungsamt schon in diesem Jahr einer Frau übertragen wird?", fragt die Bundeskanzlerin in ihrer ersten Regierungserklärung im Bundestag am 30. November 2005. 16 Jahre später wird sich wohl niemand mehr diese Frage stellen. Eine ganze Generation ist mit einer Frau an der Spitze der Bundesrepublik aufgewachsen. Auch, wenn Angela Merkel nicht jeder ein feministisches Erbe bescheinigen wird: Viele junge Menschen müssen sich erst einmal an den Gedanken gewöhnen, dass womöglich ein Mann künftig unser Land führen könnte.

"Angela Merkel – Frau Bundeskanzlerin" steht ab dem 29. Juni auf TVNow zum Streaming zur Verfügung.

BSW, Linke und FDP: Ist die Fünf-Prozent-Hürde noch zeitgemäß?

Die deutsche Parteienlandschaft wächst. Bereits bei der Bundestagswahl 2021 waren insgesamt 53 Parteien zur Wahl zugelassen. Darunter die etablierten Parteien SPD, Grüne, FDP, Union sowie Linke und AfD, aber auch Klein- und Kleinstparteien, wie die Urbane, Volt oder die Piraten. Bereits 2021 war zu beobachten: Das Parteienspektrum wächst gerade im Bereich der Grünen-Parteien und dem rechten Lager.

Zur Story