"Vor knapp sechs Jahren, in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2013, änderte sich schlagartig mein Leben."
So beginnt der Text, den die 36-jährige Nina Fuchs geschrieben hat, um – wie sie fordert – endlich Gerechtigkeit zu bekommen.
Denn ihr Leben änderte sich ohne ihren Willen. In der Nacht, von der sie schreibt, sei sie vergewaltigt worden, sagt Nina. Sie sei zuvor mit Freunden in einem Münchner Club feiern gewesen und dann, irgendwann, in einem Gebüsch aufgewacht. Ihre Unterhose hing ihr in den Kniekehlen, erinnert sich Nina. An etwas anderes konnte sie sich nicht erinnern.
Nina Fuchs ging zur Polizei. Der Verdacht, dass sie K.o.-Tropfen erhalten hatte, konnte sich durch eine Blutuntersuchung nicht bestätigen. Aber man fand Spermaspuren an ihrem Körper, sowie Blutergüsse und Hautverletzungen. Die DNA-Spuren konnten schließlich einer Person zugeordnet werden. Einem Mann, der Nina nicht bekannt ist.
Doch dieser Mann musste sich bislang nicht rechtfertigen. Zumindest nicht vor Gericht, denn, so die zuständige Staatsanwältin, es habe nicht nachgewiesen worden können, dass "der oder die Täter eine eventuelle Widerstandsunfähigkeit" ausgenutzt hätten, da eine eventuelle Betäubung nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Juristisch gesehen: Es könne nicht nachgewiesen werden, ob der Sexualkontakt nicht doch einvernehmlich war und damit eben keine Vergewaltigung.
In der Begründung der Staatsanwaltschaft heißt es:
„Der DNA-Treffer ist zwar der Beweis dafür, dass es zwischen der Geschädigten und dem Beschuldigten zum körperlichen Kontakt kam. Da sich die Geschädigte jedoch an längere zeitliche Abschnitte der Tatnacht nicht erinnern kann, kann nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei dem Beschuldigten tatsächlich um einen der beiden Täter handelt. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass die Geschädigte in der Tatnacht auch mit anderen Männer sexuellen Kontakt hatte. Unter diesen Umständen ist der Freispruch des Beschuldigten wahrscheinlicher als eine Verurteilung. Für die Erhebung der öffentlichen Klage ist daher kein Raum.“
Auszug aus der Begründung der Staatsanwaltschaft
Mit diesen Sätzen ändert sich Ninas Leben noch einmal. Denn sie beschloss, diese Entscheidung so nicht hinzunehmen.
Sie fühlt sich von der Staatsanwaltschaft nicht ernst genommen. Auch den Hinweis darauf, sie könne noch mit anderen Männern Sex gehabt haben, findet sie unfassbar: "Mal abgesehen davon, dass es Unsinn ist – was spielt das überhaupt für eine Rolle?", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung".
Auch ihr Anwalt findet die Begründung skandalös. Denn obgleich K.o.-Tropfen nicht mehr nachgewiesen werden konnten, wurden bei ihr für Vergewaltigungen typische Verletzungen sehr wohl dokumentiert. Grund genug, zumindest ein Verfahren einzuleiten, wie Anwalt und Opfer finden.
Nina Fuchs geht also in die Offensive. Auf der Petitionsplattform change.org ruft sie die Öffentlichkeit zur Unterstützung auf:
"Herr Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle, ich bitte Sie, das Verfahren wieder zu eröffnen, damit ein/e RichterIn darüber entscheiden kann, ob es zu einer Verurteilung des (...) Beschuldigten kommt oder nicht."
Wenn Erinnerungslücken ausreichen, um die Einstellung eines Verfahrens zu begründen, sei das wie ein Freifahrtschein für Täter, wie Nina sagt: "Sorge dafür, dass dein Opfer Erinnerungslücken hat und du kannst machen, was du willst."
Nina Fuchs wendet sich auch an die Öffentlichkeit, um einen "Weg aus ihrer Ohnmacht zu finden", wie sie es beschreibt. Mehr als 94.000 Menschen unterstützen mittlerweile ihre Petition.
Nachdem Nina bei einer Pressekonferenz in München ihren Appell an den Generalstaatsanwalt vorgestellt hat, gibt die Behörde an, den Fall erneut prüfen zu wollen, wie Oberstaatsanwalt Thomas Weith erklärte.
Nina bei der Übergabe ihrer Forderung an Oberstaatsanwalt Thomas Weith
change.org
Die Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen. Dann wird sich auch entscheiden, ob sich Ninas Leben erneut ändern wird. Und sie als Nebenklägerin in einem Prozess auftreten kann.